Entscheidungsstichwort (Thema)
Dolmetscherkosten als Teil der Krankenhilfe im Sozialhilferecht. Krankenhilfe, Übernahme von Kosten sprachlicher Hilfeleistungen im Sozialhilferecht. Sozialhilfe, Übernahme von Kosten sprachlicher Hilfeleistungen als Teil der Krankenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Krankenhilfe nach § 37 BSHG umfaßt auch die Übernahme von Kosten sprachlicher Hilfeleistungen durch eine Begleitperson (“Dolmetscherkosten”), wenn und soweit der Anspruch auf Krankenhilfe ohne sprachliche Hilfestellung nicht erfüllt werden kann.
Normenkette
BSHG (F. 1987) § 2 Abs. 1; BSHG (F. 1987) § 11; BSHG (F. 1987) § 12; BSHG (F. 1987) § 37; BSHG (F. 1987) § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; BSHG (F. 1987) § 120 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 08.02.1995; Aktenzeichen 4 L 1036/93) |
VG Stade (Entscheidung vom 08.12.1992; Aktenzeichen 4 A 283/91) |
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Februar 1995 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die 1963 geborene Klägerin ist polnischer Staatsangehörigkeit und erhielt nach Stellung eines Asylantrages im Sommer 1988 vom beklagten Landkreis laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Oktober 1990 heiratete sie Herrn S…, der in H… wohnte.
Seit November 1988 wurde die Klägerin in H… fachärztlich behandelt, und zwar zunächst von einem Arzt für innere Medizin und Endokrinologie und seit März 1989 auch von einem Arzt für Neurologie. Unter dem 28. Februar 1991 beantragte sie bei dem Beklagten unter Vorlage einer “Rechnung” ihres Ehemannes vom 25. Februar 1991 und unter “Bezug auf fernmündliche Absprache vom Oktober 1988” die Übernahme von Aufwendungen (1 450 DM) für Dolmetscherdienste, die ihr Herr S…, ihr späterer Ehemann, bei 29 Arztterminen zwischen November 1988 und August 1990 geleistet habe. Die Dauer jedes Arzttermins wurde mit zwei Stunden angegeben, für jede Stunde wurden 25 DM berechnet. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 6. März 1991 ab, weil der geltend gemachte Bedarf nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehöre. Eine Absprache hinsichtlich der Dolmetscherkosten sei nicht getroffen worden.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Verpflichtungsklage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, Diagnose und Behandlung durch die beiden Fachärzte wären ohne Hilfe eines Dolmetschers unmöglich gewesen; sie habe zu jener Zeit weder Deutsch noch Englisch gesprochen. Eine unentgeltliche Übernahme der Dolmetschertätigkeit habe von Herrn S… nicht erwartet werden können. Die Klage ist im ersten und zweiten Rechtszug erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im wesentlichen ausgeführt:
Eine mündliche “Vorweg”-Bewilligung der begehrten Beihilfe oder eine rechtswirksame Zusicherung der späteren Kostenübernahme durch den Beklagten scheide aus. Aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ergebe sich auch nichts dafür, daß dieser selbst vor Eingang des Antrages vom 28. Februar 1991 Kenntnis von den konkreten Erkrankungen der Klägerin, ihrer Behandlungsbedürftigkeit und insbesondere davon gehabt habe, daß die Klägerin stets in Begleitung ihres späteren Ehemannes bei den sie behandelnden Ärzten erschienen sei. Ob die von der Klägerin benannte Bedienstete ihrer Wohnortgemeinde konkret gewußt habe, für welchen Sachverhalt die Klägerin die Tätigkeit eines Dolmetschers vorweg für erforderlich gehalten habe, sei bisher nicht geklärt. Selbst wenn sich in einer Beweisaufnahme herausstellen würde, daß die Bedienstete hiervon Kenntnis gehabt habe, und der Beklagte sich diese Kenntnis aus Rechtsgründen als eigene hätte zurechnen lassen müssen, wäre der Klageanspruch doch schon dem Grunde nach nicht gegeben. Es sei im Regelfalle nicht Aufgabe der Sozialhilfe, im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder auch der vorbeugenden Gesundheitshilfe oder Krankenhilfe dafür zu sorgen, daß jedem hier lebenden Ausländer, der die deutsche Sprache nicht (hinreichend) beherrsche, ein gegen Entgelt arbeitender Dolmetscher beigegeben werden könne. Ob in einem Ausnahmefall, etwa bei Vorliegen einer schweren, aktuell lebensbedrohlichen Erkrankung und deshalb besonders eilbedürftigen ärztlichen Behandlung, etwas anderes zu gelten hätte, könne offenbleiben; denn dafür, daß ein solcher Ausnahmefall vorgelegen haben könnte, sei dem Vorbringen der Klägerin nichts zu entnehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Verpflichtungsbegehren weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung von §§ 11, 12, 36 und 37 BSHG sowie Verfahrensmängel.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt vertritt die Ansicht, daß einem ausländischen Sozialhilfeempfänger, der Krankenhilfe erhalte, kein Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu Arztbesuchen zustehe, es sei denn, die Umstände des Einzelfalles ließen die Hinzuziehung als unabweisbar notwendig erscheinen. Dies könne bei aktuell lebensbedrohlichen Erkrankungen der Fall sein. Ein Anspruch auf Übernahme von Dolmetscherkosten ergebe sich (im übrigen) weder aus den §§ 11, 12 BSHG noch aus den §§ 36, 37 BSHG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil ist mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht vereinbar. Da eine abschließende Entscheidung über die Klage noch tatsächliche Feststellungen erfordert, die zu treffen dem Revisionsgericht verwehrt ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Als Rechtsgrundlage des von der Klägerin verfolgten Anspruchs kommt hier allein § 37 BSHG in Betracht. Als asylsuchender Ausländerin konnte der Klägerin in dem Zeitraum, für den die hier umstrittenen Dolmetscherkosten geltend gemacht werden, auf der Grundlage von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1987 (BGBl I S. 401) Krankenhilfe nach § 37 BSHG gewährt werden.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 BSHG umfaßt Krankenhilfe ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandmitteln und Zahnersatz, Krankenhausbehandlung sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen. Zu den sonstigen Leistungen im Sinne dieser Vorschrift kann in Fällen, in denen der Hilfesuchende der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, die Übernahme von Kosten sprachlicher Hilfeleistungen durch eine Begleitperson (“Dolmetscherkosten”) gehören, wenn und soweit der Anspruch auf Krankenhilfe ohne sprachliche Hilfestellung nicht erfüllt werden kann. Besteht ein Rechtsanspruch auf Krankenhilfe nach § 37 BSHG oder wird Krankenhilfe auf der Grundlage von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BSHG als Ermessensleistung gewährt, dürfen mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache auf seiten des Hilfesuchenden nicht zu einer Verkürzung der für die Krankenbehandlung notwendigen Hilfeleistungen führen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es Fälle gibt, in denen das Vorliegen einer Erkrankung oder ihr Schweregrad ohne Einsatz eines Sprachmittlers nicht festgestellt werden können. Mit den Aufgaben der Krankenhilfe wäre es deshalb nicht vereinbar, die Übernahme von Kosten einer Sprachvermittlung von vornherein auf Ausnahmefälle wie die einer schweren, akut lebensbedrohlichen Erkrankung zu beschränken.
Sprachliche Hilfeleistungen aus Gründen der Krankenhilfe fallen demgemäß nicht in den Leistungsrahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 11, 12 BSHG. Denn solche Leistungen haben ihren Ursprung in der besonderen Lebenslage “Krankheit” und werden dem Grunde wie der Höhe nach durch die Erfordernisse einer rechtzeitigen und wirksamen Krankenhilfe geprägt. Dieser enge funktionale Bezug rechtfertigt es, die Kosten einer für die Krankenbehandlung notwendigen Sprachvermittlung dem Leistungsrahmen der Krankenhilfe als einer Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzuordnen (zur funktionalen Betrachtungsweise bei der Übernahme notwendiger Beförderungskosten als Maßnahme der Eingliederungshilfe vgl. Senatsurteil vom 10. September 1992 – BVerwG 5 C 7.87 – ≪Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 8 m.w.N.≫).
Ob und in welchem Umfang sprachliche Hilfeleistungen bei ambulanter (oder stationärer) ärztlicher Behandlung für eine wirksame Krankenhilfe erforderlich sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich und ggf. vom Sozialhilfeträger zu ermitteln ist zunächst, ob und inwieweit sich der Hilfesuchende in der deutschen oder auch einer anderen Sprache mit dem Arzt verständigen, d.h. ihn verstehen und sich ihm gegenüber verständlich machen kann. Weiterhin kommt es darauf an, wie intensiv die mündliche Verständigung mit dem Hilfesuchenden sein muß, um eine effektive Krankenhilfe zu gewährleisten. Dieses Kommunikationserfordernis kann je nach Art und Schwere der Erkrankung, aber auch nach der Art der ärztlichen Behandlung und ihren einzelnen Abschnitten (Aufnahme der Krankengeschichte, Diagnose, Therapie) unterschiedlich sein.
Von der Frage, ob und in welchem Umfang im Rahmen der Krankenhilfe nach § 37 BSHG sprachliche Hilfeleistungen erforderlich sind, ist die weitere Frage zu unterscheiden, ob und in welcher Höhe der Sozialhilfeträger Kosten einer solchen Hilfestellung als Krankenhilfe zu übernehmen hat. Sprachmittlerdienste aus Gründen der Krankenhilfe sind nicht notwendig mit Kosten verbunden. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß ein Hilfesuchender zur Verständigung mit dem Arzt in aller Regel eine Person seines Vertrauens aus dem Kreise seiner Angehörigen oder ihm sonst Nahestehender (Freunde, Nachbarn) auswählen wird. Kommunikationshilfe, die aus zwischenmenschlicher Verbundenheit und Hilfsbereitschaft erbracht wird, ist mit der nach Stunden- oder Tagessätzen zu entlohnenden Tätigkeit eines Berufsdolmetschers nicht vergleichbar und nicht wie diese als gewerbliche Tätigkeit zu entgelten. Solche Hilfe wird typischerweise unentgeltlich erbracht, kann jedoch im Einzelfall mit besonderen Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten, Mehraufwendungen für Verpflegung, Kosten für die zeitweise Unterbringung von Kindern) für die als Sprachmittler dienende Begleitperson verbunden sein, die zu tragen die Begleitperson nicht willens oder finanziell nicht in der Lage ist. Angemessene Aufwendungen dieser Art können, wenn der Hilfesuchende auf die sprachliche Hilfestellung der Begleitperson angewiesen ist, vom Anspruch auf Krankenhilfe mitumfaßt sein.
Der in § 2 Abs. 1 BSHG normierte Nachrang der Sozialhilfe verweist den Hilfesuchenden aber darauf, die Möglichkeiten einer unentgeltlichen Sprachvermittlung insbesondere durch Verwandte, Freunde oder sonst Nahestehende auszuschöpfen, bevor er die Hilfe eines Berufsdolmetschers sucht, dessen Dienste zu vergüten sind, und die Übernahme dieser Vergütung vom Sozialhilfeträger beansprucht. Die Hinzuziehung eines Berufsdolmetschers wird sich daher auf die Ausnahmefälle beschränken, in denen unentgeltliche sprachliche Hilfeleistungen nicht oder nicht rechtzeitig erlangt werden können und auch der Sozialhilfeträger – ggf. in Zusammenarbeit mit einem Träger der freien Wohlfahrtspflege – nicht in der Lage ist, dem Hilfesuchenden eine zur sprachlichen Hilfestellung ohne Entgelt (Vergütung) bereite und geeignete Begleitperson zu vermitteln.
Kosten der sprachlichen Hilfestellung fallen aus dem Leistungsrahmen der Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht deshalb heraus, weil nach § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG die Leistungen der Krankenhilfe in der Regel den Leistungen entsprechen sollen, die nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung gewährt werden. Das Bundessozialgericht hat zwar mit Urteil vom 10. Mai 1995 – 1 RK 20/94 – (MDR 1995, 1045) entschieden, daß Versicherte dann, wenn eine Verständigung zwischen ihnen und dem Arzt nicht möglich ist, nicht verlangen können, daß auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen zur ambulanten Untersuchung oder Behandlung ein Dolmetscher (in jenem Fall: Gebärdendolmetscher) hinzugezogen wird. Nach diesem Urteil erstrecken sich die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf die Kosten der für eine ärztliche Behandlung erforderlichen sprachlichen Hilfestellung. Das steht der Übernahme solcher Kosten im Rahmen von § 37 BSHG jedoch nicht entgegen.
Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG eine Begrenzung des Leistungsumfangs der Krankenhilfe dahin, daß diese nur in der Höhe gewährt werden kann, in der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen, nicht zu entnehmen (BVerwGE 92, 336 zu von der Krankenkasse nicht getragenen Restkosten des Zahnersatzes; BVerwGE 94, 211 zur Eigenbeteiligung des Versicherten an den Kosten der Krankenhausbehandlung). Während in der gesetzlichen Krankenversicherung Teilleistungen und damit ein dem Versicherten verbleibender Eigenanteil gerechtfertigt sein mögen, ist im Sozialhilferecht die Hilfeleistung so zu bemessen, daß der Hilfebedürftige seinen notwendigen Bedarf tatsächlich in vollem Umfang befriedigen kann. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, durch die dieser Bedarf nicht in voller Höhe gedeckt wird, können deshalb zwar – im Hinblick auf den Vorrang dieser Leistungen (§ 2 Abs. 2 BSHG) – zur Kürzung, nicht aber zum gänzlichen Wegfall der Sozialhilfe führen (BVerwGE 92, 336 ≪337≫; 94, 211 ≪213≫; vgl. auch BVerwGE 79, 356 ≪360≫ zu § 36 Abs. 2 Satz 2 BSHG). Anders als bei den von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommenen, vom Versicherten als Eigenanteil zu tragenden Restkosten einer ärztlichen Behandlung stellt sich zwar im Hinblick auf die Kosten einer Sprachvermittlung die Frage, ob die sozialhilferechtliche Krankenhilfe auch einen Bedarf deckt, der als solcher, also seiner Art und nicht bloß seinem finanziellen Umfang nach, in der gesetzlichen Krankenversicherung ungedeckt bleibt. Der im Sozialhilferecht geltende Grundsatz, die Hilfeleistung so zu bemessen, daß der Hilfebedürftige seinen notwendigen Bedarf tatsächlich in vollem Umfang befriedigen kann, gebietet jedoch auch, die mit der Krankenhilfe im Einzelfall notwendig verbundenen Kosten sprachlicher Hilfestellung in den Leistungsrahmen des § 37 Abs. 1 BSHG einzubeziehen.
Zur Begründung dieses Ergebnisses ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß die Leistungen der Krankenhilfe nach § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG “in der Regel” den Leistungen nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung entsprechen “sollen”. Der Gesetzgeber ist bei dieser durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1523) eingefügten Regelung davon ausgegangen, “daß der Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für den Regelfall jeden krankheitsbedingten Bedarf deckt, soweit er unter Berücksichtigung auch der Grundprinzipien für den Einsatz öffentlicher Mittel anerkannt werden kann” (vgl. die Begründung zum Entwurf eines 2. Haushaltsstrukturgesetzes, BTDrucks 9/842 S. 89 zu Nr. 27). Eine Notwendigkeit, im Rahmen der Sozialhilfe darüber hinausgehende Leistungen vorzusehen, bestehe deshalb grundsätzlich nicht. Die gleichwohl vorgesehene Einschränkung durch die Worte “in der Regel” solle dem in der Sozialhilfe geltenden Individualisierungsgrundsatz Rechnung tragen und die Möglichkeit offenhalten, in Fällen mit Ausnahmecharakter weitergehende Leistungen als die gesetzliche Krankenkasse zu gewähren. Als Ausnahmeleistung in diesem Sinne kann auch die Übernahme von Kosten einer Sprachvermittlung angesehen werden, wenn und soweit Krankenhilfe eine derartige Hilfestellung erfordert. Die Ausnahmelage besteht hier darin, daß der Hilfesuchende sich selbst – abweichend vom Regelfall – nicht in der gebotenen Weise mit dem Arzt in deutscher (oder einer anderen Sprache) verständigen kann.
Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht ermittelt, ob der Klägerin vom Beklagten Krankenhilfe für die durchgeführte fachärztliche Behandlung in H… gewährt wurde, ob und ggf. in welchem Umfang diese Behandlung eine sprachliche Hilfestellung erforderte, ob und ggf. in welcher Höhe die sprachliche Hilfestellung durch Herrn S… mit einem sozialhilferechtlich anzuerkennenden Kostenaufwand verbunden war und ob der Beklagte – möglicherweise über die von der Klägerin benannte Gemeindebedienstete – vor Beginn der Behandlung Kenntnis (vgl. § 5 BSHG) von der Notwendigkeit der von Herrn S… erbrachten sprachlichen Hilfeleistungen gehabt hat. Da dem Revisionsgericht Ermittlungen in dieser Richtung verwehrt sind, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Den von der Revision erhobenen Verfahrensrügen braucht der Senat nicht nachzugehen, da die Klägerin mit ihnen keine für sie günstigere Entscheidung erreichen könnte.
Unterschriften
Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Rojahn, Dr. Franke
Fundstellen
Haufe-Index 1622100 |
NJW 1996, 3092 |
BVerwGE, 257 |
DVBl. 1996, 869 |