Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der laufenden Geldleistungen in der Kindertagespflege
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erstattung der angemessenen Kosten für den Sachaufwand nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII kann in pauschalierter Form erfolgen. Ein kontrollfreier Beurteilungsspielraum steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bei ihrer Festlegung nicht zu.
2. Erstattungsfähige Sachkosten sind Kosten derjenigen Sachmittel, die zur Erfüllung des Förderauftrags nach § 22 SGB VIII geeignet sind und von der Tagespflegeperson wirtschaftlich getragen werden.
3. Angemessen sind die Kosten des Sachaufwands, wenn sie gemessen an den örtlichen Verhältnissen üblicherweise für einen in der Kindertagespflege typischen Standard anfallen und auch der Höhe nach marktüblich sind. Die Methode zu ihrer Ermittlung muss geeignet sein, die entsprechenden Bedarfe und ihre Kosten realitätsgerecht und ortsbezogen zu erfassen; sie darf sich vereinfachender Sachverhaltsbetrachtungen und Typisierungen bedienen.
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 17.03.2021; Aktenzeichen 3 A 1146/18) |
VG Dresden (Urteil vom 20.06.2018; Aktenzeichen 1 K 788/17) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. März 2021 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. Juni 2018 geändert.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2018 verpflichtet, über den Anspruch des Klägers auf eine laufende Geldleistung nach § 23 SGB VIII für die Tagespflege des Kindes J. hinsichtlich der Kosten für die Sachaufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen tragen der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über die Höhe des leistungsgerechten Betrags zur Anerkennung der Förderungsleistung und der Sachaufwandskosten im Rahmen der Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII.
Rz. 2
Der Kläger, der als Tagespflegeperson im Gebiet der Beklagten arbeitet, vereinbarte im September 2013 mit den Eltern des Kleinkindes J. dessen Betreuung an fünf Wochentagen für jeweils zehn Stunden. Für diese Betreuung bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von November 2013 bis Dezember 2015 eine laufende Geldleistung in Höhe von monatlich 552,32 € und mit einem weiteren Bescheid für den Zeitraum von Juli 2014 bis Dezember 2015 eine laufende Geldleistung in Höhe von monatlich 570,32 €. Mit der Kündigung der Betreuung im August 2014 wurde die Förderung der Kindertagespflege für dieses Kind eingestellt. Auf den Widerspruch des Klägers setzte die Beklagte vorläufig einen Nachzahlungsbetrag von insgesamt 22 394,33 € für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis zum 31. Dezember 2015 für die Förderung des besagten Kindes und anderer von ihm betreuter Kinder fest.
Rz. 3
In der Zwischenzeit hatte die Beklagte im November 2016 einem Gutachter unter Vermittlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. einen Auftrag für die Erarbeitung einer Kalkulationsgrundlage für die Bemessung der laufenden Geldleistung erteilt. Auf dieser Grundlage beschloss der Stadtrat der Beklagten am 14. Dezember 2017 die Richtlinie zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege in der Landeshauptstadt Dresden (Richtlinie Kindertagespflege), die am 1. Januar 2018 in Kraft trat. In der Folge hob die Beklagte mit einem abschließenden Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2018 ihre an den Kläger gerichteten Bewilligungsbescheide auf, wandte die Richtlinie rückwirkend an und erhöhte entsprechend die an den Kläger zu gewährenden monatlichen Beträge für die beantragten Leistungszeiträume, indem sie folgende laufenden monatlichen Leistungen an den Kläger festsetzte: 612,12 € für die Zeit von November bis Dezember 2013; 639,12 € für die Zeit von Januar bis Dezember 2014; 651,12 € für die Zeit von Januar bis März 2015 und 740,35 € für die Zeit von April bis August 2015. Dabei nahm die Beklagte in Anwendung der Grundsätze der Richtlinie für November 2013 bis März 2015 in Bezug auf den Anerkennungsbetrag eine Einstufung in die Betragsgruppe 1 der Richtlinie und für April bis August 2015 in die Betragsgruppe 2 vor. In Bezug auf die Sachkosten wendete die Beklagte die Sachkostenpauschale II (angemietete Räume ohne Doppelnutzung) der Richtlinie an.
Rz. 4
Mit der Begründung, der Anerkennungsbetrag sei ebenso wie die Sachkostenerstattung zu niedrig bemessen, erhob der Kläger Klage auf eine Neufestsetzung der Geldleistungen. Die Beteiligten erklärten das Verfahren übereinstimmend für erledigt, soweit in dessen Verlauf mit dem abschließenden Widerspruchsbescheid gegenüber den Ausgangsbescheiden höhere laufende Geldleistungen gewährt wurden. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Beklagte habe sich bei der Festlegung des Anerkennungsbetrags im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten. Ebenso sei die Sachkostenpauschale von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Bemessung der Sachkosten verfüge die Beklagte über einen Einschätzungsspielraum sowie das Recht zur Pauschalierung. Dies deute bereits der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII (Erstattung "angemessener" Kosten) an. Das Recht zur Pauschalierung ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der systematischen Gegenüberstellung von § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII und § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII. Die Beklagte sei deshalb befugt, im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu beurteilen, welche Sachkosten bei Tagespflegepersonen typischerweise notwendig anfallen. Die Aufwendungen für diese Kostenpositionen dürfe sie anschließend mittels pauschalierter Durchschnittswerte bestimmen. Vorliegend habe die Beklagte aufbauend auf dem Gutachten in nachvollziehbarer und sachgerechter Weise die notwendigen Kostenpositionen bestimmt und auf Grundlage einer schlüssigen Kostenermittlung die Sachkostenpauschalen festgelegt.
Rz. 5
Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts bezogen. Die vom Kläger angeführten zusätzlichen Gesichtspunkte gegen die Festsetzung des Anerkennungsbetrags führten nicht zum Erfolg. Dies gelte sowohl für die Rüge, dass die Orientierung des Anerkennungsbetrags an den Entgeltgruppen S2, S3 und S4 TVöD-SuE wegen der längeren Jahresarbeitszeit der Tagespflegeperson zu einer unangemessen niedrigen Leistung führe, als auch für die Auffassung des Klägers, dass die alleinige Betreuung von bis zu fünf Kindern als schwierige fachliche Tätigkeit eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S4 TVöD-SuE zur Folge haben müsse. Des Weiteren ergäben die Rügen des Klägers nicht, dass die Beklagte bei der Berechnung der Einzelpositionen im Rahmen der Festsetzung der Sachkosten den ihr dabei zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten habe. Insbesondere sei angesichts der Tatsache, dass nur ein geringer Bruchteil der Tagespflegepersonen bei der Reinigung der Gruppenräume auf einen Reinigungsdienst zurückgreife, der Ansatz des Mindestlohns für die Reinigungszeiten nicht zu beanstanden, da davon ausgegangen werde, dass der weit überwiegende Teil der Tagespflegepersonen von diesem Posten profitiere, ohne dass dem tatsächlich entstandene Kosten gegenüberstünden. Zwar leide die Berechnung der Stromkosten an einem methodischen Fehler. Eine Vergleichsberechnung habe aber ergeben, dass sich die Sachkostenpauschale bei richtiger Berechnung nur um 1,5 % oder 1,50 € erhöhen würde. Deshalb habe man von einer Korrektur für die Vergangenheit abgesehen. Letztlich sei die Sachkostenpauschale bei Hinzuziehung der angesetzten Fortbildungskosten und der Erstattung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sogar höher als der steuerlich als Betriebsausgabe angesetzte Pauschalbetrag von 300 € pro Kind und Monat.
Rz. 6
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt insbesondere, dass die vom Oberverwaltungsgericht abgelehnte Anwendung der Tarifbestimmung für die Eingruppierung in die Gruppe S4 des TVöD-SuE nicht nachvollziehbar sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lasse sich nicht aus dem Gesetz ableiten, dass der Träger der Jugendhilfe bei der Festlegung der Pauschale für Sachkostenerstattung einen Beurteilungsspielraum habe. Es sei dabei zudem zu Unrecht angenommen worden, dass der Ansatz des Mindestlohns für die Reinigungszeiten im Rahmen der Berechnung der Sachaufwandskosten angemessen sei. Schließlich enthalte das angefochtene Urteil eine fehlerhafte Berechnung. Denn selbst wenn man die Sachkostenerstattung für Kindertagespflege in eigenen Räumen und die in angemieteten Räumen zusammenrechne, ergäben sie zusammen mit den Pauschalen für Fortbildung und Berufsunfähigkeitsversicherung keineswegs 300 € monatlich.
Rz. 7
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Rz. 8
Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision des Klägers ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Sie hat keinen Erfolg, soweit der Kläger die Höhe der ihm für die Betreuung des Kindes J. bewilligten laufenden Geldleistungen nach § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) - SGB VIII - unter dem Gesichtspunkt des Anerkennungsbetrages beanstandet, weil die streitgegenständlichen Bescheide in Gestalt des abschließenden Widerspruchsbescheides insoweit rechtmäßig sind. Soweit er demgegenüber eine Neubescheidung der Geldleistungen hinsichtlich der Sachkostenerstattung verlangt, ist sein Begehren nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen begründet, weil die streitgegenständlichen Bescheide in Gestalt des abschließenden Widerspruchsbescheides diesbezüglich teilweise rechtswidrig sind und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Rz. 10
Gegenstand des Verfahrens sind die durch den endgültigen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 9. Februar 2018 neu festgesetzten Geldleistungen nach § 23 SGB VIII für den Zeitraum November 2013 bis August 2015 für die Betreuung des Kindes J. Der Kläger macht insoweit allein einen Neubescheidungsanspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) gegenüber der Beklagten geltend, was auch dann prozessual zulässig ist, wenn kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum in Rede steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 13 m. w. N.).
Rz. 11
Dieses Neubescheidungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 24 Abs. 1 und 2 SGB VIII. Danach umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII - soweit hier von Interesse - die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 1 SGB VIII), welche einen Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson nach Maßgabe des § 23 Abs. 2a SGB VIII (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII) sowie die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII), einschließt.
Rz. 12
Die Anspruchsberechtigung des Klägers und das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach sind zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Ihr Streit, für dessen rechtliche Beurteilung die vom Oberverwaltungsgericht erörterte Frage, ob es sich bei den Geldleistungen nach § 23 Abs. 2 SGB VIII um Sozialleistungen im Sinne von § 11 Satz 1 SGB I handelt, auch nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten ohne erkennbare Entscheidungserheblichkeit ist, konzentriert sich auf die Höhe des Anerkennungsbetrages und der Sachkosten. Deren Festlegung obliegt gemäß § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, soweit das Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt. Das sächsische Landesrecht sieht in § 14 Abs. 6 Satz 2 SächsKitaG vor, dass die laufende Geldleistung von der Gemeinde in Abstimmung mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt wird. Eine solche Festlegung hat die Beklagte in abstrakt-genereller Weise mit der von ihr erlassenen Richtlinie getroffen, die nach ihrer Nr. 7 auf die noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren hinsichtlich des Zeitraums nach dem 1. Januar 2016 Anwendung finden soll, aber nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Beklagten zugunsten des Klägers auch für den hier in Rede stehenden Zeitraum angewendet worden ist.
Rz. 13
Das danach zu beurteilende Neubescheidungsbegehren des Klägers bleibt hinsichtlich des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII erfolglos (1.). Das angefochtene Urteil verletzt jedoch Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es annimmt, der Beklagten stehe auch bei der Festlegung der Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII ein Beurteilungsspielraum zu (2.). Es erweist sich im Ergebnis auch nicht aus anderen Gründen als vollständig richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dies führt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zur Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung über den geltend gemachten Anspruch (3.).
Rz. 14
1. § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII bestimmt, dass die laufende Geldleistung im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB VIII einen Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson nach Maßgabe von § 23 Abs. 2a SGB VIII umfasst. Danach ist der Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson leistungsgerecht auszugestalten, wobei der zeitliche Umfang der Leistung und die Anzahl sowie der Förderbedarf der betreuten Kinder zu berücksichtigen sind (§ 23 Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII). Die auf dieser Grundlage durch die Beklagte vorgenommene Festsetzung des Anerkennungsbetrages ist nicht zu beanstanden.
Rz. 15
Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die Auffassung zugrunde gelegt, dass der Begriff des "Betrages zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung" im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, bei dessen Anwendung und leistungsgerechter Ausgestaltung die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (oder die sonst zuständigen Stellen) über einen Beurteilungsspielraum verfügen. Demzufolge besitzen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine eigene Wertungsmöglichkeit im Sinne einer Letztentscheidungskompetenz und haben abschließend zu entscheiden, wie sie den Anerkennungsbetrag berechnen und welche Höhe er hat. Die gerichtliche Kontrolle der Höhe des Anerkennungsbetrages ist dabei auf das auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannte Prüfprogramm beschränkt. Die Verwaltungsgerichte haben daher zu prüfen, ob die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bestimmung der Leistungshöhe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen haben, von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen können, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt haben. Sie haben hingegen nicht zu kontrollieren, ob nicht auch die Festsetzung eines Betrages in anderer Höhe möglich und von dem Beurteilungsspielraum gedeckt wäre. Weist die Entscheidung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe keinen der aufgeführten Rechtsfehler auf, ist der von ihnen festgelegte Betrag vielmehr hinzunehmen (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 10 ff.). So liegt es hier.
Rz. 16
a) Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist das vorliegend in der von der Beklagten angewendeten Richtlinie zum Ausdruck kommende Verständnis des § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII und dessen Anwendung im Einzelfall unter Beachtung der aus dem Beurteilungsspielraum folgenden Einschränkungen. Hinsichtlich des weiteren Umfangs der gerichtlichen Prüfung ist von Bedeutung, dass der Festlegung der Geldleistungen kalkulatorische Annahmen zugrunde liegen, die eine Ähnlichkeit zu den Kalkulationen aufweisen, die im Zusammenhang mit dem Erlass von Abgabensatzungen aufgestellt werden. Von daher ist es in aller Regel nicht zu beanstanden, wenn auch die Kalkulation des Betrages zur Anerkennung der Förderungsleistung im gerichtlichen Verfahren in sachgerechter Weise nur insoweit überprüft wird, als substantiierte Einwände dagegen erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 ≪197≫). Unbeschadet dessen erstreckt sich die Prüfung aber gleichwohl in jedem Fall darauf, ob die Festlegung in grundlegender Hinsicht an augenscheinlichen Mängeln leidet.
Rz. 17
b) Der Kläger rügt mit der Revision die Kalkulation hinsichtlich des Anerkennungsbetrages nur noch insoweit, als seiner Ansicht nach bezüglich der Betragsgruppe 1 der Richtlinie, in die er im streitgegenständlichen Zeitraum eingeordnet war, als Ausgangspunkt der Staffelung anstatt einer Anknüpfung an die Entgeltgruppe S2 TVöD-SuE (Erfahrungsstufe 3) vielmehr eine Anlehnung an die Entgeltgruppe S4 TVöD-SuE gerechtfertigt sei, da Tagespflegepersonen nicht nur in Randzeiten, sondern ganztätig alleinverantwortlich bis zu fünf Kinder zu betreuen hätten. Diese Rüge greift nicht durch.
Rz. 18
Die von der Beklagten angewendete Richtlinie orientiert sich hinsichtlich des Anerkennungsbetrags am für öffentliche Kindertageseinrichtungen geltenden Tarifrecht, wobei insoweit der formalen Qualifikation der Tagespflegeperson und einer vergleichbaren Tätigkeit in einer Kindertageseinrichtung maßgebliches Gewicht zukommen sollen (Nr. 4.7.1.(1)). Sie sieht diesbezüglich vor, dass Kindertagespflegepersonen ohne den Status einer pädagogischen Fachkraft im ersten Erlaubniszeitraum bei neunstündiger Betreuung einen an die Entgeltgruppe S 2 TVöD-SuE (Erfahrungsstufe 3) angelehnten Anerkennungsbetrag in Höhe von monatlich 551 € pro Kind erhalten. Nach fünfjähriger Tätigkeit und Fachberatung sowie Fortbildungen erfolgt eine Eingruppierung in Betragsgruppe 2 in Höhe von monatlich 650 € pro Kind (angelehnt an die Entgeltgruppen S 3/S 4 TVöD-SuE/Erfahrungsstufe 3). Dies gilt gleichermaßen für den Wechsel in die nächste Betragsgruppe 3 im dritten Erlaubniszeitraum (672 € pro Kind) und den Wechsel in die Betragsgruppe 4 (695 € pro Kind), wobei sich die Beträge aus der Orientierung an der Erfahrungsstufe 4 bzw. 5 ergeben. Tagespflegepersonen mit Berufsabschluss nach § 1 Abs. 1 SächsQualiVO können unter bestimmten Bedingungen (Betragsgruppen 5 bis 7) einen Anerkennungsbetrag erhalten, der von der Entgeltgruppe S 8a TVöD-SuE (Erfahrungsstufen 3 bis 5) ausgeht (zwischen 717 € und 784 € pro Kind und Monat).
Rz. 19
Dies lässt weder eine Verkennung der anzuwendenden Begriffe oder des gesetzlichen Rahmens des § 23 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII erkennen noch ist ersichtlich, dass die angewendete Richtlinie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein könnte. Die von der Richtlinie benannten abstrakten Kriterien für die leistungsgerechte Ausgestaltung des Anerkennungsbetrages stellen in nicht zu beanstandender Weise auf den zeitlichen Umfang der Leistung, die Anzahl und gegebenenfalls einen besonderen Förderbedarf der Kinder sowie die Qualifikation der Pflegepersonen ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 23 ff.). Zudem ist angesichts der absoluten Höhe der in den einzelnen Betragsgruppen gewährten Beträge nicht ersichtlich, dass die Beklagte die mittelfristige Zielsetzung einer angemessen vergüteten Vollzeittätigkeit aus dem Blick verloren haben könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 18).
Rz. 20
Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass die konkrete Festsetzung des Anerkennungsbetrages auf willkürlichen beziehungsweise sachfremden Erwägungen beruht. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte bei der Festlegung des Anerkennungsbetrages tatsächlich weitgehend am Tarifrecht orientiert hat, auch soweit sie bei dessen Staffelung für Tagespflegepersonen ohne Berufsabschluss gemäß § 1 Abs. 1 SächsQualiVO im ersten Erlaubniszeitraum einen Anerkennungsbetrag angelehnt an die Entgeltgruppe S2 TVöD-SuE gewährt. Denn unter diese Entgeltgruppe fallen in Kindertageseinrichtungen Beschäftigte ohne staatlichen Abschluss, welche die Tätigkeit von Kinderpflegern mit staatlicher Anerkennung ausüben und daher eine taugliche Orientierungsgruppe für (an- bzw. ungelernte) Tagespflegepersonen darstellen, weil für die Entgeltgruppe S3 TVöD-SuE in der Regel bereits eine zweijährige Ausbildung (zur staatlich anerkannten Kinderpfleger/in) erforderlich ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte damit von einem Regelfall ausgeht und annimmt, dass Tagespflegepersonen üblicherweise keine berufliche Ausbildung aufweisen, wie sie in Kindertageseinrichtungen tätige Personen besitzen, zumal die Richtlinie die nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII erforderliche Grundqualifikation auch durch den Verweis auf die tarifliche Erfahrungsstufe 3 abbildet. Soweit damit auch Tagespflegepersonen erfasst werden, die ausnahmsweise eine Qualifikation als staatlich anerkannte Kinderpfleger besitzen, besteht keine Verpflichtung der für die Festlegung zuständigen Stelle, den Anerkennungsbetrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII so auszugestalten, dass er dem Tarifrecht vollständig entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 35). Damit steht auch nicht in Widerstreit, dass sich der Anerkennungsbetrag für Tagespflegepersonen, die atypischerweise sogar als pädagogische Fachkraft ausgebildet sind, unter bestimmten Bedingungen an der Entgeltgruppe S8a TVöD-SuE orientiert. Denn damit trägt die Beklagte lediglich einer besonderen individuellen Qualifikation im Einzelfall Rechnung. Die Anlehnung der Eingangseinstufung der nicht als pädagogische Fachkräfte ausgebildeten Tagespflegepersonen an die Entgeltgruppe S2 TVöD-SuE wird im Übrigen dadurch abgemildert, dass deren fortschreitende Erfahrung auf dem Gebiet der Kindertagespflege infolge von Berufsausübung und Fortbildungen als gleichwertig mit einer Ausbildung in der Kinderpflege angesehen und durch die (spätere) Anwendung der Entgeltgruppe S3/S4 TVöD-SuE und der Erfahrungsstufen 4 und 5 abgebildet wird.
Rz. 21
Außerdem durfte die Beklagte grundsätzlich davon ausgehen, dass die verschiedenen Tätigkeitsbereiche in der Kindertagespflege mit denjenigen in Kindertageseinrichtungen vergleichbar sind, auch wenn sie nicht hinsichtlich aller Beschäftigten übereinstimmen mögen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 35). Soweit der Kläger unter Berufung auf die tarifvertragliche Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale eine Orientierung an der Entgeltgruppe S4 TVöD-SuE für geboten hält, weil er eine Gruppe allein betreue, lässt auch dies keinen Schluss auf ein sachfremdes Vorgehen der Beklagten zu. Zwar sind schwierige fachliche Tätigkeiten, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S4 TVöD-SuE rechtfertigen können, nicht nur dann anzunehmen, wenn - wie das Oberverwaltungsgericht möglicherweise angenommen hat - Tätigkeiten mit besonders betreuungsbedürftigen Personengruppen in Rede stehen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Arbeitsaufgabe aufgrund der gesteigerten Anforderungen von der Normalität nicht nur unerheblich abweicht, d. h. sich etwa im Hinblick auf das geforderte fachliche Können oder die körperliche oder geistige Belastung gegenüber dem üblichen Maß heraushebt (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juni 1996 - 4 AZR 26/95 - AP Nr. 216 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = juris Rn. 41). Soweit die tarifvertraglichen Protokollerklärungen zur Entgeltordnung (Nr. 2 b) dies auch für die alleinverantwortliche Betreuung von Gruppen etwa in Randzeiten annehmen, ist dies auf Tagespflegepersonen nicht übertragbar, weil die in Kindertagesstätten betreuten Gruppen regelmäßig größer sind als die Gruppen in der Kindertagespflege. Der Einwand des Klägers lässt daher keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Beklagte mit der Ausrichtung der Staffelung an der Entgeltgruppe S2 TVöD-SuE auch nur den Orientierungsrahmen des Tarifrechts verfehlt oder gar willkürlich gehandelt haben könnte. Sofern im Übrigen im Einzelfall ein erhöhter pädagogischer Förderbedarf besteht, trägt die Beklagte dem nach Nr. 4.7.1 (4) der angewendeten Richtlinie Rechnung.
Rz. 22
2. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII umfasst die laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII außerdem die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen. Die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Annahme, der danach anzusetzende Sachaufwand könne in Form von Pauschalen in die Geldleistung einfließen, ist nicht zu beanstanden (a). Demgegenüber verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bei der Festsetzung der Erstattung für den Sachaufwand stehe der zuständigen Stelle ein Beurteilungsspielraum zu, gegen Bundesrecht (b).
Rz. 23
a) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht nicht beanstandet, dass die Beklagte die Sachkostenerstattung in Form eines Pauschalbetrages festgesetzt hat. Zwar lässt der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII insbesondere mit der Verwendung des Singulars ("der Tagespflegeperson") auch eine Auslegung zu, die eine individuelle Abrechnung auf der Grundlage der bei der konkreten Tagespflegeperson tatsächlich angefallenen (Einzel-)Kosten verlangt. Er zwingt aber nicht zu einer solchen Interpretation, gegen die gesetzessystematische Gesichtspunkte sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen.
Rz. 24
In systematischer Hinsicht weist zunächst der Vergleich mit § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII in diese Richtung. Nach diesen Vorschriften hängt die Erstattung von Aufwendungen für Versicherungen und die Alterssicherung von einem Nachweis ab, also von ihrem einzelfallbezogenen Entstehen und seiner Belegbarkeit durch die Tagespflegeperson, was insoweit eine Pauschalierung ausschließt. Wenn § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII demgegenüber eine solche Einschränkung nicht enthält, erlaubt dies den Schluss, dass die Erstattung der Sachkosten zumindest auch in Form eines Pauschalbetrages unabhängig von einer tatsächlichen Kostenbelastung im Einzelfall erfolgen kann (vgl. zur Pauschalierung beim Anerkennungsbetrag auch BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 34). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII die Höhe der laufenden Geldleistungen "festgelegt" wird. Indem das Gesetz keine Wortwahl verwendet, die typischerweise auf eine einzelfallbezogene Entscheidung (etwa "bewilligt" oder "gewährt") hindeutet, weist es zugleich auf die Möglichkeit einer Pauschalierung und Typisierung von Kostenbestandteilen der laufenden Geldleistung hin. Dem steht bei übergreifender Betrachtung nicht entgegen, dass § 23 SGB VIII - anders als § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII für die laufenden Leistungen zum Kindesunterhalt nach § 39 Abs. 2 SGB VIII - nicht ausdrücklich von einer Leistungsgewährung in pauschalierter Form spricht. Denn daraus folgt nur, dass eine solche im Fall des § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII normativ als Regelfall angeordnet ist, während sie im Fall des § 23 SGB VIII nur nicht ausgeschlossen wird.
Rz. 25
Der allgemeine Sinn und Zweck des § 23 SGB VIII besteht darin, die Tagesbetreuung auch hinsichtlich deren Attraktivität für Tagespflegepersonen zu steigern (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 33). Diesem Ziel würde eine Verpflichtung zu einer nachweisgebundenen Individualabrechnung sämtlicher Sachkosten nicht gerecht, weil sie alle Tagespflegepersonen zu einer diesbezüglichen umfangreichen Nachweisführung zwingen würde. Der sich anschließende Verwaltungsaufwand bei der Prüfung würde zudem eine zeitnahe Auszahlung der Erstattungsbeträge erschweren.
Rz. 26
b) Bundesrecht verletzt demgegenüber die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, welches sich die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat, dass den zuständigen Stellen bei der Festlegung der den Tagespflegepersonen nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu erstattenden Sachkosten ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Vorschrift verwendet zwar, indem sie als Bestandteil der laufenden Geldleistungen lediglich die "angemessenen" Kosten des Sachaufwands ansieht, einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung haben die zuständigen Stellen aber auch bei der Festlegung der Höhe der zu erstattenden Sachkosten in Form eines Pauschalbetrages - anders als grundsätzlich im Fall des Anerkennungsbetrages - keine der gerichtlichen Überprüfung unzugängliche Letztentscheidungskompetenz, wie sie die Sachkosten berechnen und in welcher Höhe diese zu erstatten sind. Dies erschließt sich aus Folgendem:
Rz. 27
Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt zwar die ausnahmsweise Einräumung eines kontrollfreien Beurteilungsspielraums der Verwaltung durch den Gesetzgeber nicht aus. Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass der jeweiligen Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, der Verwaltung das abschließende Urteil über das Vorliegen der durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu übertragen. Dementsprechend muss sich ein Beurteilungsspielraum ausdrücklich aus dem Gesetz ablesen lassen oder durch Auslegung - insbesondere entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie - hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Die damit verbundene Freistellung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 11 m. w. N.). Das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls, der vor Art. 19 Abs. 4 GG Bestand hätte, lässt sich für die Festlegung der Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nicht bejahen (im Ergebnis ebenso Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 23 Rn. 45).
Rz. 28
aa) Dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII lassen sich keine Anhaltspunkte für die Annahme eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraums der Verwaltung entnehmen. Ein solcher ergibt sich namentlich nicht daraus, dass der Gesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff der "angemessenen Kosten" verwendet hat. Vielmehr ist die Anwendung des Kriteriums der "Angemessenheit" in Rechtsnormen in aller Regel in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 1989 - 5 C 30.86 - Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1, vom 2. September 1993 - 5 C 18.90 - BVerwGE 94, 122, vom 21. Dezember 2001 - 5 C 27.00 - BVerwGE 115, 331 und vom 28. Mai 2003 - 5 C 8.02 - BVerwGE 118, 211). Weil davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber diese langjährige gefestigte Entscheidungspraxis bekannt gewesen ist, kann nicht angenommen werden, dass er allein die Verwendung dieses Begriffs als hinreichend für die Einräumung eines Beurteilungsspielraums angesehen hat. Gegen eine solche Annahme spricht außerdem, dass der Gesetzeswortlaut die Erstattung von Sachkosten daran knüpft, dass sie der Tagespflegeperson "entstehen". Ob ein solches Entstehen angenommen werden kann, ist aber anders als im Fall der in § 23 Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII verwendeten Begriffe "ausgestalten" und "berücksichtigen" (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 14 f.) eine Frage - auch im gerichtlichen Verfahren - feststellbarer Tatsachen und nicht Ausdruck der Einräumung einer Gestaltungsfreiheit zugunsten der festlegenden Stelle.
Rz. 29
bb) Auch der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII spricht gegen die Annahme eines Beurteilungsspielraums. Dieser besteht ausgehend vom allgemeinen Zweck des § 23 SGB VIII, die Tagesbetreuung hinsichtlich deren Attraktivität für Tagespflegepersonen zu steigern, erkennbar darin zu verhindern, dass die Tagespflegeperson die entstandenen maßgeblichen Sachkosten aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen oder zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII decken muss. Diesem Ziel entspricht es, wenn die Sachkostenermittlung nicht nur realitätsbezogen erfolgt, sondern dies auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann.
Rz. 30
cc) Anhaltspunkte für einen Beurteilungsspielraum lassen sich auch nicht, wie vom Oberverwaltungsgericht und anderen Obergerichten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2016 - OVG 6 A 4.15 - juris Rn. 23; OVG Schleswig, Urteil vom 16. Januar 2020 - 3 KN 2/17 - juris Rn. 73) angenommen wird, aus einem systematischen Umkehrschluss zu § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII mit der Begründung herleiten, dass dort jeweils die Erstattung "nachgewiesener Aufwendungen" in bestimmter Höhe vorgesehen ist, während § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nicht die Erstattung eines "nachgewiesenen" Sachaufwands, sondern lediglich "angemessener" Kosten anordnet. Damit lässt sich zwar - wie bereits dargelegt - eine Pauschalierungsbefugnis der zuständigen Stelle bei der Festlegung der Sachkostenerstattung begründen. Eine solche Pauschalierungsbefugnis ist aber als solche nicht gleichzusetzen mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 1995 - 5 B 36.94 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 13 S. 2; Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK-GG, Stand Dezember 2022, Art. 108 Rn. 189 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 - BVerfGE 78, 214 = juris Rn. 43). Ermächtigt das Gesetz die Verwaltung zu eigenständigen Typisierungen und Pauschalierungen, bleiben die normativen Maßgaben, nach denen eine solche erfolgen soll, vielmehr auch dann grundsätzlich uneingeschränkt im gerichtlichen Verfahren überprüfbar, wenn es sich dabei - wie hier - um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt (vgl. Wernsmann, DStR-Beih 2011, 72 ≪74≫).
Rz. 31
Ebenfalls nicht weiterführend ist das Argument, für die Ausfüllung des Begriffs der "angemessenen Kosten" sei zu berücksichtigen, dass dem Träger der Jugendhilfe auch hinsichtlich der Festsetzung der Sachkostenerstattung durch § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden müsse, weil es sich dabei um eine normative Ermächtigung an den Träger der Jugendhilfe handele, die für die Bestimmung der Höhe der laufenden Geldleistung erforderlichen Beurteilungen letztverbindlich aus eigener - durch die Nähe zum Fall geprägte - Sachkunde zu treffen (so OVG Münster, Beschluss vom 29. September 2021 - 12 A 4179/18 - juris Rn. 35 m. w. N.). Eine ausdrückliche gesetzliche Normsetzungsbefugnis, aus der ein gerichtlich gegebenenfalls nur eingeschränkt überprüfbares normatives Ermessen resultieren würde (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. September 2022 - 5 P 4.21 - Rn. 17), enthält § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII ersichtlich nicht. Auch soweit der Norm über die in ihr erkennbar normierte Zuständigkeitszuweisung sowie ihre Bedeutung für die Begründung einer Pauschalierungsbefugnis hinaus zu entnehmen ist, dass nach Maßgabe des Landesrechts dabei auch ein Handeln in abstrakt-generellen Rechtsformen bis hin zum Erlass von Rechtsnormen (etwa in Form von Satzungen) in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - Rn. 10; vgl. ferner Beckmann, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 23 Rn. 39; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 1. Ergänzungslieferung 2023, § 23 Rn. 24), verschieben sich dadurch die sich aus dem Bundesrecht ergebenden materiell-rechtlichen Maßstäbe der Festlegung nicht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - Rn. 32 ff.).
Rz. 32
dd) Schließlich lassen sich auch den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers entnehmen, der Verwaltung einen eigenverantwortlichen Spielraum bei der Festlegung der Sachkostenerstattung zuzubilligen. Zwar soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Verwaltung bei der Festsetzung des Betrages, mit dem die Förderleistung der Tagespflegeperson entgolten wird, ein eigener Gestaltungsspielraum belassen werden beziehungsweise die Gestaltungsfreiheit der Länder und Jugendhilfeträger erhalten bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 17 unter Verweis auf BT-Drs. 16/9299 S. 14 f.). Diese Erwägungen beziehen sich allerdings ausdrücklich nur auf die Festlegung des Anerkennungsbetrages und lassen sich auf diejenige der Sachkostenerstattung nicht übertragen. Der Gesetzgeber nimmt insoweit zwar zur Begründung der Notwendigkeit der normativen Ausgestaltung des Anerkennungsbetrags auch auf die geänderte einkommensteuerrechtliche Behandlung der Einkünfte aus der Kindertagespflege durch die Finanzverwaltung Bezug und verweist in diesem Zusammenhang ebenfalls auf den Betriebskostenabzug im Rahmen der Steuererhebung (BT-Drs. 16/9299 S. 14). Diese Passagen, die die Praxis der Finanzverwaltung auch zum Sachaufwand lediglich referieren, lassen jedoch nicht ansatzweise den Schluss zu, der Gesetzgeber habe den für die Festlegung der laufenden Geldleistungen zuständigen Stellen hinsichtlich der Sachkostenerstattung einen Gestaltungsspielraum zubilligen wollen.
Rz. 33
3. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich nicht in vollem Umfang als im Ergebnis richtig (im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO). § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII lassen sich normative Vorgaben für die pauschalierende Ermittlung der zu erstattenden Sachkosten entnehmen (a). Diesen Vorgaben genügt die Festlegung der Sachkosten durch die Beklagte auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jedoch nicht vollständig (b). Dies führt zum Teilerfolg der Revision (c).
Rz. 34
a) § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII bestimmt, dass die laufenden Geldleistungen die Erstattung angemessener Kosten umfassen, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen. Die Erstattungsfähigkeit setzt also einerseits voraus, dass es sich dem normativen Begriff nach um relevante Sachkosten handelt, die als Aufwand der Tagespflegepersonen anzusehen sind. Diese müssen zudem inhaltlich als angemessen anzusehen sein.
Rz. 35
aa) Die den Tagespflegepersonen zu erstattenden Kosten des Sachaufwands teilen als Bestandteil der laufenden Geldleistungen deren in § 23 Abs. 1 SGB VIII normierten funktionalen Bezug zu der Förderung der Kindertagespflege und beziehen sich daher auf den hierdurch entstehenden Aufwand. Dieser wird inhaltlich bestimmt durch den in § 22 Abs. 3 SGB VIII normierten Förderauftrag der Kindertagespflege, der Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes umfasst und sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes bezieht. Erstattungsfähige Sachkosten sind demzufolge Kosten derjenigen Sachmittel, die einen Bezug zur Erfüllung des Förderauftrags nach § 22 SGB VIII haben, weil sie hierfür geeignet sind und der Tagespflegeperson im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII entstehen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Tagespflegeperson anderenfalls die wirtschaftliche Last für die aufgewendeten und angemessenen Sachmittel zu tragen hätte; sie soll diese weder aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen noch zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII decken müssen.
Rz. 36
bb) Inhaltlich angemessen sind Kosten des Sachaufwands, wenn sie gemessen an den örtlichen Verhältnissen üblicherweise für einen in der Kindertagespflege typischen Standard anfallen und auch der Höhe nach marktüblich sind. Dies ergibt eine Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Norm.
Rz. 37
Mit Blick auf den Aufbau der Vorschrift lässt sich bereits aus der Wortstellung entnehmen, dass sich das Angemessenheitserfordernis als gewissermaßen vor die Klammer gezogener Begriff sowohl auf die jeweilige Sachaufwendung als auch auf die Angemessenheit der betragsmäßigen Erstattungshöhe bezieht. Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit des Sachaufwands für die Kindertagespflege ist also seine Angemessenheit dem Grunde wie auch der Kostenhöhe nach. Den Gesetzesmotiven lässt sich zudem entnehmen, dass das Angemessenheitserfordernis eine ortsbezogene, d. h. auf den Zuständigkeitsbereich der die Geldleistungen festlegenden Stelle orientierte Betrachtung beinhaltet. Dies ergibt sich namentlich daraus, dass der Gesetzgeber deshalb von einer eigenen (bundeseinheitlichen) Festsetzung der laufenden Geldleistungen in pauschalierter Form - auch hinsichtlich ihres Sachkostenanteils - abgesehen hat, weil er es für erforderlich gehalten hat, dass die Geldleistungen unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen (vgl. BT-Drs. 15/3676, S. 33).
Rz. 38
Hinsichtlich der Anforderungen an die Ermittlung des dem Grunde nach angemessenen Sachaufwands ist der systematische Zusammenhang zu dem in § 22 Abs. 3 SGB VIII formulierten Förderauftrag in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist, welcher Sachaufwand hinsichtlich Umfang und Qualität zur Erfüllung dieser gesetzlich geforderten Aufgaben erforderlich und insofern im Sinne eines Bedarfs üblich ist. Abzustellen ist demgemäß auf den Bedarf an Sachmitteln, welcher eine sachgerechte Erfüllung des gesetzlichen Standards ermöglicht. Bezüglich der Ermittlung des der Kostenhöhe nach angemessenen Sachaufwands ergeben sich Anforderungen zunächst aus dem Sinn und Zweck der Regelung, die gewährleisten will, dass die Tagespflegeperson den zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Sachaufwand weder aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen, noch zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII zu bestreiten hat. Bezogen hierauf muss der Erstattungsbetrag nicht nur auskömmlich, sondern auch insoweit in realitätsgerechter Weise, also unter Anwendung eines "Wirklichkeitsmaßstabs", als üblicherweise anfallender Aufwand ermittelt worden sein (vgl. Rixen, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB VIII, Stand 1. August 2022, § 23 Rn. 24). Hinsichtlich der (Markt-)Üblichkeit in diesem Sinne ergeben sich weitere Anforderungen aus dem Ortsbezug der Höhe der Geldleistungen, d. h. abzustellen ist darauf, was im Zuständigkeitsbereich der festlegenden Stelle insoweit (orts-)üblich ist.
Rz. 39
cc) Jenseits dieser allgemeinen Maßstäbe enthält das Bundesrecht allerdings keine Vorgaben darüber, wie die angemessenen Sachkosten von der zuständigen Stelle zu ermitteln sind. Eine bestimmte Ermittlungsmethode schreibt das Gesetz nicht vor. Die gewählte Methode muss aber im Einzelfall geeignet sein, die entsprechenden Bedarfe und ihre Kosten realitätsgerecht und ortsbezogen zu erfassen.
Rz. 40
Wegen des notwendigen Ortsbezugs der Höhe der Geldleistungen darf die zuständige Stelle ihrer Entscheidung insbesondere nicht unbesehen den von der Finanzverwaltung ohne weitere Prüfung als Betriebskostenpauschale anerkannten Betrag in Höhe von 300 € pro Kind und Monat (Rundschreiben des BMF vom 11. November 2016 - BStBl. I 2016, S. 1236 - bzw. vom 17. Dezember 2007 - BStBl. I 2008, S. 17 -) zugrunde legen. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass in der Gesetzesbegründung auf die im Besteuerungsverfahren angesetzte Betriebskostenpauschale verwiesen wird. Denn dabei handelt es sich zum einen - wie bereits oben dargelegt - um eine rein referierende Beschreibung der Praxis der Finanzverwaltung (vgl. BT-Drs. 16/9299, S. 14), die sich zudem auf steuerlichen Zwecken dienende Praktikabilitätserwägungen (Vereinfachungsgründe) stützt. Zum anderen erfolgte die Bezugnahme zur Abschätzung der finanziellen Lasten des Ausbaus der Betreuungsangebote (vgl. BT-Drs. 16/9299, S. 22), für die andere Anknüpfungspunkte als die Betriebskostenpauschale offensichtlich nicht zur Verfügung standen. Den Materialien ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber damit in irgendeiner Art eine Vorfestlegung über die Höhe des angemessenen Sachaufwands hat treffen wollen. Deswegen kann zum einen nicht darauf geschlossen werden, eine Festlegung der zu erstattenden Sachkosten, welche die Höhe der steuerlichen Betriebskostenpauschale erreicht oder überschreitet, sei stets unbedenklich. Zum anderen verbietet sich die Annahme, allein die Unterschreitung dieser Pauschale führe von Rechts wegen zur Unzulänglichkeit einer Sachkostenpauschale (i. S. v. § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Maßgeblich ist vielmehr, ob der angemessene Sachaufwand unter Berücksichtigung der gesetzlichen Maßstäbe zutreffend ermittelt worden ist.
Rz. 41
Soweit der für die Festlegung zuständigen Stelle eine präzise Ermittlung der angemessenen Bedarfe und Kosten angesichts der Vielfalt der zu berücksichtigenden Verhältnisse praktisch nicht möglich ist, ist sie zu vereinfachenden Sachverhaltsbetrachtungen und Typisierungen berechtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1992 - 5 C 28.89 - Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 28 S. 30 und Beschluss vom 7. April 1995 - 5 B 36.94 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 13 S. 2). Sie darf etwa typische Standards anhand von Werten bestimmen, die vom Jugendhilfeträger in Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen (z. B. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII) festgelegt werden. Grundsätzlich zulässig ist es auch, wenn Standards des Ausstattungsbedarfs bei Kindertagespflegepersonen unter Rückgriff auf diejenigen in Kindertageseinrichtungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ermittelt werden, weil damit grundsätzlich der Umfang und die Qualität des Aufwands zur Erfüllung der gesetzlich geforderten Aufgaben realitätsgerecht und auch ortsbezogen beschrieben werden können. Dies gilt im Ansatz auch in Bezug auf die Ermittlung der hierfür anzusetzenden üblichen Kosten, sofern eine hinreichende Vergleichbarkeit der Sache nach gegeben ist (vgl. VG Leipzig, Urteil vom 21. April 2016 - 5 K 634/15 - juris Rn. 88). In gleicher Weise ist es grundsätzlich bedenkenfrei, wenn die Höhe von Raumkosten anhand von Durchschnittswerten aus Miet- bzw. Nebenkostenspiegeln ermittelt wird. Ebenso darf sich die zuständige Stelle empirischer Betrachtungen bedienen, um sowohl Bedarfe und deren Standards wie auch Kostenhöhen zu ermitteln.
Rz. 42
Die auf diese Weise ermittelten angemessenen Kosten dürfen aufgrund der in § 23 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Satz 1 SGB VIII enthaltenen Befugnis auch für alle Kindertagespflegepersonen im jeweiligen örtlichen Bereich einheitlich als Teil eines Pauschalbetrags erstattet werden. Es kommt in diesem Fall im Rahmen der Festlegung der angemessenen Geldleistung auch nicht darauf an, ob ein als angemessen anzusehender Sachaufwand jeder einzelnen Tagespflegeperson tatsächlich überhaupt oder der Höhe nach entstanden ist, oder ob eine Tagespflegeperson einen höheren Sachaufwand geltend macht.
Rz. 43
b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf der Grundlage der von diesem festgestellten Tatsachen zwar weitgehend, aber nicht vollständig als richtig.
Rz. 44
aa) Da auch der Festlegung der Sachkostenerstattung kalkulatorische Annahmen zugrunde liegen, ist es in aller Regel nicht zu beanstanden, wenn auch ihre Kalkulation - wie im Fall des Anerkennungsbetrages - im gerichtlichen Verfahren in sachgerechter Weise nur insoweit überprüft wird, als substantiierte Einwände dagegen erhoben worden sind. Unbeschadet dessen erstreckt sich die Prüfung aber gleichwohl in jedem Fall darauf, ob die Festlegung in grundlegender Hinsicht an augenscheinlichen Mängeln leidet.
Rz. 45
Die Beklagte kalkuliert nach Nr. 4.7.2 der angewendeten Richtlinie die angemessenen Sachkosten anhand eines Kalkulationsschemas, nach dem Tagespflegepersonen im Fall der Betreuung im eigenen Wohnraum pro Kindertagespflegeplatz einen Pauschalsatz von 112,33 € (Sachkostenpauschale I) und im Fall der Betreuung in angemieteten Räumen von 135,12 € (Sachkostenpauschale II) erhalten. Der letztgenannte Satz hat der Festsetzung im Fall des Klägers zugrunde gelegen.
Rz. 46
Den diesbezüglichen kalkulatorischen Annahmen setzt der Kläger nur noch zwei Rügen entgegen.
Rz. 47
(1) Er rügt zunächst, das Oberverwaltungsgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die von der Beklagten gewährte Sachkostenerstattung sogar höher sei als die von der Finanzverwaltung angesetzte Betriebskostenpauschale, weil es beide Pauschalsätze zusammengerechnet und auch nicht die monatlichen, sondern den Gesamtbetrag der jährlichen Fortbildungs- und Berufsunfähigkeitsversicherungskosten (100 € bzw. 119 €) hinzugesetzt habe. Tatsächlich werde die steuerliche Pauschale um fast 50 % unterschritten. Der gerügte Fehler ist dem Oberverwaltungsgericht zwar augenscheinlich tatsächlich unterlaufen. Er ist aber unerheblich, weil es nach den obigen Darlegungen nicht darauf ankommt, ob und in welcher Höhe eine festgelegte Sachkostenpauschale unterhalb der von der Finanzverwaltung angewendeten Betriebsausgabenpauschale liegt, solange sie im Übrigen zutreffend kalkuliert ist.
Rz. 48
(2) Zum anderen rügt der Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe die Vergütung der Reinigungszeiten mit dem Mindestlohn zu Unrecht für angemessen gehalten. Er begehre eine höhere Sachkostenerstattung, damit er die Reinigung der für die Tagespflege genutzten Räumlichkeiten an einen Reinigungsdienst vergeben könne. Auch diese Rüge greift nicht durch.
Rz. 49
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe bei der Kalkulation darauf abgestellt, dass nur ein geringer Bruchteil der Tagespflegepersonen bei der Reinigung der zur Tagespflege genutzten (Gruppen-)Räume auf einen Reinigungsdienst zurückgreife. Auf der Grundlage dieser nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Tatsachenfeststellung der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist der Ansatz nur des Mindestlohns für die Reinigungstätigkeit nicht zu beanstanden. Denn danach entstehen jedenfalls im Zuständigkeitsbereich der Beklagten Fremdleistungskosten üblicherweise nicht, weil die Reinigung weitestgehend in Eigenleistung durch die Kindertagespflegepersonen durchgeführt wird und auch tatsächlich durchgeführt werden kann. Daher mussten jedenfalls Fremdleistungen in der Pauschale auch nicht berücksichtigt werden.
Rz. 50
bb) Im Übrigen liegen augenscheinliche Mängel - bis auf eine Ausnahme - nicht vor.
Rz. 51
(1) Die von der Beklagten verwendete Kostenkalkulation geht in realitätsgerechter Weise davon aus, dass sich die Flächenbedarfe der für die Kindertagespflege genutzten Räume und damit die anzusetzenden Kosten in relevanter Weise danach unterscheiden, ob die Räumlichkeiten ausschließlich für diesen Zweck oder (auch) durch die Tagespflegeperson privat genutzt werden (Doppelnutzung). Sodann werden die hinsichtlich der Räume maßgeblichen Kostensätze anhand von typisierten Durchschnittsmieten unter Rückgriff auf den Mietspiegel ermittelt. Ähnliches gilt für die Ansätze der Nebenkosten, wobei hinsichtlich der Stromkosten auf durchschnittliche Verbrauchswerte nach dem Stromspiegel und im Übrigen auf die Strompreise im Zuständigkeitsbereich der Beklagten abgestellt wurde. Soweit hiermit auf eine weitergehende Sachverhaltsermittlung bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse der Gruppe der Tagespflegepersonen verzichtet wird, ist dies nachvollziehbar, weil angesichts der kleinen Vergleichsgruppe und der wechselnden Verhältnisse etwa eine empirische Betrachtung kaum ein realistisches Bild des "Normalfalls" hätte liefern können. Die Bedarfsgrößen und Kosten des Hygienebedarfs setzt die Beklagte anhand von Erfahrungs- und Schätzwerten an; Bezugspunkt ist damit erkennbar der tatsächliche "Normalfall". Dies gilt auch für Spiel- und vergleichbare Verbrauchsmaterialien sowie die Ausstattung hinsichtlich derer von Erfahrungswerten und Vergleichen mit Kindertageseinrichtungen ausgegangen wird, wobei die Ausstattungskosten - ohne dass dies zu beanstanden wäre - nur mit dem Abschreibungsbetrag angesetzt werden. Schönheitsreparaturen werden - auf fünf Jahre umgerechnet - anhand von ermittelten Handwerkerpreisen berücksichtigt. Verwaltungskosten werden ausgehend von Vergleichskosten in Kindertagesstätten angesetzt, wobei sie wegen der geringeren Zahl der Kinder erhöht werden.
Rz. 52
(2) Berücksichtigt werden muss allerdings, dass das Oberverwaltungsgericht selbst hinsichtlich der näheren Berechnung der Stromkosten einen Kalkulationsfehler der Beklagten festgestellt hat, der zu einem zu niedrigen Ansatz in Höhe von etwa 1,50 € pro Monat und Kind führt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts sind als Tatsachenfeststellungen für den Senat bindend. Die Beklagte hat diesen Fehler in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Übrigen auch eingeräumt und erklärt, dass sie die Berechnung der Stromkosten inzwischen entsprechend angepasst habe. Damit steht aber auch fest, dass der von der Beklagten angenommene Sachkostensatz insoweit den Anspruch des Klägers aus § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII im streitgegenständlichen Zeitraum auf eine ortsbezogene und den Normalfall treffende und damit angemessene Sachkostenerstattung verfehlt.
Rz. 53
c) Hinsichtlich dieses Kalkulationsfehlers ist das Neubescheidungsbegehren des Klägers demgemäß begründet. Der Fehler ist nicht, wie das Oberverwaltungsgericht gemeint hat, deshalb unerheblich, weil hierdurch die gesamte monatliche Sachkostenerstattung nur um etwa 1,50 € erhöht würde. Das Gesetz selbst sieht keine Fehlertoleranzschwelle vor, unterhalb derer ein Verfehlen der gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Sachkostenermittlung unerheblich wäre. Eine solche gesetzliche Regelung ist auch nicht mit Blick auf ein etwaiges normatives Ermessen entbehrlich. Denn bezüglich der Ermittlung des Sachaufwands ist der Beklagten weder eine Normsetzungskompetenz eingeräumt, noch geht es um die bloße Beanstandung einer Prognoseabweichung. Etwas anderes könnte vor diesem Hintergrund ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG nur dann zum Nachteil des Betroffenen gelten, wenn der Behörde ein Beurteilungsspielraum zustünde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2019 - 9 CN 1.18 - BVerwGE 167, 117 Rn. 23 ff.). Das ist aber gerade nicht der Fall.
Rz. 54
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO, an dessen Anwendung auf Streitigkeiten der vorliegenden Art der Senat - mangels Eingreifens der Ausnahmeregelung des § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO - festhält.
Fundstellen
Haufe-Index 15671154 |
BVerwGE 2023, 134 |
NVwZ-RR 2023, 1034 |
NVwZ-RR 2023, 5 |
DÖV 2023, 607 |
JZ 2023, 309 |
LKV 2023, 78 |
NDV-RD 2023, 87 |
VR 2023, 251 |
BayVBl. 2023, 3 |
Jugendhilfe 2023, 349 |
KommJur 2023, 6 |
KiTa aktuell Recht 2023, 16 |
SächsVBl. 2024, 17 |