Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand der Bescheidungsklage. bei der Neubescheidung zugrunde zu legende Rechtsauffassung. Klageänderung
Leitsatz (amtlich)
Streitgegenstand der Bescheidungsklage ist der mit der Klage geltend gemachte und vom Gericht nach Maßgabe der bestehenden Rechtslage zu überprüfende Anspruch auf Neubescheidung. Er wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Kläger ausdrücklich die Festlegung einer bestimmten, der Neubescheidung zugrunde zu legenden Rechtsauffassung anstrebt.
Normenkette
TKG 1996 § 24 Abs. 1 S. 1; VwGO §§ 91, 113 Abs. 3 Sätze 1-2, § 121
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 22.03.2006; Aktenzeichen 21 K 130/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. März 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Zwar ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.) oder wegen Divergenz (2.) zuzulassen. Die angefochtene Entscheidung beruht hingegen auf einem Verfahrensmangel (3.), so dass sie der Senat im Interesse der Verfahrensökonomie aufhebt und die Sache zurückverweist (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Die Klägerin hat die Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ausreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14). Dem trägt die Beschwerde nicht ausreichend Rechnung.
Die Klägerin wirft die Frage auf: “Bilden Verpflichtungsanspruch eines entgeltregulierten Unternehmens auf Genehmigung höherer Entgelte und Anfechtungsanspruch des Nachfragers einer entgeltregulierten Leistung auf Aufhebung bzw. Teil-Aufhebung der Genehmigung einen einheitlichen Streitgegenstand mit der Folge, dass dem entgeltregulierten Unternehmen bei der klageweisen Forderung höherer Entgelte die Rechtskraft des Anfechtungsurteils entgegengehalten werden kann?” Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil sich diese Frage dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage bezieht sich auf die Erwägung in dem angefochtenen Urteil (UA S. 16), soweit die Klägerin eine Neubescheidung des Entgeltgenehmigungsantrags für den Zeitraum vom 15. Dezember 2003 bis zum 31. Oktober 2004 begehre, bleibe die Klage ohne Erfolg, weil diesem Begehren die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2004 in dem Verfahren 1 K 9891/03 entgegenstehe. Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der entgegenstehenden Rechtskraft nicht, wie die Klägerin meint, damit begründet, dass der Streitgegenstand der mit Urteil vom 11. November 2004 entschiedenen Anfechtungsklage und derjenige der hier vorliegenden Bescheidungsklage identisch sei. Es hat vielmehr ausdrücklich dargelegt, dass es darauf nicht ankomme. Entscheidend sei vielmehr, dass aufgrund der Rechtskraft des Urteils vom 11. November 2004 eine bestimmte Entgelthöhe mit Bindungswirkung für alle Verfahrensbeteiligten und die erkennende Kammer mit der Folge festgelegt sei, dass hiervon nicht (mehr) zugunsten der Klägerin abgewichen werden könne. Die Klägerin möchte demgegenüber im Kern geklärt wissen, ob die gegen eine Entgeltgenehmigung gerichtete Anfechtungsklage und die auf die Genehmigung höherer Entgelte gerichtete Verpflichtungsklage einen “einheitlichen Streitgegenstand” bilden. Diese Frage hat sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt. Eine für die Entscheidung der Vorinstanz nicht maßgebliche Rechtsfrage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig – so auch hier – nicht zu rechtfertigen (vgl. Beschluss vom 7. November 2001 – BVerwG 6 B 55.01 – BVerwGE 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 23 S. 6).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 m.w.N.). Daran gemessen hat die Divergenzrüge keinen Erfolg.
Es kann hier dahinstehen, ob der von der Klägerin mit Blick auf die Bestimmung des Streitgegenstandes einer Bescheidungsklage formulierte Rechtssatz auf S. 49 (Mitte) der Beschwerdebegründung in dem angefochtenen Urteil enthalten ist. Jedenfalls genügt die Begründung der Beschwerde insoweit deshalb nicht den Darlegungserfordernissen, weil der von der Klägerin formulierte Rechtssatz, von dem das Verwaltungsgericht angeblich abgewichen ist, der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so nicht entnommen werden kann. Der von der Klägerin im Zusammenhang mit der Rechtskraftwirkung einer Anfechtungsklage auf S. 51 (Mitte) der Beschwerdebegründung formulierte Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht angeblich von einem Rechtssatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist, kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden.
3. Die Beschwerde ist begründet, weil geltend gemachte Verfahrensmängel vorliegen, auf denen das angefochtene Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Klägerin beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, soweit sie die Neubescheidung ihres Entgeltgenehmigungsantrages für den Zeitraum ab Beginn der angeordneten Zusammenschaltung bis zum 14. Dezember 2003 begehrt hat. In der fehlerhaften Abweisung einer Klage durch Prozess- statt durch Sachurteil liegt ein Verfahrensmangel (vgl. Beschluss vom 4. Juli 1968 – BVerwG 8 B 110.67 – BVerwGE 30, 111 ≪113≫; Beschluss vom 9. August 2000 – BVerwG 8 B 72.00 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80 S. 5 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
aa) Das Verwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen Verfahrensrecht angenommen, dass die Klage hinsichtlich des hier in Rede stehenden Zeitraumes wegen unzulässiger Klageänderung unzulässig geworden sei.
Eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit der Klage der Streitgegenstand geändert wird (vgl. Beschluss vom 21. Mai 1999 – BVerwG 7 B 16.99 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 11 S. 3). Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den rechtshängigen Streitgegenstand im Wege einer Klageänderung eingegrenzt habe. Dabei geht es davon aus, dass die Klägerin ursprünglich die Verpflichtung zur Neubescheidung nach Maßgabe der Rechtsauffassung beantragt habe, dass die von ihr zur Genehmigung gestellten Entgelte angemessen seien, sich jedoch nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren hätten. Damit habe die Klägerin ausschließen wollen, dass die von ihr erstrebte Neubescheidung nach dem Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) – TGK 1996 – erfolge. Diese Rechtsauffassung sei Bestandteil des Streitgegenstandes der erhobenen Bescheidungsklage geworden. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin den Streitgegenstand insoweit geändert, als sie nunmehr die Neubescheidung nach dem Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 erstrebe. Der darin liegenden Klageänderung hätten die anderen Beteiligten nicht zugestimmt, und diese sei auch nicht sachdienlich.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die nach dem Vorbringen des ein Bescheidungsurteil im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO erstrebenden Klägers der Neubescheidung zugrunde zu legenden Rechtsauffassung nicht Bestandteil des Streitgegenstandes der Bescheidungsklage. Mithin liegt in einer späteren Änderung der aus Sicht des Klägers für die Neubescheidung maßgeblichen Rechtsauffassung keine Änderung des Streitgegenstandes und damit auch keine Klageänderung.
Der Streitgegenstand ist identisch mit dem prozessualen Anspruch, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich dem Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (vgl. Urteil vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪25≫ m.w.N.). Der Streitgegenstand wird also durch den prozessualen Anspruch (Klagebegehren) sowie den zugrunde liegenden Sachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. Beschluss vom 21. Mai 1999 a.a.O. S. 3). Begehrt ein Kläger statt der Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts nur die Verpflichtung zur Neubescheidung, wogegen keine prozessualen Bedenken bestehen (vgl. Urteil vom 31. März 2004 – BVerwG 6 C 11.03 – BVerwGE 120, 263 ≪276≫ m.w.N.), entspricht der Streitgegenstand einer solchen Klage im Wesentlichen demjenigen der Verpflichtungsklage (vgl. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im öffentlichen Recht, 1995, S. 220 f.). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bescheidungsantrag regelmäßig in der in dieselbe Richtung weisenden Verpflichtungsklage enthalten ist und nur inhaltlich hinter dem Antrag auf Verpflichtung zurückbleibt (vgl. Urteil vom 31. März 2004 a.a.O. S. 275 f.). Weil der Streitgegenstand einer Verpflichtungs- und derjenige einer Bescheidungsklage im Wesentlichen identisch sind, stellt der Übergang von einem Verpflichtungs- zu einem Bescheidungsantrag auch keine Klageänderung dar (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1988 – BVerwG 3 C 45.87 – Buchholz 451.512 MGVO Nr. 15 S. 63; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 91 Rn. 9). Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, er habe einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts. Dementsprechend ist Streitgegenstand der Bescheidungsklage der prozessuale Anspruch des Klägers auf Neubescheidung (vgl. Detterbeck, a.a.O. S. 220; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 121 Rn. 63). Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidungsfindung an das im Streitgegenstand zum Ausdruck kommende Klagebegehren gebunden, nicht jedoch an die Klagegründe (vgl. Urteil vom 13. Juli 2000 – BVerwG 2 C 34.99 – BVerwGE 111, 318 ≪320≫ = Buchholz 310 § 113 Abs. 5 VwGO Nr. 2 S. 2). Es kann der Klage im Rahmen des Streitgegenstandes auch aus anderen Gründen stattgeben, als sie von dem Kläger geltend gemacht werden (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O. § 88 Rn. 4). Der Kläger hat es nicht in der Hand, das Gericht in der Entscheidungsfindung auf die Prüfung bestimmter rechtlicher Erwägungen festzulegen (vgl. Clausing, a.a.O. § 121 Rn. 57). Dies gilt auch bei Bescheidungsklagen. Auch der die Bescheidung begehrende Kläger kann die gerichtliche Prüfung nicht bestimmen (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O. § 113 Rn. 69). Diese beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung hat, sondern erstreckt sich auch auf die im Fall der Verpflichtung zur Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu treffende Entscheidung, welche Rechtsauffassung die Behörde bei der erneuten Bescheidung zu beachten hat. Soweit der Kläger dazu in dem gerichtlichen Verfahren Ausführungen gemacht hat, werden diese – genauso wie sonstige Klagegründe – nicht Bestandteil des Streitgegenstandes, der in dem Anspruch auf Neubescheidung besteht. Deshalb ist der Kläger nicht gehalten, eine bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zu benennen; vielmehr ergibt sich die nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO der Neubescheidung zugrunde zu legende Rechtsauffassung des Gerichts aus der diesem obliegenden Amtsprüfung der Rechtslage.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtskraftwirkung eines rechtskräftigen Bescheidungsurteils nicht, dass Erwägungen des Klägers zu der Rechtsauffassung, die im Fall einer Neubescheidung zugrunde zu legen sei, Bestandteil des Streitgegenstandes der Bescheidungsklage geworden sind. Nach dieser Rechtsprechung bestimmt die in einem rechtskräftigen Bescheidungsurteil im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung dessen Rechtskraftwirkung im Sinne des § 121 VwGO. Der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, die die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen (vgl.; Beschluss vom 22. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 38.03 – NZWehrr 2004, 126 ≪127≫; Urteil vom 27. Januar 1995 – BVerwG 8 C 8.93 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 S. 7; Urteil vom 19. Juni 1968 – BVerwG 5 C 85.67 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 31 S. 12 f.; Urteil vom 12. Dezember 1967 – BVerwG 8 C 2.67 – BVerwGE 29, 1 ≪2 f.≫). Das Verwaltungsgericht entnimmt dieser Rechtsprechung, dass die in einem Bescheidungsurteil als verbindlich niedergelegte Rechtsauffassung des Gerichts als Teil des Streitgegenstandes nach § 121 VwGO in Rechtskraft erwachsen sei, was den Schluss darauf zulasse, dass das klägerische Vorbringen zu einer bestimmten Rechtsauffassung, die die Behörde der Neubescheidung zugrunde zu legen habe, Bestandteil des Streitgegenstandes geworden sei. Dies ist unzutreffend.
Nach § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Die durch die Rechtskraft erzeugte Bindungswirkung bezieht sich auf den dem Gericht vom Kläger unterbreiteten Streitgegenstand und tritt in dem Umfang ein, in dem das Gericht über ihn entschieden hat. Die Rechtskraft des Urteils ist mithin, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, mit dem Streitgegenstand dergestalt verknüpft, dass sie diesen gewissermaßen widerspiegelt: Nur das, was vom Kläger zur Entscheidung gestellt worden ist, kann vom Gericht mit der Folge der Rechtskraft beschieden werden (vgl. Erfmeyer, DVBl 1997, 27 ≪28≫). Richtig ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Rechtskraft eines Bescheidungsurteils des Näheren durch die vom Gericht und von der Behörde bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung bestimmt wird. Dagegen hat die Vorinstanz aus dieser Eingrenzung der Rechtskraft zu Unrecht den Schluss gezogen, dass das Gericht bei einer zulässigen Bescheidungsklage, mit der der Kläger ausdrücklich die Festlegung einer bestimmten Rechtsauffassung anstrebt, nur die Wahl hat, diese Rechtsauffassung in sein Urteil zu übernehmen oder die Klage abzuweisen. Vielmehr prüft das Gericht – wie dargelegt – im Rahmen des vom Kläger durch sein Bescheidungsbegehren bestimmten Streitgegenstandes die Rechtslage von Amts wegen und richtet den Inhalt seines Urteils an dem Ergebnis dieser Prüfung aus; dabei nimmt seine Rechtsauffassung im Falle des Erfolgs der Klage in der beschriebenen Weise an der Rechtskraft teil. Es liegt im Kern nicht anders als bei sonstigen Urteilen, bei denen Inhalt und Umfang der Rechtskraftwirkung ebenfalls zugleich aus den Urteilsgründen zu erschließen sind, ohne dass sich daraus Folgerungen für den Streitgegenstand ergäben (vgl. Detterbeck, a.a.O. S. 224 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O. § 121 Rn. 18 m.w.N.).
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die vom Verwaltungsgericht erwähnte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein einem Bescheidungsantrag stattgebendes Urteil den Kläger beschwert und daher von ihm mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, wenn sich die vom Gericht als verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt und jene für ihn ungünstiger ist als diese, wenn also bei Anwendung der Rechtsauffassung des Gerichts durch die Behörde eher mit einem ihm ungünstigen Ergebnis zu rechnen ist als bei Anwendung seiner eigenen Rechtsauffassung (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1981 – BVerwG 7 C 30 und 31.80 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 52 m.w.N.). Denn ebenso wenig wie die Rechtskraftwirkung eines Bescheidungsurteils erlauben auch die Voraussetzungen, unter denen ein solches Urteil vom Kläger trotz Stattgabe der Klage mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, die Folgerung, dass das gerichtliche Prüfprogramm in dem vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahren auf die Rechtsauffassung des Klägers beschränkt war. Dementsprechend unterliegt das erstinstanzliche Bescheidungsurteil, wenn ein Rechtsmittel eingelegt wird, mangels Teilbarkeit des Streitgegenstandes der uneingeschränkten materiellrechtlichen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht (vgl. Urteil vom 13. Juli 2000 – BVerwG 2 C 34.99 – BVerwGE 111, 318 = Buchholz 310 § 113 Abs. 5 VwGO Nr. 2; Urteil vom 27. Januar 1995 – BVerwG 8 C 8.93 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70).
bb) Die Abweisung der Bescheidungsklage hinsichtlich der Entgeltgenehmigung bis zum 14. Dezember 2003 beruht auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel.
Die Erheblichkeit des Verfahrensfehlers ist nicht mit Blick darauf zu verneinen, dass das Verwaltungsgericht die Klage insoweit wohl auch als unbegründet angesehen hat. In dem angefochtenen Urteil (UA S. 15) wird u.a. dargelegt, der Anspruch auf Neubescheidung habe auch dann keinen Erfolg, wenn auf den ursprünglichen Klageantrag abgestellt werde, nach dem die Neubescheidung am Maßstab der Angemessenheit der Entgelte begehrt worden sei. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts beruht dies darauf, dass nicht der Maßstab der Angemessenheit, sondern derjenige der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 zugrunde zu legen sei. Diese Erwägung bezieht sich auf die Begründetheit der Klage. Sie kann jedoch nicht als eine die Entscheidung selbständig tragende Erwägung angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um einen ergänzenden Hinweis zur materiellen Rechtslage, der nicht geeignet ist, an der Verbindlichkeit des Entscheidungsausspruchs teilzunehmen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich die Klage hinsichtlich der Neubescheidung für den hier in Rede stehenden Zeitraum zunächst als unzulässig abgewiesen. Die Gerichte sind wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung nicht berechtigt, eine Klage zugleich aus prozessrechtlichen und sachlich-rechtlichen Gründen abzuweisen. Aus diesem Grund muss eine von der Vorinstanz der Prozessabweisung beigefügte Sachbeurteilung bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts als nicht geschrieben behandelt werden (vgl. Beschluss vom 3. November 2000 – BVerwG 6 B 2.00 – juris; Urteil vom 12. Juli 2000 – BVerwG 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫). Davon abgesehen beruht die Erwägung zur Unbegründetheit auf der unzutreffenden Auffassung, dass Bestandteil des Streitgegenstandes auch die Rechtsauffassung geworden sei, die der Kläger einer Neubescheidung zugrunde gelegt wissen möchte.
b) Das Urteil beruht auch insoweit auf einem Verfahrensmangel, als das Verwaltungsgericht die Klage auf Verpflichtung zur Neubescheidung des Entgeltgenehmigungsantrags für den Zeitraum vom 15. Dezember 2003 bis zum 31. Oktober 2004 abgewiesen hat.
aa) Die Abweisung der Klage hinsichtlich dieses Zeitraums als unzulässig verstößt wiederum gegen Prozessrecht und stellt deshalb einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Das Verwaltungsgericht hat die Unzulässigkeit aus den gleichen Gründen angenommen wie die aus seiner Sicht gegebene Unzulässigkeit der Klage auf Verpflichtung zur Neubescheidung des Entgeltgenehmigungsantrags für den Zeitraum bis zum 14. Dezember 2003. Deshalb erweist sich die angenommene Unzulässigkeit der auf den nachfolgenden Zeitraum bezogenen Klage ebenso als verfahrensfehlerhaft wie die Abweisung der auf den Zeitraum bis zum 14. Dezember 2003 bezogenen Bescheidungsklage.
bb) Der Verfahrensmangel ist auch erheblich.
Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht dem auf den Zeitraum ab dem 15. Dezember 2003 bezogenen Bescheidungsantrag selbständig tragend auch deshalb keinen Erfolg beigemessen hat, weil der Klage insoweit die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2004 in dem Verfahren 1 K 9891/03 entgegenstehe. Dem angefochtenen Urteil ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob das Verwaltungsgericht der Auffassung ist, dass die angeblich entgegenstehende Rechtskraft des Urteils vom 11. November 2004 die Unzulässigkeit der vorliegenden Klage oder deren Unbegründetheit bewirkt. Sollte Letzteres der Fall sein, wäre die Erwägung als nicht geschrieben zu behandeln, weil das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des hier in Rede stehenden Zeitraums auch als unzulässig abgewiesen hat.
Sollte das Verwaltungsgericht der Auffassung sein, die Rechtskraft des Urteils vom 11. November 2004 führe zur Unzulässigkeit der Klage, stände dies der Erheblichkeit des aufgezeigten Verfahrensfehlers deshalb nicht entgegen, weil diese Auffassung – wie die Klägerin ebenfalls mit Recht als verfahrensfehlerhaft rügt – unzutreffend ist. Mit Urteil vom 11. November 2004 hat das Verwaltungsgericht auf die Klage der Beigeladenen des vorliegenden Verfahrens den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2003, der auch Gegenstand dieses Verfahrens ist, insoweit aufgehoben, als in dem Bescheid ab dem 15. Dezember 2003 für bestimmte Leistungen der Klägerin Entgelte genehmigt werden, welche die für die Leistungen Telekom-B.1 und Telekom-B.2 genehmigten Entgelte übersteigen. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens war jenem Verfahren beigeladen. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung in einem Vorprozess bewirkt nach § 121 VwGO, dass eine Klage in einem späteren Prozess mit demselben Streitgegenstand wie demjenigen des Vorprozesses ohne Sachprüfung wegen entgegenstehender Rechtskraft abzuweisen ist (vgl. Urteil vom 3. Februar 1988 – BVerwG 6 C 49.86 – BVerwGE 79, 33 ≪35 f.≫; Urteil vom 18. September 2001 – BVerwG 1 C 4.01 – BVerwGE 115, 111 ≪115≫ = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 82 S. 9 m.w.N.). Streitgegenstand der Anfechtungsklage, auf die das Urteil vom 11. November 2004 ergangen ist, war die Rechtsbehauptung der Klägerin jenes Verfahrens, der Bescheid vom 5. Dezember 2003 sei in dem Umfang der später erfolgten gerichtlichen Aufhebung rechtswidrig und greife insoweit in ihre Rechtssphäre ein (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1992 – BVerwG 1 C 12.92 – BVerwGE 91, 256 ≪257≫ m.w.N.). Davon unterscheidet sich der Streitgegenstand der auf Neubescheidung gerichteten Klage, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht. Eine rechtskräftige Entscheidung entfaltet nach § 121 VwGO Bindungswirkung in Folgeverfahren auch bei fehlender Identität des Streitgegenstandes. Danach tritt eine Bindung auch in den Fällen ein, in denen in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten die rechtskräftig entschiedene Frage vorgreiflich für die Beurteilung des nunmehr zur Entscheidung stehenden Streitgegenstandes ist (vgl. Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 9 C 53.97 – BVerwGE 108, 30 ≪33≫; Urteil vom 18. September 2001 a.a.O.). Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass in dem Urteil vom 11. November 2004 abschließend über die Höhe der von der Klägerin verlangten Entgelte entschieden worden sei, so dass der auf die Genehmigung höherer Entgelte gerichteten Bescheidungsklage die Rechtskraft des Urteils vom 11. November 2004 entgegenstehe. Damit kann eine Bindungswirkung entfaltende Vorgreiflichkeit des Urteils vom 11. November 2004 im Sinne der zitierten Rechtsprechung schon deshalb nicht begründet werden, weil in jenem Urteil nicht verbindlich über eine bestimmte Entgelthöhe befunden wurde. Zwar hat das Gericht den Bescheid vom 5. Dezember 2003 mit der Folge teilweise aufgehoben, dass die von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens begehrten Entgelte den von der Beigeladenen des vorliegenden Verfahrens verlangten entsprechenden Entgelte nicht übersteigen dürfen. Die teilweise Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2003 beruhte aber allein darauf, dass aus Sicht des Verwaltungsgerichts der Genehmigung zu Unrecht nicht der Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 zugrunde gelegt wurde. In den zur Ermittlung von Inhalt und Umfang der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 11. November 2004 heranzuziehenden Urteilsgründen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht entschieden worden sei, ob bei Anlegung des zutreffenden Maßstabes ein höheres Tarifniveau hätte genehmigt werden können, weil eine solche Prüfung grundsätzlich der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vorbehalten sei. Mithin steht die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 11. November 2004 der mit der vorliegenden Bescheidungsklage angestrebten Genehmigung höherer Entgelte nicht entgegen.
4. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Vormeier
Fundstellen
Haufe-Index 1641457 |
CR 2007, 232 |
DÖV 2007, 340 |
VR 2007, 143 |
MMR 2007, 96 |
IR 2007, 46 |
NWVBl. 2007, 222 |