Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergnügungssteuer. Aufwandsteuer. Mehrwertsteuer. Glücksspiel. Spielhalle. Steuersatz. Steuermaßstab. Vergnügungsaufwand. Einspielergebnis. Vertrauensschutz. Lenkungszweck. Beweisantrag. Hilfsbeweisantrag. Untersuchungsgrundsatz. Aussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vergnügungssteuer auf Glücksspiele kann nach Europarecht neben der Mehrwertsteuer erhoben werden (wie bisherige Rechtsprechung).
2. Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann, sofern sich aus dem Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes ergibt, nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden; entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (im Anschluss an Beschluss vom 30. April 2003 – BVerwG 6 C 6.02 – BVerwGE 118, 128 ≪150≫; Urteil vom 10. Dezember 2009 – BVerwG 9 C 12.08 – BVerwGE 135, 367 Rn. 40).
3. Sind die für eine Grundsatzfrage (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) maßgeblichen Tatsachen von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, kann die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn das Tatsachengericht eine ordnungsgemäß beantragte Sachverhaltsaufklärung nur deswegen abgelehnt hat, weil es die betreffende Frage anders beantwortet hat, als es die Beschwerde für richtig hält (im Anschluss an Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – BVerwGE 111, 61 ≪62≫).
Leitsatz (redaktionell)
Der Frage, ob es mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wenn eine Gemeinde in Bezug auf kommunale Steuern (Vergnügungsteuer) einen beliebigen Steuersatz beschließt, ohne die Auswirkung dieses Steuersatzes auf das von der Steuerpflicht betroffene Gewerbe vor Erlass der Satzung zu überprüfen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich aufgrund bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lässt.
Normenkette
GG Art. 105 Abs. 2a; VwGO § 86 Abs. 1-2, §§ 94, 132 Abs. 2 Nrn. 1, 3; MWSt-RL Art. 135 Abs. 1 Buchst. i, Art. 401; KAG BW § 9 Abs. 4
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 13.12.2012; Aktenzeichen 2 S 1010/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 135 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht begründet.
Rz. 3
a) Der Frage,
“Ist es mit höherrangigem Recht vereinbar, wenn eine Gemeinde in Bezug auf kommunale Steuern (Vergnügungssteuer) einen beliebigen Steuersatz beschließt, ohne die Auswirkung dieses Steuersatzes auf das von der Steuerpflicht betroffene Gewerbe vor Erlass der Satzung zu überprüfen?”
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens aufgrund bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lässt. Die Frage zielt zunächst auf die Vereinbarkeit des Steuersatzes mit § 9 des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes (vom 17. März 2005, GBl.BW S. 206, zuletzt geändert durch Art. 29 der Verordnung vom 25. Januar 2012, GBl.BW S. 65, 68), die das Revisionsgericht nicht überprüfen darf (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im Übrigen beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle satzungsrechtlicher Abgabenregelungen mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) auf die Vereinbarkeit der Festsetzungen mit höherrangigem Recht, umfasst aber nicht die Überprüfung nach der Art von – ermessensgeleiteten – Verwaltungsakten mit der Folge, dass die Entscheidung des Satzungsgebers daraufhin zu überprüfen wäre, ob hinreichende Tatsachenermittlungen angestellt worden sind, die die Entscheidung tragen können (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2009 – BVerwG 9 C 12.08 – BVerwGE 135, 367 Rn. 40; a.A. OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 5 BS 242/06 – NVwZ-RR 2007, 553; VG Köln, Urteile vom 5. März 2007 – 23 K 1704/03 – juris Rn. 49 ff. und vom 4. Februar 2009 – 23 K 2778/08 – juris Rn. 16). Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann, sofern sich aus dem Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes ergibt, nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden (Beschlüsse vom 3. Mai 1995 – BVerwG 1 B 222.93 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2 S. 1 f. und vom 30. April 2003 – BVerwG 6 C 6.02 – BVerwGE 118, 128 ≪150≫). Es gibt keine bundesrechtliche Regelung, die vorschreibt, dass vor Erlass einer Steuersatzung die Interessen der Gemeinde an der Steuererhebung mit den Interessen der Steuerpflichtigen auf der Grundlage zu erhebender Tatsachen abzuwägen sind (Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O.; dem folgend OVG Münster, Urteil vom 23. Juni 2010 – 14 A 597/09 – juris Rn. 49; OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. November 2010 – 9 LA 199/09 – ZKF 2010, 287; VGH Mannheim, Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 S 2995/11 – KStZ 2012, 216 ≪217≫; OVG Magdeburg, Urteil vom 23. August 2011 – 4 L 323/09 – KStZ 2012, 31 ≪32≫). Entscheidend ist vielmehr, dass die Steuersatzung nach ihrem Inhalt nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (Urteil vom 17. April 2002 – BVerwG 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188 ≪193 f.≫).
Rz. 4
b) Mit der weiteren Frage,
“Ist es mit Treu und Glauben vereinbar, wenn eine Gemeinde in Bezug auf kommunale Steuern (Vergnügungssteuer) eine Erhöhung des Steuersatzes beschließt, obwohl im Rahmen der vorangegangenen Beschlussfassung über die Höhe des Steuersatzes festgelegt war, dass ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Satzung ein Bericht über die finanziellen und strukturellen Auswirkungen der Satzung auf die Steuerschuldner vorzulegen ist?”
wollen die Antragsteller geklärt wissen, ob die Antragsgegnerin gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen hat, indem sie, ohne die Vorlage des Ergebnisberichts über die Auswirkungen der Vergnügungssteuersatzung auf die Steuerschuldner abzuwarten, den Steuersatz erhöht hat. Sie machen damit geltend, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden. Sie zeigen jedoch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs-)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschlüsse vom 21. September 2001 – BVerwG 9 B 51.01 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 S. 28 und vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49 S. 27). Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Beschwerde erschöpft sich vielmehr im Wesentlichen darin, die Argumente der Vorinstanz für unzutreffend zu halten.
Rz. 5
Ihre Rügen greifen im Übrigen auch in der Sache nicht durch. Nach dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes sollen die Bürgerinnen und Bürger mögliche staatliche Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 ≪271≫; Beschluss vom 23. Februar 1983 – 1 BvR 1019/82 – BVerfGE 63, 215 ≪223≫). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – NVwZ 2013, 1004 Rn. 51 = juris Rn. 41). Der Vertrauensschutz erstreckt sich aber nicht darauf, dass Regelungen für die Zukunft unverändert bleiben. Denn die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 1974 – 1 BvR 51, 160, 285/69, 1 BvL 16, 18, 26/72 – BVerfGE 38, 61 ≪83≫ und vom 5. Februar 2002 – 2 BvR 305, 348/93 – BVerfGE 105, 17 ≪40≫). Anderes kann nur gelten, wenn der jeweilige Normgeber selbst einen Vertrauenstatbestand schafft, indem er anderes bestimmt. Das war aber nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs gerade nicht der Fall. Danach beauftragte der Rat mit Beschluss vom 11. Mai 2010 lediglich die Verwaltung, ein Jahr nach dem Inkrafttreten der damals neuen Satzung einen Bericht über die finanziellen und strukturellen Auswirkungen der Satzung auf Spielhallen und Gaststätten vorzulegen, enthielt aber keine bindende Festlegung dergestalt, dass eine Änderung der bestehenden Satzung erst nach Vorlage des Berichts erfolgen würde. Die tatsächliche Würdigung durch den Verwaltungsgerichtshof, die Antragsteller hätten aufgrund des erwähnten Beschlusses allenfalls darauf vertrauen können, dass es bis zum Ablauf des genannten Jahres bei dem in der Satzung vom 11. Mai 2010 festgelegten Steuersatz bleiben werde, betrifft im Übrigen nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.
Rz. 6
c) Die weitere Frage,
“Ist es mit § 9 Abs. 4 KAG und Bundesrecht als Ermächtigungsgrundlage vereinbar, wenn Gemeinden die Höhe des Vergnügungssteuersatzes deshalb so hoch ansetzen, weil sie ausschließlich oder überwiegend damit das Ziel verfolgen, Automatenaufsteller von ihrem Gemeindegebiet aus dem Markt zu verdrängen?”
ist, soweit es auf die Vereinbarkeit mit Bundesrecht ankommen kann, schon deshalb nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich im Revisionsverfahren nicht stellen würde. Denn die Antragsteller legen Tatsachen zu Grunde, die vom Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist gerade nicht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin überwiegend oder ausschließlich das Ziel verfolgt, Automatenaufsteller von ihrem Gemeindegebiet aus dem Markt zu verdrängen. Er hat vielmehr angenommen, dass die Antragsgegnerin mit der Erhöhung des Steuersatzes das Ziel verfolgt, die Zahl der Spielhallen und Automaten einzudämmen. Deshalb stellt sich die Frage, ob es mit Bundesrecht vereinbar ist, dass der Lenkungszweck die Fiskalinteressen der Gebietskörperschaften völlig in den Hintergrund drängt, nicht. Die Zulässigkeit der Verfolgung von Lenkungszwecken neben fiskalischen Zwecken stellen die Antragsteller ausdrücklich nicht infrage. Die Vereinbarkeit der Regelung mit § 9 Abs. 4 KAG Baden-Württemberg, die die Antragsteller geprüft wissen wollen, entzieht sich der Überprüfungsbefugnis des Revisionsgerichts.
Rz. 7
d) Die Frage,
“Kann die erdrosselnde Wirkung der Höhe eines Vergnügungssteuersatzes einer Gemeinde für in dem Gemeindegebiet ansässige Automatenaufsteller damit gerechtfertigt werden, dass seit Erlass der betreffenden Vergnügungssteuersatzung keine Schließungen von Spielhallen im Gemeindegebiet erfolgt sind, auch wenn seit dem Inkrafttreten der Satzung erst ein Jahr und 5 Monate vergangen sind und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Automatenaufsteller im Gemeindegebiet ergeben, dass keine ausreichende Kapitalverzinsung und kein ausreichender Unternehmerlohn mehr zu erzielen ist?”
hebt ebenfalls auf Tatsachen ab, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Sind Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren stellt, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, so kann die Revision im Hinblick auf diese Frage regelmäßig nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Dieser Einwand kann der Beschwerde zwar dann nicht entgegengehalten werden, wenn die in der Vorinstanz ordnungsgemäß beantragte Sachverhaltsaufklärung nur deswegen unterblieben ist, weil das Tatsachengericht die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als die Beschwerde beantwortet und deswegen die Beweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat (Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – BVerwGE 111, 61 ≪62≫). Der Verwaltungsgerichtshof hat den auf das Betriebsergebnis der Antragsteller zielenden Hilfsbeweisantrag aber nicht deshalb abgelehnt, weil betriebswirtschaftliche Auswertungen der Automatenaufsteller im Gemeindegebiet schlechterdings unerheblich wären, sondern weil es auf die Auswirkungen auf die Branche insgesamt ankomme und nicht auf die Auswirkungen auf einzelne Unternehmen. Unter dieser Prämisse ist er gerade nicht davon ausgegangen, dass für die Automatenaufsteller im Gemeindegebiet keine ausreichende Verzinsung und kein ausreichender Unternehmerlohn mehr zu erzielen ist. Er hat vielmehr in der Entwicklung der Anzahl der Spielhallen und der Spielgeräte sowie der Bauanträge und Bauvoranfragen für die Errichtung neuer Spielhallen sowie für die Erweiterung bestehender Spielhallen in den Jahren 2010 bis 2012 ein Indiz dafür gesehen, dass die in der Branche tätigen Unternehmen auch in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten einschließlich der in der Vergnügungssteuersatzung festgelegten Besteuerungsgrundlagen erwarten, dass zumindest nach dem Ausscheiden einzelner Marktteilnehmer im Gebiet der Antragsgegnerin Spielhallen wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden können. Im Übrigen hat er auf die eigenen Angaben der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung abgestellt, wonach trotz des von der Antragsgegnerin erhöhten Steuersatzes Spielhallen je nach der Struktur des Betriebs sowie des Auslastungsgrades der aufgestellten Spielgeräte gewinnbringend betrieben werden können (UA S. 14). Die Frage, ob die vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Tatsachen ausreichend sind, um repräsentative Aussagen zu den Auswirkungen auf die Automatenaufsteller treffen zu können, lässt sich nicht rechtsgrundsätzlich beantworten, sondern hängt von den konkreten Gegebenheiten im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin ab (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2011 – BVerwG 9 B 16.11 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 53 Rn. 7).
Rz. 8
e) Den weiteren Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht zu, weil sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht tragen, sondern von ihm nur im Rahmen einer Hilfsbegründung behandelt worden sind. Denn insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof den Antrag deswegen abgewiesen, weil er sich nicht gegen die Änderungssatzung vom 10. Mai 2011, sondern gegen die ursprüngliche Satzung vom 11. Mai 2010 richte. Dagegen sind Zulassungsgründe nicht dargelegt worden. Des ungeachtet rechtfertigt auch in der Sache keine der weiteren Fragen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Rz. 9
aa) Sollte die Frage, ob es für die Annahme einer Aufwandsteuer (Vergnügungssteuer) ausreicht, wenn bei der Höhe des Vergnügungssteuersatzes auf die sogenannte Nettokasse Bezug genommen wird, obwohl die Möglichkeit besteht, durch unmittelbare Zuordnung der zu zahlenden Aufwandsteuer den jeweiligen Spieler zu belasten, so zu verstehen sein, ob ein Maßstab, der die Steuer dem jeweiligen Spieler zuordnet und ihn belastet, als der wirklichkeitsnächste Maßstab zu Grunde zu legen ist, fehlte es an der Feststellung der entsprechenden Tatsachen durch den Verwaltungsgerichtshof. Darüber hinaus ist die Frage bereits geklärt. Dem Satzungsgeber kommt bei der Festlegung des Steuermaßstabs ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 – BVerfGE 123, 1 ≪20≫; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – BVerwG 9 C 12.08 – BVerwGE 135, 367 Rn. 22). Für die Annahme einer Aufwandsteuer ist erforderlich, dass der gewählte Maßstab einen zumindest lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand des Spielers aufweist. Der Maßstab des Einspielergebnisses genügt diesen Voraussetzungen, wie in der Rechtsprechung bereits entschieden ist (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 a.a.O. S. 26; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 26). Das Einspielergebnis weist einen sachgerechten Bezug zum Vergnügungsaufwand auf, da es den Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers wenigstens proportional abbildet.
Rz. 10
bb) Die Frage, ob es mit dem Charakter einer Aufwandsteuer vereinbar ist, wenn der jeweilige Steuerschuldner durch Verlagerung von Auslesezeiten insgesamt die Höhe der zu zahlenden Vergnügungssteuer beeinflussen kann, betrifft die Vereinbarkeit von § 10 Abs. 1 der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin mit Art. 105 Abs. 2a GG. Jedoch ist geklärt, dass Zweifel an der Tauglichkeit des Steuertatbestandes und des Steuermaßstabs den Typus der Abgabe und damit ihren Charakter als Aufwandsteuer unberührt lassen (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 a.a.O. S. 16 f.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 17). Das gilt erst recht für die Einzelheiten der Steuerberechnung.
Rz. 11
cc) Geklärt ist auch die Frage, ob die Erhebung von Vergnügungssteuer (wie hier gemäß § 7 i.V.m. § 2 der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin) mit der Richtlinie 2006/112/EG vereinbar ist oder ob die Erhebung von Vergnügungssteuer gegen ein in der Richtlinie verankertes Kumulierungsverbot von Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer verstößt. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl EG Nr. L 347 vom 11. Dezember 2006 S. 1) hindert gemäß ihrem Art. 401 einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten und einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind. Für die Vergnügungssteuer kann der Charakter einer Umsatzsteuer zweifelsfrei verneint werden. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gibt nichts dafür her, dass dann, wenn Mehrwertsteuer auf Glücksspiele erhoben wird, keine sonstige Abgabe nach Art. 401 Mehrwertsteuersystemrichtlinie erhoben werden darf (Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 34 ff.; Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – BVerwG 9 B 40.09 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 7 und vom 25. Mai 2011 – BVerwG 9 B 34.11 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 52 Rn. 3; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 27. November 2012 – 14 A 2351/12 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. Januar 2013 – 9 ME 160/12 – ZKF 2013, 70).
Rz. 12
2. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
Rz. 13
a) Die Ablehnung des Antrages, “zum Beweis der Tatsache, dass die Änderungssatzung mit einem Steuersatz von 18 % bei den Antragstellern dazu führt, dass sie nur ein negatives Betriebsergebnis erzielen können, ein Sachverständigengutachten einzuholen”, begründet nicht den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung im Sinne von § 86 Abs. 1 VwGO.
Rz. 14
Entgegen der Auffassung der Beschwerde sind die Grundsätze, die die Ablehnung eines Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung zulassen können, nicht heranzuziehen, weil die Antragsteller ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2012 nur einen Hilfsbeweisantrag gestellt haben. Ein Hilfsbeweisantrag ist aber lediglich eine Beweisanregung, die der Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis zu nehmen und erst bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen hatte (Beschluss vom 17. Juli 2008 – BVerwG 9 B 15.08 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 Rn. 6 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Hilfsbeweisantrag der Antragsteller ohne Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz bzw. die Aufklärungspflicht abgelehnt. Denn er hat darauf abgestellt, dass es für die Frage, ob die Erhebung einer Spielgerätesteuer erdrosselnde Wirkung hat, nicht auf ihre Auswirkungen auf einzelne Unternehmen ankomme, sondern auf die Auswirkungen auf die Branche insgesamt. Bei der Beurteilung, ob der Fehler mangelnder Sachaufklärung im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts auszugehen. Zu Fragen, auf die es nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs aus Gründen des materiellen Rechts nicht ankam, musste das Gericht keine Sachaufklärung betreiben (Beschluss vom 23. Juni 2008 – BVerwG 9 VR 13.08 – Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 7 Rn. 3). Die Beschwerde kann nicht damit gehört werden, der Verwaltungsgerichtshof habe übersehen, dass die beantragte Beweiserhebung gerade nicht auf die Untersuchung der Auswirkungen der Erhöhung der Vergnügungssteuer auf einen Einzelbetrieb, sondern auf eine repräsentative Gruppe der Automatenaufsteller gezielt habe. Denn dem Urteil sind keine Feststellungen dahin zu entnehmen, dass es sich bei den Antragstellern um eine derartige repräsentative Gruppe handelt. Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es darauf auch nicht an. Vielmehr hat er angenommen, dass entscheidungserheblich die Auswirkungen der Änderungssatzung auf die Branche der Betreiber von Spielhallen insgesamt waren. Insoweit hat er sich aber in seiner Entscheidung auf die eigenen Angaben der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung gestützt, wonach trotz des von der Antragsgegnerin erhöhten Steuersatzes Spielhallen je nach der Struktur des Betriebs sowie des Auslastungsgrades der aufgestellten Spielgeräte gewinnbringend betrieben werden können.
Rz. 15
Weshalb sich der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Entwicklung der Spielhallen und Spielgeräte seit Erlass der Satzung hätte stützen können, erschließt sich nicht. Soweit die Beschwerde darauf abhebt, dass der Zeitraum vom Erlass der Satzung bis zur gerichtlichen Entscheidung zu kurz gewesen sei, um eine verlässliche Aussage über die Auswirkungen der Erhöhung der Vergnügungssteuer auf die gesamte Branche der Automatenaufsteller zu treffen, setzt sie sich nicht mit der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, nach der sich nach Erlass der Vergnügungssteuersatzung die Anzahl der Spielgeräte nicht nur nicht verringert, sondern sogar noch einmal erhöht hat. Es ist nicht erkennbar, weshalb ein wirtschaftlich denkender Unternehmer in neue Spielgeräte investieren sollte, wenn es ihm wegen der Höhe der zu entrichtenden Vergnügungssteuer nicht möglich wäre, Gewinn zu erzielen (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 2011 – BVerwG 9 B 53.11 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 70 Rn. 5 und vom 21. Juni 2012 – BVerwG 9 B 14.12 – juris Rn. 9). Ein Aufklärungsmangel kann bei dieser Sachlage nicht erkannt werden.
Rz. 16
b) Ein Verfahrensfehler liegt nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof das Normenkontrollverfahren nicht bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf die Vorlage des Finanzgerichts Hamburg vom 21. September 2012 – 3 K 104/11 – gemäß § 94 VwGO ausgesetzt hat. Denn darauf kam es schon deshalb nicht an, weil der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Aussetzung des Verfahrens lediglich hilfsweise erörtert hat, so dass die Entscheidung darauf nicht beruht.
Rz. 17
Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass der Verwaltungsgerichtshof sein Aussetzungsermessen in verfahrensfehlerhafter Weise ausgeübt hätte. Denn er ist davon ausgegangen, dass Zweifel an der Auslegung von Art. 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auch im Hinblick auf den Aussetzungsbeschluss des Finanzgerichts Hamburg nicht bestehen.
Rz. 18
3. Der Anregung der Antragsteller, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorlage des Finanzgerichts Hamburg auszusetzen, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Außerdem bietet die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Bot vom 11. März 2010 in der Rechtssache C-58/09 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union thematisierte Doppelbesteuerung von Glücksspielen (Rn. 43 f.) keinen Anlass, vernünftige Zweifel zu hegen, die eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderten. Der Generalanwalt stützt seine Ausführungen auf eine Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil in dieser Sache vom 10. Juni 2010 (Slg. 2010, I-5189) nicht geteilt hat. Denn der Gerichtshof hat für die Steuerbefreiung von Glücksspielen rein praktische Erwägungen angeführt (a.a.O. Rn. 24) und ist erkennbar von einem Nebeneinander von Mehrwertsteuer und sonstigen Abgaben ausgegangen (a.a.O. Rn. 38; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2011 a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 27. November 2012 a.a.O. Rn. 38).
Rz. 19
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG (15 000 € je Antragsteller).
Unterschriften
Dr. Bier, Buchberger, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen
Haufe-Index 5422978 |
Gemeindehaushalt 2013, 261 |
ZfWG 2014, 148 |