Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.02.2004; Aktenzeichen 12 B 02.1520) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss einer Leistungsvereinbarung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 93a Abs. 1 BSHG – insoweit unter Ausklammerung der gemäß § 93b Abs. 1 Satz 2, § 93a Abs. 2 BSHG im Schiedsstellenverfahren zu regelnden Vergütungsgesichtspunkte, die den Gegenstand einer rechtlich eigenständigen Vergütungsvereinbarung (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 93a Abs. 2 BSHG) bilden – mit der Erwägung bejaht, dass sonst das Schiedsstellenverfahren umgangen werde (S. 12 f. des Urteils), nachdem die Schiedsstelle – wenn auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu Unrecht – bis zur gerichtlichen Entscheidung über eine Leistungsvereinbarung das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat, statt vorab – trotz Fehlens einer Leistungsvereinbarung – über die Vergütungsvereinbarung zu entscheiden. Dem sucht die Vorinstanz dadurch Rechnung zu tragen, dass bei Abschluss der Leistungsvereinbarung der von der Schiedsstelle zu klärende Vergütungsgesichtspunkt unberücksichtigt zu bleiben habe.
b) Die Beschwerde macht geltend, der vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Angebot auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 93a Abs. 1 BSHG) reduziere das vom Sozialhilfeträger auszuübende Abschlussermessen auf die Prüfung, ob die formalen Voraussetzungen für ein Leistungsangebot vorlägen, woraus sich “für den Regelfall der Zwang des Sozialhilfeträgers (ergebe), gleichsam mit jedem Leistungsanbieter eine Leistungsvereinbarung abzuschließen”. Die Entscheidung hierüber sei “von grundsätzlicher Bedeutung für das gesamte System des § 93 BSHG”. Bei einem so weitreichenden Anspruch von Leistungsanbietern wäre der Sicherstellungsauftrag des Sozialhilfeträgers undurchführbar, werde die kommunale Finanzhoheit eingeschränkt und in unzulässiger Weise in die Planungsträgerschaft und -hoheit des Sozialhilfeträgers eingegriffen.
c) Die Beschwerde berücksichtigt dabei jedoch nicht, dass die von dem Urteil des Berufungsgerichts aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 93 ff. BSHG ausgelaufenes bzw. – im Beschwerdezeitpunkt – auslaufendes Recht betreffen, da gemäß Artikel 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022, 3071) am 1. Januar 2005 das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Kraft getreten ist. Das die Zulassung der Revision rechtfertigende Ziel, mit der Revisionsentscheidung der Erhaltung der Rechtseinheit oder der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen, kann bei auslaufendem bzw. ausgelaufenem Recht zum einen dann noch erreicht werden, wenn noch eine erhebliche Anzahl von Fällen nach dem auslaufenden Recht zu entscheiden wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – BVerwG 5 B 155.96 – ≪Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15≫). Dafür hat die Beschwerde nichts vorgetragen. Soweit zum anderen den außer Kraft getretenen Vorschriften gesetzliche Regelungen nachgefolgt sind, bei denen sich die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen, was hier mit Blick auf die den §§ 93 ff. BSHG weitgehend inhaltsgleichen Nachfolgeregelungen in den §§ 75 ff. SGB XII der Fall sein dürfte, kann daraus eine zukunftsweisende Wirkung einer Revisionsentscheidung vorliegend deshalb nicht abgeleitet werden, weil nach dem 7. Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3302) – ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2005 – in Angelegenheiten der Sozialhilfe nach dem SGB XII nicht die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern die der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG, eingefügt durch Artikel 1 Nr. 10 Buchstabe b des genannten Gesetzes). Die revisionsgerichtliche Klärung der Auslegung der Nachfolgebestimmungen ist damit Aufgabe des Bundessozialgerichts und nicht des Bundesverwaltungsgerichts.
2. Soweit die Beschwerde weiter eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 1993 – BVerwG 5 C 41.91 – (BVerwGE 94, 202 ff.) und vom 1. Dezember 1998 – BVerwG 5 C 17.97 – (BVerwGE 108, 47 ff., nicht – wie in der Beschwerde angegeben – 56 ff.) geltend macht, sind die Voraussetzungen einer Zulassung wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seiner Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der dort genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht; eine fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall rechtfertigt eine Divergenzzulassung nicht (stRspr des BVerwG, vgl. Beschluss vom 5. Januar 2001 – BVerwG 4 B 57.00 – ≪NVwZ-RR 2001, 422≫).
Die Beschwerde macht insoweit geltend, § 93 Abs. 2 BSHG richte sich nur an den Träger der Sozialhilfe und setze den Abschluss einer Vereinbarung voraus, enthalte aber keine Regelungen hinsichtlich des Abschlusses dieser Vereinbarung selbst, und der Verwaltungsgerichtshof schließe von den Aufgaben der Schiedsstelle gemäß § 94 BSHG, deren Tätigkeit erst nach dem Abschluss von Leistungsvereinbarungen beginne, unzutreffend auf eine Tätigkeit im Rahmen des Abschlusses von Leistungsvereinbarungen selbst; auch sei das Urteil vom 1. Dezember 1998 falsch ausgelegt, da seit 1999 die Leistungsvereinbarungen ausdrücklich aus dem Verantwortungsbereich der Schiedsstellen ausgenommen seien. Damit macht die Beschwerde eine unzutreffende Anwendung des (neuen) Rechts, aber nicht eine Divergenz im Rechtssatz geltend.
Auch der Hinweis, dass der Sozialhilfeträger nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 1993 – BVerwG 5 C 41.91 – (a.a.O., 206 f.) den Abschluss einer Vereinbarung mit Einrichtungen, welche die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit nicht gewährleisten können, verweigern müsse, lässt eine Divergenz im Rechtssatz nicht erkennen.
Das gleiche gilt für die weiteren Ausführungen, wonach der Verwaltungsgerichtshof ”übersehen bzw. falsch gewichtet” habe, dass der von der Klägerin geforderte Vergütungssatz erheblich über den Durchschnittssätzen liege, woraus sich ergebe, dass sie als Leistungsanbieterin nicht leistungsfähig sei. Damit macht die Beschwerde nicht ein Abweichen im Rechtssatz, sondern eine fehlerhafte Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen