Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 28.08.1995; Aktenzeichen 5 L 198/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. August 1995 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die auf die Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Die Rechtssache hat nicht die mit der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 37, 133 ≪137≫; 45, 131 ≪132 f.≫) ist geklärt, daß der Nothelfer bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 121 BSHG die materielle Beweislast dafür trägt, daß der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis Sozialhilfe gewährt hätte, was die Hilfebedürftigkeit des Empfängers der Nothilfe voraussetzt. Davon geht auch die Klägerin aus.

Im vorliegenden Rechtsstreit hält die Klägerin für klärungsbedürftig und höchstrichterlich noch nicht entschieden die Frage, „ob bei der Aufwendungserstattung gem. § 121 BSHG der Nothelfer auch dann die materielle Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt, wenn der Sozialhilfeträger selbst entweder keine eigenen Ermittlungen durchgeführt oder er seine Ermittlungen erst so spät und oberflächlich aufgenommen hat, daß ein Ermittlungserfolg von vornherein unwahrscheinlich erschien”. Diese Frage sei „insbesondere bedeutsam für die Risikoverteilung zwischen dem (vorleistenden) Nothelfer und dem Sozialhilfeträger, der pflichtwidrig das Maß der von ihm zu fordernden Ermittlungen unterschreitet”.

Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, daß der Sozialhilfeträger den maßgeblichen Sachverhalt, zu dem bei einem Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG die Feststellung zur Hilfebedürftigkeit gehört, von Amts wegen zu erforschen hat (§ 20 Abs. 1 SGB X). Dabei hat die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 2 SGB X).

Von der Intensität der behördlichen Sachverhaltserforschung im Verwaltungsverfahren kann im Einzelfall abhängen, ob ein Sachverhalt zweifelsfrei geklärt werden kann oder ob ein non liquet bleibt, das den Rückgriff auf die materielle Beweislast erforderlich macht. Aber auch in diesen Fällen ungenügender Sachverhaltsermittlung ändert sich die materielle Beweislast weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsgerichtsverfahren. Das belegt für das im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche gerichtliche Verfahren die auch in Fällen der Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1, § 75 VwGO), also auch bei fehlender behördlicher Sachverhaltsermittlung, gleichbleibende materielle Beweislast. Das klarzustellen, bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Die Unbeachtlichkeit des behördlichen Verhaltens bei der Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren für die materielle Beweislast schließt allerdings nicht aus, daß das Gericht dieses Verhalten, wie anderes Verhalten eines Beteiligten auch, im Rahmen seiner Beweiswürdigung berücksichtigen kann. Dazu bestand im vorliegenden Verfahren nach der dafür maßgeblichen Ansicht des Berufungsgerichts kein Anlaß.

Die Zulassung der Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 3 VwGO gerechtfertigt. Auf dem gerügten Verfahrensmangel kann die Berufungsentscheidung nicht beruhen. Denn das Berufungsgericht hat zwar bezweifelt, ob in den Fällen Hirt und Bremer Hilfe in einem Eilfall geleistet worden sei; es hat aber die Klage auch in diesen Fällen entscheidend deshalb abgewiesen, weil (auch) die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 121 BSHG nicht festzustellen waren (UA S. 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1417575

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