Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntsein der Leistungsvoraussetzungen. Erstattungsanspruch, Entstehen des – mit Kenntnis der Leistungsvoraussetzungen. Kenntnis nicht zuständiger Stellen. Kenntnisgrundsatz. Kostenerstattung. Leistungsträger, unzuständiger –. Leistungsvoraussetzungen, Bekanntsein der –. Sozialhilfeträger, Kenntnis der Leistungsvoraussetzungen durch –. Träger der Sozialhilfe, Erstattungsanspruch zwischen –
Leitsatz (amtlich)
Für den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Voraussetzungen der Leistungspflicht im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X ist auch im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Trägern der Sozialhilfe auf die Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe abzustellen, dem gegenüber ein Erstattungsanspruch geltend gemacht wird. Ein im Leistungsverhältnis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG für das Einsetzen der Hilfe hinreichendes Bekanntwerden bei einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe ersetzt im Erstattungsverhältnis zwischen Trägern der Sozialhilfe nicht die nach § 105 Abs. 3 SGB X erforderliche eigene Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Trägers der Sozialhilfe.
Normenkette
BSHG § 5 Abs. 2; SGB X § 105
Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Entscheidung vom 23.06.2004; Aktenzeichen 2 A 446/03) |
VG Bremen (Urteil vom 24.10.2003; Aktenzeichen 7 K 1500/01) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 24. Oktober 2003 und das dieses ändernde, aufgrund mündlicher Verhandlung ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Freie Hansestadt Bremen werden aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die für die Zeit von Oktober 1997 bis einschließlich 20. Oktober 1998 für das Kind R… K… entstandenen Sozialhilfeaufwendungen nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent ab dem 2. August 2001 zu erstatten.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug tragen der Kläger zur Hälfte und die Beklagte sowie die Beigeladene zu je einem Viertel. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt, der Kläger.
Tatbestand
I.
Die beteiligten Sozialhilfeleistungsträger streiten um die Erstattung von Eingliederungshilfe, die nach dem Bundessozialhilfegesetz für die Betreuung eines behinderten Kindes in einem heilpädagogischen Kindergarten gewährt worden ist, und zwar im Revisionsverfahren für den Zeitraum bis zur Kenntnis der Beklagten von der Leistungsgewährung (Zeitraum von Oktober 1997 bis einschließlich 20. Oktober 1998).
Der im Januar 1994 geborene Hilfeempfänger ist seit Geburt aufgrund einer cerebralen Bewegungsstörung körperlich, geistig und sprachlich behindert. Er lebte zunächst bei seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und wurde im November 1994 in eine im Bereich des Klägers wohnende Pflegefamilie aufgenommen. Der Kläger gewährte seit April 1997 als Träger der Jugendhilfe Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, deren Kosten die Beklagte bis zu dem Umzug der Pflegefamilie in ihren Bereich zum 1. August 1999 erstattete; seitdem gewährt die Beklagte in eigener Zuständigkeit Jugendhilfe.
Im März 1997 wurde der Hilfeempfänger in einen heilpädagogischen Kindergarten an seinem damaligen Wohnort aufgenommen. Der Kläger gewährte ihm nach einem Grundanerkenntnis durch das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben für die Zeit vom 14. April 1997 bis einschließlich Juli 1999 Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 2a BSHG durch Übernahme der Kosten, die für die Zeit vom Oktober 1997 bis 20. Oktober 1998 31 980,06 DM (= 16 351,15 €) betrugen. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 machte der Kläger der Beklagten gegenüber Kostenerstattung geltend und forderte sie auf, ihre örtliche Zuständigkeit für die Gewährung der Hilfe anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine eigene Leistungszuständigkeit für die Eingliederungshilfe und eine Erstattung der Kosten ab.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die für die Zeit von Oktober 1997 bis einschließlich Juli 1999 für den Hilfeempfänger geleistete Eingliederungshilfe in Höhe von insgesamt 33 279,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. August 2001 zu erstatten (Urteil vom 24. Oktober 2003). Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Zinsausspruchs auf Zinsen in Höhe von vier Prozent ab dem 2. August 2001 geändert und im Übrigen die Berufungen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe dem Grunde nach gemäß § 105 SGB X i.V.m. §§ 104, 97 Abs. 2 BSHG ein Anspruch auf Erstattung der für den Hilfeempfänger aufgewendeten Kosten für den heilpädagogischen Kindergarten gegen die Beklagte zu, weil diese nach § 104 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 BSHG örtlich zuständiger und zur Leistung verpflichteter Leistungsträger gewesen sei. Dass der Erstattungsanspruch nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sei, weil der Kläger Leistungen in Kenntnis seiner Unzuständigkeit oder unter eindeutiger Verletzung von Zuständigkeitsregelungen erbracht habe, sei nicht ersichtlich. Angesichts der im Leistungszeitraum in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittenen Frage, ob § 104 BSHG auch die Zuständigkeit für teilstationäre Leistungen regele, die außerhalb einer Pflegefamilie erbracht würden, habe sich dem Kläger seine Unzuständigkeit nicht aufdrängen müssen. Die Erstattungspflicht werde für den Zeitraum Oktober 1997 bis 20. Oktober 1998 auch nicht durch § 105 Abs. 3 SGB X beschränkt, wonach die aus § 105 Abs. 1 SGB X folgende Erstattungspflicht gegenüber den Trägern der Sozialhilfe nur von dem Zeitpunkt ab gelte, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorgelegen hätten. Die Vorschrift bezwecke, eine nachträgliche Leistungspflicht zu verhindern, denn nach § 5 Abs. 1 BSHG setze die Sozialhilfe erst ein, sobald bekannt werde, dass die Voraussetzungen für ihre Gewährung vorlägen; der Grundsatz, dass für vergangene Zeitabschnitte Sozialhilfe regelmäßig nicht zu gewähren sei, gehöre zu den Strukturprinzipien der Sozialhilfe. Werde ein Sozialhilfeantrag bei einem unzuständigen Träger eingereicht und ergäben sich daraus die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung, sei nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG für das Einsetzen der Sozialhilfe die Kenntnis der nicht zuständigen Stelle maßgebend. Für das “bekannt sein” i.S. des § 105 Abs. 3 SGB X komme es deshalb hier nicht auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens bei der Beklagten, sondern auf das Bekanntwerden beim Kläger, mithin auf den Zeitpunkt der Antragstellung an.
Mit der Revision, die von dem Senat hinsichtlich der Verurteilung zur Erstattung der Aufwendungen, die dem Kläger in der Zeit von Oktober 1997 bis einschließlich 20. Oktober 1998 entstanden sind, zugelassen worden war, rügt die Beklagte eine Verletzung des § 105 SGB X.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte unter Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auch für den im Revisionsverfahren noch streitbefangenen Zeitraum von Oktober 1997 bis 20. Oktober 1998 zum Kostenersatz verurteilt; die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern für die Frage, ob einem Träger der Sozialhilfe bekannt war, dass die Voraussetzungen für die Leistungspflicht vorlagen, die Kenntnis des Kostenerstattung begehrenden unzuständigen Leistungsträgers ausreiche, steht mit § 105 Abs. 3 SGB X nicht in Einklang.
1. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht allerdings dahin erkannt, dass zugunsten des Klägers ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte aus § 105 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, wonach in den Fällen, in denen ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig ist, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte war hier der nach § 104 i.V.m. § 97 Abs. 2 BSHG für die Gewährung der Eingliederungshilfe in einem heilpädagogischen Kindergarten örtlich (Senat, Urteil vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 5 C 14.02 – FEVS 55, 292) und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Landesrecht auch der sachlich zuständige Sozialhilfeträger (s.a. auch Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2004 – BVerwG 5 B 92.04 –). § 105 SGB X ist im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen verschiedenen Trägern der Sozialhilfe anzuwenden (s.a. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 – BVerwG 5 C 35.99 – FEVS 51, 445).
2. Für den im Revisionsverfahren allein noch streitbefangenen Zeitraum ist der Erstattungsanspruch des Klägers indes nach § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen, wonach die Absätze 1 und 2 gegenüber u.a. den Trägern der Sozialhilfe nur von dem Zeitpunkt ab gelten, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist hierfür auch im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Trägern der Sozialhilfe auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der auf Erstattung in Anspruch genommene Sozialhilfeträger (hier die Beklagte) Kenntnis von den Voraussetzungen der Leistungsgewährung an den Hilfeempfänger erlangt hat (2.1), dem die Kenntnis des Erstattung beanspruchenden Sozialhilfeträgers (hier des Klägers) auch nicht nach § 5 Abs. 2 BSHG (analog) zuzurechnen ist (2.2).
2.1 Der Wortlaut des § 105 Abs. 3 SGB X beschränkt die Anwendung der Absätze 1 und 2 im Verhältnis zu bestimmten Leistungsträgern, denen “gegenüber” die Geltung eingeschränkt ist, und stellt darauf ab, ob “ihnen” bekannt war, dass die Voraussetzungen für “ihre” Leistungspflicht vorlagen. Nach seinem Wortlaut lässt mithin § 105 Abs. 3 SGB X für einen Erstattungsanspruch gegen einen Sozialhilfeträger die Kenntnis des unzuständigen Leistungsträgers vom Leistungsbedarf nicht genügen, sondern verlangt die Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers (s.a. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 – BVerwG 5 C 35.99 – FEVS 51, 445); Kennenmüssen oder auch grob fahrlässige Unkenntnis reichen für die gebotene positive Kenntnis nicht aus (von Wulffen, SGB X, § 103 Rn. 24). Diese Auslegung des Wortlauts wird durch die systematische Überlegung bestätigt, dass für den Fall, dass für die Anwendung des § 105 Abs. 3 SGB X allgemein auf die Kenntnis eines Erstattung begehrenden Leistungsträgers abzustellen wäre, die Regelung mangels sinnvollen Anwendungsbereichs ins Leere liefe, da eine erstattungsfähige Leistung unzuständiger Leistungsträger ohne Kenntnis der Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht nicht sinnvoll denkbar ist, wobei gleichzeitig aber eine Leistungspflicht rechtlich nicht besteht, weil es sich um einen unzuständigen Leistungsträger (§ 105 Abs. 1 SGB X) handelt. Dass auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Leistungsvoraussetzungen bei dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge oder der Jugendhilfe abzustellen ist, ist mit Sinn und Zweck der Regelung, die Erstattungsansprüche gegenüber Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe begrenzen soll, weil deren Leistungen materiellrechtlich im Verhältnis zum Hilfesuchenden von dem Bekanntwerden der Hilfebedürftigkeit abhängt, vereinbar. Dieser Sinn und Zweck, nach dem auf die Kenntnis des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers abzustellen ist, gebietet auch in Ansehung des vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsgedankens des § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern keine teleologisch reduzierende Auslegung (s.a. VG Leipzig, Urteil vom 21. August 2003 – 2 K 2270/99 – juris). Der Gesetzgeber hat die Einfügung des § 5 Abs. 2 BSHG durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (Gesetz vom 23. Juli 1996, BGBl I S. 1088) nicht zum Anlass genommen, § 105 Abs. 3 SGB X für Erstattungsrechtsverhältnisse zwischen Trägern der Sozialhilfe einzuschränken. Für das Erstattungsrecht greift angesichts des Umstandes, dass die Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe keine geschlossene, homogene Gruppe bilden, sondern auf viele Rechtsträger mit je eigener Finanzierungsverantwortung verteilt sind, der allgemeine Schutzzweck, nicht wegen Aufwendungen für Leistungen in Anspruch genommen zu werden, von denen ihnen nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen, auch gegenüber anderen Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe. Entgegen der Ansicht des Klägers verbleibt bei einer Auslegung des § 105 Abs. 3 SGB X, die auch bei einem Erstattungsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern darauf abstellt, dass dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialhilfeträger bekannt war, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht vorlagen, ein hinreichender Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 SGB X. Für eine Erstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe ist nach § 105 Abs. 1 SGB X auch dann, wenn nach § 105 Abs. 3 SGB X auf die Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers abzustellen ist, z.B. in Fällen Raum, in denen den an sich objektiv zuständigen Trägern der Sozialhilfe zwar “bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen”, sie aber aus den ihnen bekannten Tatsachen nicht die rechtlich gebotenen Schlüsse gezogen und selbst die Leistungen gewährt haben.
2.2 Die Beklagte muss sich in dem Erstattungsrechtsverhältnis die Kenntnis des Klägers auch nicht in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG zurechnen und so stellen lassen, als habe sie bereits im Oktober 1997 Kenntnis von den Leistungsvoraussetzungen gehabt. § 105 Abs. 3 SGB X stellt auf die positive Kenntnis des Leistungsträgers von den Voraussetzungen seiner Leistungspflicht ab; eine normative Zurechnung der Kenntnis Dritter genügt nach dem Wortlaut nicht. § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG normiert keine umfassende Kenntniszurechnung zwischen Trägern der Sozialhilfe. Die Regelung betrifft allein das Leistungsverhältnis zum Hilfesuchenden; Schutzzweck des § 5 Abs. 2 BSHG ist, dass der Einzelne angesichts des gegliederten Sozialleistungssystems und der mitunter schwierigen Feststellung, welcher Träger der Sozialhilfe für die von ihm benötigte Hilfe zuständig ist, nicht darunter “leiden” soll, dass einem anderen als dem zuständigen Sozialhilfeträger die Voraussetzungen für die Sozialhilfegewährung bekannt geworden sind. Schon hierfür ordnet § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG nicht an, dass die Kenntnis des nicht zuständigen Sozialhilfeträgers umfassend dem zuständigen Sozialhilfeträger zugerechnet wird, sondern beschränkt dies auf die Entscheidung über das Einsetzen der Sozialhilfe. Für eine weitergehende Wirkung der Kenntniszurechnung, insbesondere eine Zurechnung auch im systematisch vom Leistungsrecht zu unterscheidenden Erstattungsrecht, fehlt im Wortlaut des § 5 Abs. 2 BSHG jeder Anhalt. Sie ist systematisch auch nicht deswegen geboten, weil der materiellrechtliche Kenntnisgrundsatz Motiv für die Schaffung der Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X gewesen ist; die rechtspolitische Anknüpfung bewirkt normativ keine Ausdehnung des auf das Leistungsverhältnis bezogenen Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 2 BSHG und gebietet für die Anwendung des § 105 Abs. 3 SGB X nicht, im Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern ausnahmsweise statt der erforderlichen positiven Kenntnis des zuständigen Trägers der Kenntnis eines nicht zuständigen Sozialhilfeträgers, der nicht mit dem Erstattung begehrenden Sozialhilfeträger identisch sein müsste, zuzurechnen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kostenquotelung für das Verfahren im ersten und zweiten Rechtszug entspricht dem anteiligen Obsiegen bzw. Unterliegen. Eine Berücksichtigung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht nur insoweit der Billigkeit, als sich die Beigeladene durch Rechtsmitteleinlegung bzw. Stellung eines Sachantrages selbst dem Risiko ausgesetzt hat, Kosten auferlegt zu erhalten. Aufgrund von § 194 Abs. 5 i.V.m. § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987) ist die zuvor nach § 188 Satz 2 VwGO a.F. auch Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern erfassende Gerichtskostenfreiheit für das vorliegende, nach dem 1. Januar 2002 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewordene Verfahren entfallen.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 1402381 |
FamRZ 2005, 1742 |
FEVS 2006, 213 |
ZfF 2006, 237 |