Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestattungskosten, Übernahme von – durch den Träger der Sozialhilfe. Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger bei Bestattungskosten. Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten als Voraussetzung des Anspruchs auf Kostenübernahme
Leitsatz (amtlich)
Träger des Anspruchs auf Kostenübernahme nach § 15 BSHG ist derjenige, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen (wie BVerwGE 105, 51 ≪54≫ und BVerwGE 114, 57 ≪58≫).
Wer die Durchführung der Bestattung aus dem Gefühl sittlicher Verpflichtung, aber ohne Rechtspflicht übernimmt, ist nicht “Verpflichteter” im Sinne des § 15 BSHG (im Anschluss an BVerwGE 116, 287).
Normenkette
BSHG § 15
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 06.12.2001; Aktenzeichen 12 LB 2922/01) |
VG Braunschweig (Entscheidung vom 27.06.2001; Aktenzeichen 3 A 142/00) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Bestattungskosten durch den Beklagten.
Am 27. Dezember 1999 verstarb die 1908 geborene Frau L.… B.…, welche die zweite Ehefrau des Vaters des Ehemannes der Klägerin gewesen war; weder die Klägerin noch ihr Ehemann waren mit ihr verwandt. Frau B. hatte vom Beklagten seit 1990 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten und stand seit 1999 unter Betreuung. Den Antrag der Klägerin, als Kosten der Bestattung u.a. die Kosten für das von der Klägerin beauftragte Bestattungsunternehmen (712,40 DM) sowie die Beisetzungsgebühren (505,00 DM) zu übernehmen, lehnte der Beklagte ab, weil die Klägerin nicht “Verpflichtete” im Sinne des § 15 BSHG gewesen sei (Bescheid vom 22. März 2000).
Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2000) erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht teilweise (in Höhe des Betrages von 1 217,40 DM für die beiden o.g. Posten) Erfolg. Die Klägerin hatte geltend gemacht, am Tage des Todes von Frau B. habe deren Betreuer angerufen und mitgeteilt, dass seine Stellung als Betreuer mit dem Tod beendet sei; er habe sie aufgefordert, umgehend für die Beerdigung Sorge zu tragen, und sie habe mit der Übernahme der Kosten aus rein moralischen Gesichtspunkten gehandelt. Zur Begründung des Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer Beziehung zur Verstorbenen als deren “Stiefschwiegertochter” und nach der Aufforderung seitens des Betreuers, für eine ordnungsgemäße Bestattung zu sorgen, jedenfalls berechtigt gewesen, die Bestattung durchzuführen. In Folge des aus der Familiengeschichte herrührenden Näheverhältnisses sei sie sittlich verpflichtet gewesen, für eine würdige Bestattung zu sorgen. Die Bestattungskosten zu tragen sei ihr nicht zuzumuten.
Das Oberverwaltungsgericht hingegen hat auf die Berufung des Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
“Verpflichteter” im Sinne des § 15 BSHG sei nur derjenige, den eine rechtliche Verpflichtung treffe, die Bestattungskosten zu tragen. Zwar sei dies nicht schon dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen, da das Bundessozialhilfegesetz nicht stringent zwischen rechtlicher Verpflichtung und sittlicher Pflicht unterscheide, doch weise die Entstehungsgeschichte des § 15 BSHG eindeutig darauf hin, dass mit einer Verpflichtung im Sinne von § 15 BSHG nur eine rechtliche Verpflichtung gemeint sei. Auch Sinn und Zweck der Norm erforderten diese Auslegung, weil sie den Strukturprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes entspreche. Zwar handele es sich bei dem Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten um einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art, doch habe der Gesetzgeber mit § 15 BSHG das Strukturprinzip des Bundessozialhilfegesetzes, dass Hilfe nach diesem Gesetz Notfallhilfe sei, nicht aufgegeben. Dies schließe die Annahme aus, es solle die notwendige Hilfe auch demjenigen gewährt werden, den keine rechtliche Verpflichtung treffe, sondern der – letztlich – aufgrund eigenen Willensentschlusses die Bestattung veranlasst oder in Auftrag gegeben habe. Eine etwaige Zusage binde den Beklagten nicht, da sie nicht schriftlich erteilt worden sei (§ 34 SGB X). Auch durch das von der Klägerin mit dem Betreuer der verstorbenen Hilfeempfängerin geführte Ferngespräch sei keine Rechtspflicht zur Durchführung der Bestattung begründet worden. Zum einen bestehe keine rechtliche Verpflichtung des Betreuers, die Kosten der Bestattung, für die der Nachlass nicht ausreiche, aus eigener Tasche zu finanzieren; zum anderen bestehe kein Anhaltspunkt, dass durch ein etwaiges Drängen des Betreuers eine etwaige Rechtspflicht des Betreuers auf die Klägerin übergegangen sei; auf die angebotene Zeugenvernehmung des Ehemannes der Klägerin über den Inhalt des Telefongesprächs komme es somit nicht an. Eine Übernahme der Bestattungskosten durch die Sozialhilfe komme auch nicht als Nachwirkung des zum Hilfeempfänger bestehenden Betreuungsverhältnisses in Betracht, wenn ein “Verpflichteter” im Sinne des § 15 BSHG nicht vorhanden, der Verstorbene aber bereits vor seinem Tode Empfänger von Sozialhilfe gewesen sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 15 BSHG.
Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Der Berufungsbeschluss steht mit Bundesrecht im Einklang, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Leistung nach § 15 BSHG für die Bestattung der Verstorbenen L.… B.… verneint.
Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Kosten einer Bestattung nach § 15 BSHG gegen den nach § 97 Abs. 3 BSHG örtlich zuständigen Sozialhilfeträger setzt voraus, dass dem “hierzu Verpflichteten” nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Träger des Anspruchs aus § 15 BSHG derjenige ist, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen (vgl. zuletzt Urteile des Senats vom 5. Juni 1997 – BVerwG 5 C 13.96 – ≪BVerwGE 105, 51, 54≫, vom 22. Februar 2001 – BVerwG 5 C 8.00 – ≪BVerwGE 114, 57≫) und vom 30. Mai 2002 – BVerwG 5 C 14.01 – ≪BVerwGE 116, 287≫).
Die Verpflichtung, die Kosten einer Bestattung zu tragen, wird in § 15 BSHG nicht näher umschrieben oder definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt. Sie kann, wie zuletzt in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 2002 – BVerwG 5 C 14.01 – (a.a.O. S. 289) festgestellt worden ist, insbesondere erbrechtlich (§ 1968 BGB) oder unterhaltsrechtlich (§ 1615 BGB) begründet sein, aber auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten herrühren (vgl. dazu Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 5 C 8.00 – ≪a.a.O. S. 58 f.≫). Alle diese Gesichtspunkte greifen – wie unter den Beteiligten nicht streitig ist – im vorliegenden Fall nicht ein.
Rechtlich zutreffend hat die Vorinstanz das Telefongespräch der Klägerin mit dem Betreuer der Verstorbenen, in welchem dieser der Klägerin die Verpflichtung übertragen haben soll, für eine würdige Bestattung der Toten zu sorgen, in diesem Zusammenhang als rechtlich unerheblich angesehen. Dies folgt zum einen daraus, dass nicht ersichtlich ist, wie durch ein solches Telefongespräch eine Rechtspflicht des Betreuers zur Durchführung der Bestattung auf die Klägerin übergeleitet worden sein sollte; zum anderen ist “Verpflichteter” im Sinne des § 15 BSHG, wie der Senat in seinem Urteil vom 30. Mai 2002 (a.a.O. S. 290) dargelegt hat, nicht schon, wer als Bestattungsberechtigter oder -verpflichteter in Durchführung einer Bestattung Kostenverpflichtungen eingeht, sondern nur, wer der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft. Dies folgt daraus, dass § 15 BSHG, der schon dem Wortlaut nach einen “Verpflichteten” voraussetzt, im rechtlichen Ansatz eine sozialhilferechtliche Unterstützung nicht des Verstorbenen, sondern des Kostenpflichtigen beinhaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1997, a.a.O. S. 54); die Notwendigkeit eingegangener Kostenverpflichtungen als Voraussetzung des sozialhilferechtlichen Bedarfs ist daher von seiner Person her zu beurteilen. Dies schließt es aus, die aus sittlicher Verpflichtung freiwillig übernommene Durchführung einer Bestattung mit Blick auf den Kostenübernahmeanspruch aus § 15 BSHG als “Verpflichtung” im Sinne einer – sozialhilferechtlich notwendigen – Kostenverpflichtung zu bewerten. Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin durch ein Gespräch mit dem Betreuer der Verstorbenen nicht Kostenverpflichtete im Sinne des § 15 BSHG werden, mag sie sich darin auch zur Durchführung der Bestattung bereiterklärt haben.
Auch aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1997, welches den Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten als “sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art” kennzeichnet, “dessen Bedarfsstruktur sich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt und insbesondere der einmaligen Leistungen unterscheidet” (a.a.O. S. 52), lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung heißt es dort (a.a.O. S. 54 unter Hinweis auf BTDrucks 3/1799, S. 40), der Gesetzgeber sei, wie bereits der Wortlaut nahe lege, von einer vorgegebenen rechtlichen Kostenverpflichtung ausgegangen. Die vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil festgestellte Abweichung von der Regelstruktur sozialhilferechtlicher Ansprüche (a.a.O. S. 54) liegt in der Besonderheit des hier gesetzlich anerkannten sozialhilferechtlichen Bedarfs, der sich ausnahmsweise auf die Übernahme einer Verbindlichkeit bezieht. Auf das Prinzip der Notwendigkeit des Bedarfs sollte damit, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 30. Mai 2002 dargelegt hat (a.a.O. S. 290), nicht verzichtet werden. An einer solchen im Vorhinein bestehenden Kostenverpflichtung, die der Klägerin die eingegangene Bestattungskostenlast als rechtlich notwendig zuweist, fehlt es hier. Daran vermag die von der Klägerin empfundene sittliche Verpflichtung zur Bestattung ihrer “Stiefschwiegermutter” nichts zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 954278 |
FamRZ 2003, 1553 |
ZAP 2003, 912 |
ZEV 2003, 472 |
BtPrax 2004, 238 |
FEVS 2003, 490 |
NDV-RD 2003, 101 |
ZfF 2005, 19 |