Entscheidungsstichwort (Thema)
Familieneinheitliches Asylverfahren. Verfahrenseinleitung auf Anzeige. Verfahrenseinleitung von Amts wegen. unverzügliche Anzeige. fiktiver/fingierter Asylantrag. intertemporales Verfahrensrecht. echte/unechte Rückwirkung. Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet. Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils. isolierte Anfechtung. isolierte Anfechtungsklage. Rechtsschutzbedürfnis. Auslegung der Klageanträge im Asylprozess
Leitsatz (amtlich)
- § 14a Abs. 2 AsylVfG gilt auch für vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland geborene Kinder.
- Ein nach § 14a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltender Asylantrag kann nicht nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden.
- Ein isolierter Anfechtungsantrag gegen einen negativen Asylbescheid nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ist im Zweifel so auszulegen, dass daneben hilfsweise die Verpflichtung begehrt wird, Asyl und Abschiebungsschutz zu gewähren.
Normenkette
RL 2004/83/EG Art. 13, 18; AsylVfG § 14a Abs. 2, § 30 Abs. 3, § 37 Abs. 2; AufenthG § 10 Abs. 3, § 15a Abs. 1, 6, §§ 60, 26 Abs. 2,, § 101 Abs. 2, § 104 Abs. 3; BGB § 121; VwGO §§ 42, 86 Abs. 3, §§ 88, 113 Abs. 3
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.04.2006; Aktenzeichen 6 A 10211/06) |
VG Koblenz (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 7 K 1904/05) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2006 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2005 geändert. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit darin die Anerkennungen als Asylberechtigte und als Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet (und nicht nur als unbegründet) abgelehnt worden sind.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens; von den Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die Klägerinnen 5/6 (fünf Sechstel) und die Beklagte 1/6 (ein Sechstel).
Tatbestand
I
Die Klägerinnen, in Deutschland geborene Kinder abgelehnter Asylbewerber aus Aserbaidschan, wenden sich gegen die behördliche Einleitung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 2 AsylVfG und begehren die Aufhebung des in diesem Verfahren ergangenen negativen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
Die im Dezember 2002 und im Juni 2004 in Deutschland geborenen Klägerinnen sind wie ihre Eltern aserbaidschanische Staatsangehörige. Ihr Vater ist aserbaidschanischer Volkszugehöriger, ihre Mutter armenische Volkszugehörige. Den Asylantrag der im August 2002 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Eltern der Klägerinnen lehnte das Bundesamt (damals noch: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) am 19. August 2003 ab. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte den Eltern die Abschiebung nach Aserbaidschan an. Der Bescheid ist seit der Ablehnung eines Antrags auf Zulassung der Berufung durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 10. März 2004 gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2003 bestandskräftig. Die Eltern der Klägerinnen erhielten seit März 2004 Duldungen, die fortlaufend verlängert wurden.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2005 zeigte die Ausländerbehörde gemäß § 14a Abs. 2 AsylVfG dem Bundesamt die Geburt der Klägerinnen an. Das Bundesamt leitete daraufhin ein Asylverfahren ein und gab den Eltern der Klägerinnen Gelegenheit, für diese Asylgründe vorzubringen; zugleich wies es darauf hin, dass nach § 14a Abs. 3 AsylVfG die Möglichkeit des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens bestehe. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen erhielt Akteneinsicht, gab aber keine Stellungnahme ab.
Mit dem angegriffenen Bescheid vom 10. Oktober 2005 lehnte das Bundesamt die nach § 14a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltenden Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht (Nr. 2) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Außerdem drohte es den Klägerinnen für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach Aserbaidschan an (Nr. 4).
Mit der hiergegen erhobenen Klage haben die Klägerinnen beantragt, den Bescheid des Bundesamtes aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Sie haben hierzu geltend gemacht, dass die Regelung des § 14a Abs. 2 AufenthG auf sie nicht anwendbar sei. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 28. Oktober 2005 stattgegeben und durch Urteil vom 16. Dezember 2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es ausgeführt, der Bescheid des Bundesamtes unterliege keinen rechtlichen Bedenken, weil der zum 1. Januar 2005 eingefügte § 14a AsylVfG auch auf Kinder Anwendung finde, die – wie die Klägerinnen – vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geboren seien. Auch sonst seien Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht erkennbar. Insbesondere hätten die Klägerinnen selbst dann, wenn man der Klage trotz der anwaltlichen Vertretung und der klaren Antragsfassung im Wege der Auslegung noch ein hilfsweises Verpflichtungsbegehren entnehmen wollte, weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch einen solchen auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG. Hinsichtlich der (einwöchigen) Ausreisefrist sei zwar davon auszugehen, dass kein Fall der “offensichtlichen” Unbegründetheit im Sinne des § 30 AsylVfG vorliege. Die Klägerinnen seien dadurch nach der stattgebenden Eilentscheidung aber nicht mehr beschwert und die Klage daher auch insoweit abzuweisen, da die Ausreisefrist gemäß § 37 Abs. 2 AsylVfG nunmehr erst einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens ende.
Im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht haben die Klägerinnen wiederum lediglich geltend gemacht, § 14a Abs. 2 AsylVfG gelte für sie nicht. Sie haben beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Bescheid des Bundesamts aufzuheben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom 25. April 2006 zurückgewiesen. Auch nach seiner Ansicht ist § 14a Abs. 2 AsylVfG im Ergebnis auf die Klägerinnen anwendbar.
Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision wiederholen die Klägerinnen ihre Einwände gegen die Anwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG. In der Revisionsverhandlung haben sie klargestellt, dass sie sich mit ihrem Anfechtungsbegehren auch dagegen wenden, dass das Bundesamt ihre als gestellt geltenden Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, was ihnen im Hinblick auf § 10 Abs. 3 AufenthG möglicherweise auch Nachteile bei der bevorstehenden neuen Altfallregelung bringen könne.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält auch daran fest, dass § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG in Fällen wie dem vorliegenden anzuwenden sei.
Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass inzwischen beabsichtigt sei, in das derzeit geplante Änderungsgesetz eine Regelung einzufügen, die klarstelle, dass § 14a Abs. 2 AsylVfG auch für Altfälle gilt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerinnen hat nur Erfolg, soweit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Anerkennung als Asylberechtigte sowie als Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet und nicht nur als unbegründet abgelehnt hat (vgl. unten 3.). Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg. Soweit das Bundesamt auf die Anzeige der Geburt der Klägerinnen gemäß § 14a Abs. 2 AsylVfG ein Asylverfahren eingeleitet und durchgeführt hat, sind das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. unten 2.). Dabei haben sie das Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen auch zu Recht als inhaltlich beschränkte isolierte Anfechtungsklage ausgelegt und beschieden (vgl. nachfolgend 1.).
1. Wie in der Revisionsverhandlung erörtert und vom Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen klargestellt, begehren die Klägerinnen die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts ausschließlich unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten, nämlich zum einen insgesamt wegen der Unanwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG in ihrem Falle und zum anderen wegen der Ablehnung von Asyl- und Flüchtlingsschutz als “offensichtlich” unbegründet. Beide Rechtsschutzbegehren werden mit dem isolierten Anfechtungsantrag geltend gemacht. (Hilfs-)Anträge auf Verpflichtung (zur Anerkennung als Asylberechtigte und als Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 AufenthG sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) werden nicht gestellt. Dabei sind sich die Beteiligten darüber im Klaren, dass der angefochtene Bescheid bei Abweisung der isolierten Anfechtungsklage ohne materielle Prüfung der Asyl- und Abschiebungsschutzanträge – mit Ausnahme des Offensichtlichkeitsurteils in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids – unanfechtbar und bestandskräftig wird.
a) Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, wie Klageanträge im Asylprozess typischerweise zu verstehen sind (vgl. etwa Urteil vom 26. Juni 2002 – BVerwG 1 C 17.01 – BVerwGE 116, 326 ≪328 f.≫ unter Hinweis auf Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260 ≪262 f.≫, Urteil vom 28. April 1998 – BVerwG 9 C 2.98 – ≪juris≫ und Beschluss vom 12. August 1999 – BVerwG 9 B 268.99 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 19). Danach stehen die asylrechtlichen Ansprüche in einem bestimmten Rangverhältnis in dem Sinne, dass Schutz vor geltend gemachten Gefahren im Heimatstaat vorrangig auf der Stufe zu gewähren ist, die jeweils den umfassenderen Schutz vermittelt. Lehnt das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und droht ihm unter Versagung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG die Abschiebung in den Heimatstaat an, richtet sich das den Verwaltungsgerichten unterbreitete Rechtsschutzbegehren in aller Regel vorrangig, d.h. als Hauptantrag, auf die Verpflichtung des Bundesamts zur Gewährung von Asyl nach Art. 16a GG und/oder auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (und seit dem 11. Oktober 2006 auch nach Art. 13 RL 2004/83/EG). Für den Fall, dass dieses Hauptbegehren insgesamt erfolglos bleibt, ist zusätzliches Rechtsschutzziel aber (nachrangig) auch – neben der Aufhebung der negativen Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG – die Verpflichtung des Bundesamts zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG (und seit dem 11. Oktober 2006 zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach Art. 18 RL 2004/83/EG) sowie zugleich die Aufhebung der Abschiebungsandrohung in Bezug auf das Abschiebezielland. Falls die Klage auch insoweit erfolglos bleibt, soll in der Regel zumindest die Verpflichtung des Bundesamts erreicht werden, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, sowie ggf. auch nur die Aufhebung der Abschiebungsandrohung. Der typischen Interessenlage des im Verwaltungsverfahren unterlegenen Asylsuchenden entspricht es deshalb, sein dem Verwaltungsgericht unterbreitetes Rechtsschutzbegehren – wenn es nicht ausnahmsweise deutlich erkennbar eingeschränkt sein sollte – dementsprechend sachdienlich umfassend auszulegen.
Das gilt grundsätzlich in gleicher Weise, wenn ein negativer Asylbescheid des Bundesamts – wie hier von den Klägerinnen – mit dem Vortrag angefochten wird, ein Asylantrag sei nicht gestellt worden und eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen aufgrund einer Mitteilung der Ausländerbehörde nach § 14a Abs. 2 AsylVfG nicht zulässig gewesen. Auch in solchen Fällen ist in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet sind, auf eine entsprechend sachdienliche Antragstellung hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO) und den Klageantrag regelmäßig so auszulegen (§ 88 VwGO), dass ein isolierter Anfechtungsantrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (und Art. 13 RL 2004/83/EG) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach Art. 18 RL 2004/83/EG) als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist nur möglich, wenn der Wille zu einer Beschränkung des Klagebegehrens auf eine isolierte Anfechtung – unter bewusstem Verzicht auf eine weitergehende gerichtliche Sachprüfung der Ablehnung von Asyl und Abschiebungsschutz sowie einer Abschiebungsandrohung und der damit verbundenen nachteiligen Folgen – feststeht.
So verhält es sich allerdings hier. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen nach Erörterung der Rechtslage erklärt, dass er – entsprechend der Antragsformulierung und dem durchgängigen Vortrag zur Unanwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG – bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt habe und auch weiterhin keine Hilfsanträge auf Verpflichtung stelle. Die Klägerinnen würden sich mit ihrem Anfechtungsantrag jedoch auch dagegen wenden, dass das Bundesamt ihre als gestellt geltenden Asylanträge als offensichtlich (und nicht nur einfach) unbegründet – mit der Rechtsfolge gemäß § 10 Abs. 3 AufenthG – abgelehnt hat (vgl. dazu noch näher unten 3.). Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht ebenfalls nur von einem (isolierten) Anfechtungsbegehren ausgegangen ist.
b) Die isolierte Anfechtung des Bundesamtsbescheids, auf die sich die Klägerinnen beschränken, ist statthaft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – insbesondere auch zu Asylverfahren – ist zwar grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage (“Versagungsgegenklage”) zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt aber an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges – gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres – Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so oder besser abgewendet werden kann. In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist (stRspr; vgl. Urteil vom 10. Dezember 1996 – BVerwG 1 C 19.94 – Buchholz 402.240 § 5 AuslG Nr. 1), und die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (Urteil vom 7. März 1995 – BVerwG 9 C 264.94 – Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12).
Es kann offenbleiben, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält (so Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 112; ähnlich Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 42 Rn. 30; a.A. – für eine weitergehende Zulassung der isolierten Anfechtung – etwa Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2005, § 42 Rn. 335 ff. und Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 18 ff., jeweils m.w.N.). Dabei ist in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen darf wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO (vgl. Urteil vom 6. Juli 1998 – BVerwG 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ≪130 f.≫).
Für Rechtsschutzbegehren wie das der Klägerinnen ist ferner – wie oben zur Auslegung des Klageantrags bereits angesprochen – zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung – bei Abweisung der Klage – zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergibt sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahrt, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibt (a.A. wohl Happ a.a.O. Rn. 21 a.E. und Sodan a.a.O. Rn. 345 f.). Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein soll (so wohl Happ a.a.O. Rn. 21 a.E. und Sodan a.a.O. Rn. 345 f.), widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs – nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweist – mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren. Jedenfalls für den Asylprozess scheidet eine solche wahlweise Zulassung der isolierten Anfechtung mit Rücksicht auf die gebotene Konzentration und Beschleunigung von Asylverfahren aus.
Die Abweisung der isolierten Anfechtungsklage führt zur Unanfechtbarkeit und Bestandskraft des Ablehnungsbescheids, ohne dass eine richterliche Sachprüfung des materiellen Rechts, d.h. der materiellen Anspruchsvoraussetzungen stattfindet. Für das Verfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG und die Klägerinnen des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet dies, dass mit der Abweisung einer isolierten Anfechtungsklage endgültig feststeht, dass ihnen derzeit keine Ansprüche auf Asyl und Abschiebungsschutz zustehen. Auch künftig können sie entsprechenden Schutz nur noch im Wege eines Folge- und Wiederaufgreifensantrags erreichen; dabei sind sie grundsätzlich beschränkt auf neu entstehende Verfolgungsgründe, die innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG vorzubringen sind. Diese Rechtsfolgen müssen Kläger bzw. ihre Prozessbevollmächtigten bedenken, wenn sie sich gleichwohl für eine beschränkte isolierte Anfechtung entscheiden. In Verfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG kann die isolierte Anfechtung sachdienlich sein, wenn an einem positiven Asylbescheid des Bundesamts letztlich kein Interesse besteht oder Gründe für die Zuerkennung von Asyl oder Abschiebungsschutz auch nach Auffassung des Ausländers offenkundig nicht bestehen. Dann allerdings bietet die isolierte Anfechtung gegenüber einem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylVfG den Vorteil, dass dessen nachteilige Folgen, die denjenigen einer bestandskräftigen Ablehnung entsprechen (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), bei einem Erfolg der Klage nicht eintreten, weil der negative Bescheid des Bundesamts ersatzlos aufgehoben wird. Das legitimiert auch die Zulassung der isolierten Anfechtung als alleiniges oder vorrangiges Ziel einer Klage wie hier, die sich nur dagegen wendet, dass der angefochtene Bescheid des Bundesamts wegen Verstoßes gegen § 14a Abs. 2 AsylVfG rechtswidrig ist.
Gegen die Zulassung der isolierten Anfechtungsklage bestehen danach im vorliegenden Verfahren im Ergebnis keine Bedenken.
c) Das gilt auch, soweit sich der Anfechtungsantrag, wie die Klägerinnen nunmehr klargestellt haben, hilfsweise auch darauf beziehen soll, dass das Bundesamt die nach § 14a Abs. 2 AsylVfG fingierten Anträge auf Asyl und Flüchtlingsschutz in Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids als “offensichtlich” und nicht nur als (einfach) unbegründet abgelehnt hat. Würde der Bescheid nämlich mit diesem Inhalt bestätigt, so hätte dies eigenständige nachteilige Rechtsfolgen, die hier nur noch mit der isolierten Anfechtung abgewendet werden können. Dies betrifft zwar nicht die mit der Abweisung als offensichtlich unbegründet verbundene kurze Ausreisefrist von einer Woche (vgl. § 36 Abs. 1 AsylVfG und Nr. 4 des Bescheids). Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend (unter Berufung auf den Beschluss vom 17. Februar 1986 – BVerwG 1 B 30.86 – DVBl 1986, 518 = Buchholz 402.25 § 11 AsylVfG Nr. 1) ausgeführt, dass insoweit für eine isolierte Aufhebung der Ausreisefrist bzw. Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung hinsichtlich der Ausreisefrist kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, weil sich durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Eilverfahren die Ausreisefrist kraft Gesetzes (§ 37 Abs. 2 AsylVfG) auf einen Monat – wie bei einfach unbegründeter Ablehnung des Asylantrags (§ 38 Abs. 1 AsylVfG) – verändert hat (vgl. auch Urteil vom 3. April 2001 – BVerwG 9 C 22.00 – BVerwGE 114, 122 ≪127≫). Nunmehr ergibt sich aber aus § 10 Abs. 3 AufenthG, der ab 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz neu geschaffen worden ist, eine darüber hinausgehende selbständige Beschwer bei Ablehnung des Asylantrags durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG. § 10 Abs. 3 AufenthG lautet:
“(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung.”
Danach besteht bei der Ablehnung nach § 30 Abs. 3 AsylVfG eine gesetzliche Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die – außer in den Fällen des Satzes 3 – nur durch eine Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils im Bescheid des Bundesamts (hier: in Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 10. Oktober 2005 nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG) beseitigt werden kann. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung (vgl. Schaeffer, in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 30 AufenthG Rn. 49 unter Bezugnahme auf Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, und Wenger, in: Storr, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, § 10 AufenthG Rn. 7) entfällt die Sperrwirkung aus § 10 Abs. 3 AufenthG nicht bereits dann, wenn – wie hier – auf einen erfolgreichen Eilantrag des Ausländers hin die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden ist. Hierfür gibt es keine – dem § 37 Abs. 2 AsylVfG für die Verlängerung der Ausreisefrist entsprechende – Rechtsgrundlage. Deshalb haben die Klägerinnen ausnahmsweise auch insoweit ein besonderes Rechtsschutzinteresse an der isolierten Anfechtung und Aufhebung des Ausspruchs zu § 30 Abs. 3 AsylVfG. Sie können nämlich – anders als die Kläger künftiger und in den Tatsacheninstanzen derzeit anhängiger Verfahren nach entsprechender Belehrung – diese Sperrwirkung auch nicht dadurch auf einfachere Weise beseitigen, dass sie auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylVfG (ggf. nachträglich) verzichten. In der Revisionsinstanz ist dies nicht mehr möglich; außerdem war die Rechtslage zur Anwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf Altfälle wie den der Klägerinnen bisher ungeklärt, so dass auch deshalb ein vorzeitiger Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG zur Vermeidung einer Abweisung des hilfsweisen Anfechtungsantrags nicht verlangt werden konnte.
2. Soweit das Bundesamt ein Asylverfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG eingeleitet und durchgeführt hat, ist die angefochtene Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
§ 14a Abs. 2 AsylVfG gilt auch für vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland geborene Kinder (vgl. ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 15. März 2006 – 10 LB 7/06, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juni 2006– A 3 S 258/03 – InfAuslR 2006, 429 ≪431 f.≫; OVG Koblenz, Urteil vom 25. April 2006 – 6 A 10211/06 – AuAS 2006, 153; a.M. OVG Berlin, Urteil vom 1. Februar 2006 – 3 B 35.05 –, vgl. dazu das gleichzeitig ergehende Urteil im Verfahren BVerwG 1 C 5.06). Die Vorschrift enthält zwar keine ausdrückliche Regelung ihres zeitlichen Anwendungsbereichs, auch fehlt eine Übergangsvorschrift im Zuwanderungsgesetz. Für eine Anwendbarkeit auf “Altfälle” sprechen aber die Entstehungsgeschichte sowie vor allem Sinn und Zweck der Vorschrift.
a) Der Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG schließt dessen Anwendung auf Fälle der vorliegenden Art nicht aus. Ihm kann nicht entnommen werden, dass die Vorschrift ausschließlich für nach ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 eingereiste oder in Deutschland geborene Kinder im Sinne der Vorschrift gilt. Namentlich lässt die Verwendung der Zeitform des Präsens anstelle des Perfekts einen solchen Schluss nicht zu. Einerseits bezieht sich die Präsensformulierung hinsichtlich des die Rechtsfolge auslösenden Ereignisses der Einreise oder Geburt allein auf die zeitliche Abfolge zu der vorangegangenen Asylantragstellung des jeweiligen Elternteils. Andererseits werden in den Vorschriften, die durch das Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt wurden, unterschiedliche Zeitformen verwendet, ohne dass sich hieraus verlässliche Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich der jeweiligen Norm ergäben. So setzt die ebenfalls im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Bestimmung des § 104 Abs. 3 AufenthG voraus, dass sich Ausländer vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in Deutschland “aufhalten”, womit ein in der Vergangenheit liegender Zeitraum gemeint ist. Demgegenüber wird in § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG das Partizip Perfekt (“eingereiste Ausländer”) gebraucht, obwohl die Bestimmung nach § 15a Abs. 6 AufenthG nicht für Personen gilt, die “nachweislich vor dem 1. Januar 2005 eingereist sind”.
b) Auch aus der Verwendung des Tatbestandsmerkmals “unverzüglich” in § 14a Abs. 2 AsylVfG kann nicht geschlossen werden, dass damit Geburten oder Einreisen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 von der Bestimmung nicht erfasst werden sollten. Allerdings wird die Auffassung vertreten, mit dem Erfordernis einer unverzüglichen Anzeige werde (generell) ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Geburt oder Einreise einerseits und der Erfüllung der daran anknüpfenden Verpflichtung zur Anzeige hergestellt (vgl. OVG Berlin a.a.O.). Diese Auffassung berücksichtigt indessen nicht, dass “unverzüglich” nach der auch im öffentlichen Recht geltenden Legaldefinition in § 121 BGB “ohne schuldhaftes Zögern” bedeutet (vgl. Urteile vom 13. Mai 1997 – BVerwG 9 C 35.96 – BVerwGE 104, 362 ≪367≫ und vom 13. Mai 1998 – BVerwG 6 C 12.98 – BVerwGE 106, 369 ≪373≫). Ein solches Handeln ohne schuldhaftes Zögern ist auch dann möglich, wenn – wie hier mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 – eine Handlungspflicht erst gesetzlich begründet wird, nachdem die Anzeigetatbestände bereits zuvor erfüllt waren.
Ebenso wenig ergeben sich aus dem Verweis in § 14a Abs. 2 AsylVfG auf eine Aufenthaltserlaubnis (der Eltern) nach dem neuen § 25 Abs. 5 AufenthG – worauf einige Verwaltungsgerichte abstellen – Bedenken gegen eine Anwendung auf Altfälle. Auch diese Tatbestandsvariante ist nämlich auf Altfälle anwendbar, wie sich aus der Übergangsvorschrift des § 101 Abs. 2 AufenthG ergibt.
c) Für eine Anwendung des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf Altfälle spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, deren Einführung in einem engen Zusammenhang mit der Änderung des § 26 Abs. 2 AsylVfG steht. § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung setzte für die Anerkennung des Kindes eines Asylberechtigten voraus, dass dieses unverzüglich nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt hatte. Das Erfordernis der unverzüglichen Asylantragstellung ist mit der Neuregelung entfallen. In der Begründung zum Regierungsentwurf (BTDrucks 15/420 S. 109) wird dazu ausgeführt, dass sich hierdurch bei den Kindern, die vor Vollendung des 16. Lebensjahres ins Bundesgebiet eingereist sind, inhaltlich nichts ändere, da insoweit die Fiktionswirkung des § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG eingreife. 16- bis 18-jährige Kinder könnten künftig bis kurz vor der Vollendung des 18. Lebensjahres mit der Asylantragstellung warten. Es erscheint zwar fraglich, ob diese Erwägungen in jeder Hinsicht zutreffen. Denn die Anzeigepflicht nach § 14a Abs. 2 AsylVfG knüpft an einen bestimmten Aufenthaltsstatus eines Elternteils an, der demjenigen des Stammberechtigten, der Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz nach § 26 AsylVfG allein vermitteln kann, regelmäßig nicht entsprechen wird. Soweit nämlich Asylberechtigte über einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 3 AufenthG verfügen, ist die Einreise ihrer unter 16 Jahre alten Kinder nicht nach § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG anzeigepflichtig (vgl. VGH Mannheim, InfAuslR 2006, 429 ≪432≫).
Unabhängig hiervon hat der Gesetzgeber aber die Vorschrift des § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG auch zur Kompensation der früher gemäß § 26 AsylVfG erforderlichen unverzüglichen Antragstellung geschaffen. Wäre er davon ausgegangen, dass § 14a Abs. 2 AsylVfG auf Altfälle nicht anwendbar ist, so würde die Aussage in der Entwurfsbegründung, dass 16 bis 18 Jahre alte Kinder nunmehr bis kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres Zeit hätten, Familienasyl zu beantragen, nicht sinnvoll sein. Denn ohne eine Anwendung auf “Altfälle” hätten vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereiste oder hier geborene Kinder von Asylbewerbern die Möglichkeit, für einen Übergangszeitraum von nahezu 18 Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes den Zeitpunkt der Beantragung von Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 2 AsylVfG zu wählen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber aber nur eine allenfalls zweijährige Frist für 16- bis 18-Jährige gewähren wollte, spricht dafür, dass er von einer Anwendung des § 14a Abs. 2 AsylVfG für “Altfälle” ausgegangen ist.
d) Für eine solche Auslegung spricht vor allem auch der Sinn und Zweck des § 14a Abs. 2 AsylVfG. Mit dem Zuwanderungsgesetz verfolgte der Gesetzgeber u.a. das Ziel, die Durchführung des Asylverfahrens zu straffen und zu beschleunigen sowie dem Missbrauch von Asylverfahren entgegenzuwirken (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs BTDrucks 15/420 S. 1). Dem sollte auch § 14a Abs. 2 AsylVfG dienen (a.a.O. BTDrucks 15/420 S. 108):
“Durch die Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr wird verhindert, dass durch sukzessive Antragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen. Damit würden auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- oder Härtefallregelungen weitgehend entfallen können.”
Dem Willen des Gesetzgebers entspricht es, die von ihm als Missbrauch und Umgehung angesehene Vorgehensweise, bei drohender Abschiebung sukzessiv Asylanträge für minderjährige Kinder zu stellen, möglichst rasch, umfassend und effektiv zu unterbinden. Das ist nur zu erreichen, wenn § 14a Abs. 2 AsylVfG auch auf alle sog. Altfälle angewendet wird (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 37; VGH Mannheim, a.a.O. S. 431 f.). Wäre ein engerer Anwendungsbereich der Vorschrift beabsichtigt gewesen, hätte der Gesetzgeber durch eine spezielle Übergangsvorschrift angeordnet, dass sich das Verfahren für bereits vor dem 1. Januar 2005 geborene oder eingereiste Kinder von Asylbewerbern nach der bisherigen Rechtslage richten sollte.
e) Auch die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Verfahrensrechts sprechen für dieses Ergebnis. Diese sind hier zu berücksichtigen, da § 14a Abs. 2 AsylVfG eine Verfahrensvorschrift ist, die bestimmt, dass unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund einer Antragsfiktion ein Asylverfahren eingeleitet wird. Die Grundsätze des intertemporalen Verfahrensrechts, die auch in § 96 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck kommen, lassen sich dahin gehend zusammenfassen, dass bei Fehlen einer Übergangsregelung neues Verfahrensrecht regelmäßig auf bereits anhängige, aber noch nicht abgeschlossene Verfahren anzuwenden ist (vgl. etwa Urteil vom 18. Februar 1992 – BVerwG 9 C 59.91 – Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 m.w.N.). Dies gilt – entgegen der Auffassung der Klägerinnen – auch und erst recht für im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer verfahrensrechtlichen Norm noch nicht eingeleitete Verfahren (vgl. OVG Koblenz, a.a.O.). Es ist nicht erkennbar, dass hier ausnahmsweise anderes zu gelten hätte.
f) Die Anwendung des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf Altfälle steht schließlich auch mit Verfassungsrecht im Einklang. Namentlich liegt hierin keine “echte” Rückwirkung der Vorschrift (durch Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Eine Rechtsnorm entfaltet eine derartige Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, in dem die Norm gültig geworden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪241≫). Da der Asylantrag der Klägerinnen erst nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes als gestellt gilt, nicht aber mit Wirkung für die Vergangenheit, treten die Rechtsfolgen des § 14a Abs. 2 AsylVfG nicht rückwirkend ein. Eine nur ausnahmsweise zulässige (“echte”) Rückwirkung von Rechtsfolgen liegt darin nicht. Vielmehr stellt sich die Anwendung des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf Altfälle lediglich als eine tatbestandliche Rückanknüpfung (“unechte” Rückwirkung) dar, die weniger strengen Beschränkungen unterliegt. Die tatbestandliche Rückanknüpfung betrifft nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten dabei erst nach der Verkündung der Norm ein, ihr Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor der Verkündung “ins Werk gesetzt” worden sind. Das ist hier der Fall. § 14a Abs. 2 AsylVfG knüpft nur tatbestandlich an ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis an und unterwirft dieses einer (gegenwärtigen) Anzeigepflicht.
In solchen Fällen der “unechten” Rückwirkung ergeben sich die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪180 ff.≫). Diese Grenzen sind hier nicht überschritten. Die in Rede stehende “unechte” Rückwirkung ist zur Erreichung der vom Gesetzgeber erstrebten Zielsetzung, sukzessive Asylantragstellungen und hieraus resultierende überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive zu vermeiden, geeignet und erforderlich (vgl. auch oben). Ein besseres oder zumindest gleichwertiges Mittel zur Erreichung dieser Zielsetzung ist nicht erkennbar, insbesondere kann hierzu bereits im Ansatz nicht auf § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zurückgegriffen werden (vgl. dazu sogleich 3.). Das Interesse der Kläger an der Beibehaltung des im Zeitpunkt ihrer Geburt bestehenden Zustands wiegt deutlich geringer. Diese hatten vor der Verkündung des Zuwanderungsgesetzes nichts “ins Werk gesetzt”, was durch § 14a Abs. 2 AsylVfG gleichsam entwertet würde. Sie hatten lediglich davon abgesehen, einen Asylantrag zu stellen. Auch wurde ein solcher nach der damaligen Rechtslage nicht fingiert. Ihr Interesse am Fortbestand dieser verfahrensrechtlichen Situation kann folglich nur darin bestehen, den Zeitpunkt der Einleitung eines Asylverfahrens selbst und unabhängig von einer gesetzlichen Antragsfiktion bestimmen zu können. Diesem Interesse trägt zum einen die Verzichtsklausel des § 14a Abs. 3 AsylVfG Rechnung. Zum anderen bleibt es den Klägern – sollten sie politische Verfolgung zu einem späteren Zeitpunkt zu gewärtigen haben – unbenommen, dies zum Anlass für einen weiteren Asylantrag nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 AsylVfG zu nehmen (vgl. VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Koblenz, a.a.O.; OVG Lüneburg, a.a.O.).
3. Soweit das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung der Klägerinnen als Asylberechtigte sowie als Flüchtlinge in Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet und nicht nur als unbegründet abgelehnt und das Oberverwaltungsgericht mit der Zurückweisung der Berufung den Bescheid auch insoweit als rechtmäßig bestätigt hat, verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist ein unbegründeter Asylantrag als “offensichtlich” unbegründet abzulehnen, “wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind”. Die Bestimmung ist durch das Zuwanderungsgesetz zusammen mit § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingefügt worden, der – wie oben bereits ausgeführt – bestimmt, dass vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG findet Satz 2 im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Anwendung.
Diese Regelung soll – ebenso wie für die weiteren Qualifikationsfälle des § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG, auf die sich § 10 Abs. 3 AufenthG ebenfalls bezieht – einen Missbrauchstatbestand erfassen und sanktionieren
(vgl. BTDrucks 14/7387 S. 68: “Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde ≪Gründe, die zur offensichtlichen Unbegründetheit eines Asylantrags führen, insbesondere im Falle der Täuschung≫, darf kein Aufenthaltstitel erteilt werden.”).
Das erschließt sich ferner daraus, dass § 30 Abs. 3 AsylVfG bei seiner Einführung im Rahmen der großen Asylreform durch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1462) in Anwendung von Art. 16a Abs. 4 GG als formelle Missbrauchsvorschrift konzipiert wurde (vgl. zutreffend Schaeffer a.a.O.). Das ist bei der Auslegung und Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zu beachten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt bereits der Wortlaut des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG, der sich auf einen “Asylantrag” bezieht, welcher für einen handlungsunfähigen Ausländer “gestellt wird”, es kaum zu, diese Bestimmung mit ihren weitreichenden negativen Rechtsfolgen auch auf Asylentscheidungen zu erstrecken, die in einem Verfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ohne einen Asylantrag des Ausländers ergangen sind. Das muss vor allem auch dann gelten, wenn das Asylverfahren wie hier auf einer Anzeige der Ausländerbehörde in Erfüllung ihrer gesetzlichen Mitteilungsverpflichtung beruht, also gleichsam von Amts wegen aufgrund eines fingierten Asylantrags eröffnet und durchgeführt wird. Es ist auch sonst nicht erkennbar, weshalb der Gesetzgeber diese Fallgruppe (insbesondere auch bei nach dem Inkrafttreten der Neuregelung ab 1. Januar 2005 geborenen oder eingereisten Kindern) ausnahmslos dem Verdikt der Ablehnung als offensichtlich unbegründet hätte unterwerfen wollen. Namentlich ist hier eine missbräuchliche Einleitung eines Asylverfahrens, auf die § 30 Abs. 3 AsylVfG reagiert, nicht feststellbar. Das wäre im Übrigen nicht anders zu beurteilen, wenn die Eltern der Klägerinnen die ihnen – bei richtiger Auslegung und Anwendung des § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG – obliegende Anzeigepflicht gesetzestreu erfüllt hätten. § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist daher auch nach seinem Sinn und Zweck nicht auf lediglich fiktive “Asylanträge” anwendbar, die nach § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG nur kraft Gesetzes “für das Kind als gestellt gelten”. Davon unberührt bleibt es dem Bundesamt unbenommen, wie der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen bemerkt, die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylVfG oder wegen Vorliegens anderer Missbrauchstatbestände nach § 30 Abs. 3 AsylVfG im Einzelfall auszusprechen. Ebenso verbleibt für § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ein hinreichender und sinnvoller Anwendungsbereich in Fällen missbräuchlicher Verfahrensgestaltung durch zeitlich gestaffelte, sukzessive Stellung von Asylanträgen vor allem für Kinder.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Beck
Fundstellen
BVerwGE 2007, 161 |
InfAuslR 2007, 213 |
AuAS 2007, 80 |
DVBl. 2007, 446 |