Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung von Kindergärten der freien Jugendhilfe. Jugendhilfe, Förderung von Kindergärten der freien –. Kindergärten, Förderung von – der freien Jugendhilfe. Zuständigkeit für die Förderung von Kindergärten der freien Jugendhilfe
Leitsatz (amtlich)
Zuständig ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für eine Förderung von Kindergartenplätzen in einem außerhalb seines Gebietes gelegenen Kindergarten dann, wenn er damit den Kindern aus seinem Gebiet, die ihm gegenüber einen Anspruch auf Besuch eines Kindergartens haben, ausreichend Kindergartenplätze anbieten kann (wie BVerwG vom 25. April 2002 – BVerwG 5 C 18.01 – zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen).
Normenkette
SGB VIII § 22; SGB VIII 24; SGB VIII 74; SGB VIII 79; SGB VIII 80
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 17.05.2000; Aktenzeichen 4 L 869/00) |
VG Hannover (Urteil vom 14.10.1999; Aktenzeichen 9 A 2738/98) |
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt für seinen in der Landeshauptstadt H. gelegenen Kindergarten mit Rücksicht auf die dort betreuten Kinder aus dem Gebiet des ursprünglich beklagten Landkreises H. von der Beklagten als dessen Rechtsnachfolgerin einen Betriebskostenzuschuss für das Kindergartenjahr 1996/97 in Höhe von 92 082,00 DM.
Mit Bescheid vom 23. September 1997 lehnte der Landkreis H. den Zuschussantrag des Klägers ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Landkreis H. mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 1998 mit der Begründung zurück, ein Anspruch auf Förderung bestehe nicht, weil der Kindergarten des Klägers weder in den Kindertagesstättenplan aufgenommen noch zur Bedarfsdeckung erforderlich sei.
Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung des Klägers den Landkreis H. verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Förderung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Haushaltsvorbehalt des § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII berechtige den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht, Mittel für die Förderung freier Träger überhaupt nicht in seinen Haushaltsplan einzustellen. Vielmehr habe er die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung und solle gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stünden. Die Förderungsentscheidung nach § 74 SGB VIII setze eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraus. Liege eine solche aber vor, so sei diese bei der Förderung zu beachten. Bei der Förderung eines freien Trägers, dessen Einrichtung in den Bedarfsplan aufgenommen sei, sei das Ermessen dahin gehend reduziert, dass eine Förderung erfolgen müsse. Ob der Kindergarten des Klägers im Jugendhilfeplan des Landkreises H. aufgenommen gewesen sei, könne offen bleiben. Denn jedenfalls hätte er dort aufgenommen werden müssen. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII hätten die Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen. Schließlich sollten die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 80 Abs. 4 SGB VIII darauf achten, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt würden. Für die Versorgung mit Kindertagesstätten werde dieses Gebot nicht durch die Bestimmungen in § 12 des Niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder aufgehoben. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei zwar nur für die Kinder mit gesetzlichem Anspruch auf einen Kindergartenplatz verantwortlich, die in seinem Gebiet ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Er sei es aber auch dann, wenn sie eine Tageseinrichtung außerhalb seines Gebiets besuchten, weil diese ortsnäher sei. Die Planungs- und Förderungsverantwortung ende also nicht an der Kreis- oder Stadtgrenze. Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Planung sei jedoch, dass eine Zahl von Kindern in „planbarer Größe” Einrichtungen jenseits der Grenze besuchten. Eine solche „planbare Größe” sei jedenfalls dann gegeben, wenn – wie hier – regelmäßig 20 bis 25 Kinder aus dem Gebiet des einen Trägers eine Einrichtung im Gebiet eines anderen Trägers besuchten. Deshalb könne der Landkreis H. dem Kläger nicht entgegenhalten, er habe die Einrichtung des Klägers nicht in seinem Jugendhilfeplan aufgenommen. Das dem Landkreis H. zustehende Förderungsermessen sei dahin gehend reduziert, dass die beantragte Förderung dem Grunde nach zu gewähren sei. Der Höhe nach sei der Anspruch auf Förderung auf den ausgewiesenen Verlust im Kindergartenjahr 1996/97 in Höhe von 6 006,54 DM begrenzt, denn sonst würde die Förderung über die Deckung entstandener Kosten hinausgehen und zum Entstehen eines Überschusses führen.
Dieses Urteil greifen sowohl der Kläger als auch die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision an.
Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil, soweit es ihm einen Anspruch auf Förderung dem Grunde nach zugesprochen hat, und rügt Verletzung materiellen Rechts, soweit das angegriffene Urteil die Verpflichtung zur Förderung in der Höhe auf den für das Kindergartenjahr 1996/97 verbliebenen Verlust von 6 006,54 DM begrenzt hat. Als zu berücksichtigender Maßstab sei nach § 74 Abs. 5 SGB VIII nicht nur abstrakt die Deckung eines rechnerischen Defizits anzunehmen, sondern der konkrete Aufwand pro Kindergartenplatz anzusetzen, wie er auch als Defizitausgleich für die Betreuung von Kindern in kommunalen Kindertagesstätten aufgewendet werde. Es sei hier sachgerecht, einen Vergleich mit den in der Stadt H. gelegenen Einrichtungen vorzunehmen, welche der Einrichtung des Klägers am nächsten lägen. Dort würden für einen einzelnen Platz in einer Kindertagesstätte (ohne Horte) monatlich 341,66 DM aufgewendet. Rechne man einen fiktiven Mietzuschuss in Höhe von 48 DM pro Platz (orientiert an den Mietzuschüssen in der Landeshauptstadt H.) hinzu, so ergebe sich ein Zuschuss in Höhe von ca. 390 DM. Dagegen sei es nicht gerechtfertigt, den Förderungsbetrag wegen des Einsatzes von Spenden und unentgeltlichen Arbeitsleistungen der Vereinsmitglieder und der Eltern zu kürzen.
Die Beklagte verfolgt mit der Revision den Klagabweisungsantrag weiter: Der Kläger habe keinen Förderungsanspruch nach § 74 SGB VIII. Die Einrichtung des Klägers habe nicht in den Bedarfsplan des Landkreises H. aufgenommen werden müssen. Bei der Bedarfsplanung habe sie – die Beklagte – in erster Linie die Erfüllung des Kindergartenanspruches zu beachten. Dazu müsse sie das vorhandene Angebot feststellen und diesem den anhand der Geburtenstatistik ermittelten Bedarf gegenüberstellen. Bei der Feststellung des Bedarfs sei eine möglichst ortsnahe Versorgung anzustreben. Dies meine eine fußläufige Erreichbarkeit. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn Einrichtungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs bei der Planung nicht berücksichtigt würden. Weiter sei zu beachten, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur für Einrichtungen in seinem Zuständigkeitsbereich die Gesamt- und Planungsverantwortung trage. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Förderung der Einrichtung des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 80 Abs. 4 SGB VIII, der die Abstimmung mit anderen Planungen betreffe. Die Bedarfsfeststellung nach § 6 Nds.KiTaG beziehe sich auf die Gemeinden bzw. geschlossene Ortslagen. Der Jugendhilfeträger könne nicht eine ortsnahe Versorgung sicherstellen und zugleich Einrichtungen mit überregionalem Einzugsbereich finanzieren. Der Kindergarten des Klägers liege bis zu 25 km von den Wohnorten der Kinder entfernt.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das angefochtene Berufungsurteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rubrum musste berichtigt werden. Beklagte ist seit 1. November 2001 die Region H. als Gesamtrechtsnachfolgerin des bisher beklagten Landkreises H. (§§ 2, §85 Abs. 1 Gesetz über die Region H. vom 5. Juni 2001 ≪Nds.GVBl S. 348≫). Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge erfasst auch das vorliegende Prozessrechtsverhältnis und bewirkt einen gesetzlichen Parteiwechsel (§ 173 VwGO in Verbindung mit den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), der keine Klageänderung im Sinne der §§ 91, 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellt und deshalb auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwGE 44, 148 ≪150≫ = Buchholz 310 § 173 VwGO Anh. § 239 ZPO Nr. 1 S. 2; BVerwG, Urteil vom 31.Mai 2001 – 5 C 20.00 – NVwZ-RR 2001, 765).
Die Revision des Klägers ist begründet, weil das Berufungsurteil Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und mangels Entscheidungsreife zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus – deshalb ist die Revision der Beklagten nicht begründet –, dass der Kläger als Träger der freien Jugendhilfe gegen einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Förderungsanspruch nach § 74 SGB VIII haben kann, wenn zwar der Kindergarten, für den Förderung begehrt wird, nicht im Gebiet dieses Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gelegen ist, aber von Kindern aus dessen Gebiet besucht wird. Nach § 74 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe unter bestimmten Voraussetzungen und nach bestimmten Maßgaben fördern. In Bezug auf die in § 74 Abs. 1 SGB VIII genannten Förderungsvoraussetzungen hat das Berufungsgericht – von den Beteiligten nicht bestritten – festgestellt, dass sie erfüllt sind.
Das Achte Buch Sozialgesetzbuch bestimmt nicht ausdrücklich, welcher Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Förderung nach § 74 SGB VIII zuständig ist (siehe dagegen § 85 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4, § 87 a Abs. 2 SGB VIII für die Erlaubnis zum Betrieb eines Kindergartens nach § 45 SGB VIII und § 85 Abs. 1, § 86 SGB VIII für die Erfüllung des Jugendhilfeanspruchs des Kindes auf den Besuch eines Kindergartens nach § 24 SGB VIII). Von einer gesetzlichen Festlegung einer allgemeinen Förderungszuständigkeit nach § 74 SGB VIII ist wohl mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher Maßnahmen, die Gegenstand einer Förderung nach § 74 SGB VIII sein können, abgesehen worden.
§ 74 Abs. 1 SGB VIII umschreibt den Gegenstand der Förderung zunächst allgemein mit „die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe”. Nach § 74 Abs. 1 bis 5 SGB VIII sind Gegenstand der Förderung Maßnahmen der freien Jugendhilfe, die darin bestehen können, dass Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen geschaffen und betrieben bzw. durchgeführt werden.
Abhängig von der konkreten Maßnahme, für die Förderung begehrt wird, ist die Förderungszuständigkeit zu bestimmen.
Die Parteien streiten nicht um eine Förderung für einen Kindergarten als Einheit. Deshalb bedarf keiner Entscheidung, ob für eine solche Förderung unabhängig vom Einzugsbereich des Kindergartens der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig wäre, in dessen Zuständigkeitsbereich der Kindergarten gelegen ist, oder im Hinblick auf den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nach § 24 SGB VIII abhängig vom Einzugsbereich des Kindergartens der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen Gebiet die den Kindergarten besuchenden Kinder leben.
Der Kläger begehrt von der Beklagten nur Förderung für die Kindergartenplätze, die im Kindergartenjahr 1996/97 von Kindern aus dem Landkreis H. besetzt waren. Eine solche Beschränkung auf einzelne Kindergartenplätze ist zulässig, wenn sich die Betriebskosten kindergartenplatzbezogen errechnen lassen. Denn Gegenstand der Förderung nach § 74 SGB VIII ist die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe. Deshalb muss sich eine solche institutionelle Förderung nicht auf den gesamten Kindergarten als Einheit, sondern kann sich auch auf einen in eine Kindergartengruppe eingebundenen, nicht an eine bestimmte Person gebundenen Kindergartenplatz beziehen (z.B. Platz in einer Vormittags-, Nachmittags- oder Ganztagesgruppe; Platz in einem gemeindlichen, kirchlichen, Betriebs- oder wie hier Waldorf-Kindergarten). Für die Möglichkeit einer derart auf Kindergartenplätze bezogenen Förderung spricht auch § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, der bestimmt: „Soweit von der freien Jugendhilfe Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen geschaffen werden, um die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch zu ermöglichen, kann die Förderung von der Bereitschaft abhängig gemacht werden, diese Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen nach Maßgabe der Jugendhilfeplanung und unter Beachtung der in § 9 genannten Grundsätze anzubieten.” Denn daraus ergibt sich, dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Förderung nach § 74 SGB VIII unabhängig vom Standort des Kindergartens dazu nutzen kann, ein ausreichendes Angebot an Kindergartenplätzen für die Kinder aus seinem Gebiet sicherzustellen, um ihnen gegenüber seine Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen zu können. Daraus folgt weiter, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für eine Förderung von Kindergartenplätzen in einem außerhalb seines Gebietes gelegenen Kindergarten dann zuständig ist, wenn er damit Kindern aus seinem Gebiet, die ihm gegenüber einen Anspruch nach § 24 Satz 1 SGB VIII haben, Kindergartenplätze anbieten will. Zuständig ist demnach der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, dem das Angebot im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch die Nutzbarkeit von Kindergartenplätzen zugute kommt.
Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Förderungsentscheidung nach § 74 SGB VIII eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraussetzt. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats: Liegt eine solche Planung vor, ist diese bei der Förderung nach § 74 SGB VIII zu beachten. Liegt eine Jugendhilfeplanung nicht vor, hindert das die Förderung nach § 74 SGB VIII nicht (BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1996 – BVerwG 5 B 27.96 – Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr. 2). Das bedeutet, dass eine Förderungsentscheidung auf der Grundlage einer vorliegenden Jugendhilfeplanung, aber auch einzelfallbezogen getroffen werden kann.
Bundesrecht verletzt jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, das Förderungsermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe sei dahin reduziert, dass die beantragte Förderung dem Grunde nach zu gewähren sei, weil der Landkreis H. den Kindergarten des Klägers, der Jahr für Jahr regelmäßig von 20 bis 25 Kindern aus dem Kreisgebiet besucht worden sei, in seinen Jugendhilfeplan hätte aufnehmen müssen. Denn allein die Tatsache, dass im hier streitgegenständlichen Kindergartenjahr 1996/97 wie auch in anderen Jahren regelmäßig 20 bis 25 Kinder aus dem Kreisgebiet den Kindergarten des Klägers besuchten, bindet das Ermessen des für die Kindergartenbetreuung dieser Kinder verantwortlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nicht dahin, den Kläger als Träger des Kindergartens in Bezug auf diese Kindergartenplätze fördern zu müssen. Zwar bestimmt sich der Bedarf an Kindergartenplätzen anders als der an Kinderkrippenplätzen (vgl. dazu BVerwGE 110, 320) insofern an der tatsächlichen Nachfrage, als nach § 24 Satz 1 SGB VIII jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens hat. Dieser Anspruch bezieht sich aber nicht auf einen bestimmten Kindergartenplatz oder einen bestimmten Kindergarten. Auch das individuelle Wunsch- und Wahlrecht des Kindes bzw. seiner Eltern nach § 5 SGB VIII führt nicht dazu, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII alle von Kindern aus seinem Gebiet besuchten Kindergartenplätze fördern müsste. Denn die institutionelle Förderung von Kindergärten bzw. Kindergartenplätzen nach § 74 SGB VIII ist nicht individuell auf ein konkretes Kind und dessen Wünsche im Einzelfall bezogen, sondern auf Kindergärten insgesamt oder auf ein bestimmtes Kontingent von Kindergartenplätzen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe institutionell primär deshalb fördert, damit sie Kindern aus seinem Gebiet offen stehen, er ihnen gegenüber also seine Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen kann.
Nachdem das Ermessen, über die Art und Höhe der Förderung zu entscheiden (§ 74 Abs. 3 SGB VIII), nicht auf eine Pflicht zur Förderung dem Grunde nach reduziert war, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die von ihm bislang offen gelassene Frage zu klären haben, ob die Kindergartenplätze, für die Förderung begehrt wird, in der Jugendhilfeplanung im Bereich des Landkreises H. berücksichtigt waren, wie es der Kläger behauptet. Waren sie es, steht dem Kläger für sie dem Grunde nach Förderung zu.
Waren diese Kindergartenplätze dagegen nicht in der Jugendhilfeplanung berücksichtigt, wird das Berufungsgericht weiter zu klären haben, ob die Ablehnung ihrer Förderung durch den Landkreis H. mit der Begründung, allen Kindern auf diesen Plätzen habe ein anderer freier und geeigneter Kindergartenplatz angeboten werden können, pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
Als Ermessensgesichtspunkte sind unter anderem zu berücksichtigen:
Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist auf der Grundlage der oben dargestellten Förderungszuständigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Folglich kann eine Förderung von weiteren Maßnahmen (von weiteren Kindergartenplätzen) abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Maßnahmen (Kindergartenplätze) bereits vorhanden sind.
Bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten (§ 74 Abs. 4 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger sind unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Bezogen auf Kindergärten sind insbesondere deren Aufgabe und verschiedenen Leistungsangebote in den Blick zu nehmen: In Kindergärten soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden (§ 22 Abs. 1 SGB VIII); die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes (§ 22 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII); das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und Familien orientieren; bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder zusammenarbeiten (§ 22 Abs. 3 SGB VIII).
Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen.
Entsprechend den Vorgaben für die Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 und § 4 SGB VIII gilt für die Ausübung des Förderungsermessens nach § 74 Abs. 3 SGB VIII, dass Kindergartenplätze so gefördert werden, dass Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können und Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
Auch ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach § 26 SGB VIII in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 5 und 6 NdsKiTaG in der Fassung vom 25. September 1995 (Nds.GVBl S. 304) – jetzt § 5 Abs. 1 Satz 4 und 5 NdsKiTaG in der Fassung vom 4. August 1999 (Nds.GVBl S. 309) – möglichst ortsnah zu erfüllen ist und sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung richtet.
Bei der Ermessensentscheidung über die institutionelle Förderung von Kindergartenplätzen sind die maßgeblichen Kriterien einzustellen und abzuwägen. So können z.B. für die Förderung eines Kindergartens dessen Ortsnähe, für die eines anderen dessen günstige Verkehrsanbindung zu Arbeitsstätten der Eltern sprechen. Auch kommt der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder wie hier Waldorf Kindergarten) sowie seiner Betreuungsorganisation (z.B. in Bezug auf Vor- und Nachmittagsgruppen) Bedeutung zu. So bedürfte es besonderer Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden.
Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Ermessensüberprüfung wiederum zu einer Förderungspflicht dem Grunde nach gelangen, so dürfte es nicht, wie im Berufungsurteil getan, die Förderung ohne weitere Prüfung auf den für das Kindergartenjahr 1996/97 verbliebenen Verlust in Höhe von 6 006,54 DM beschränken. Denn über die Höhe der Förderung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Zwar sind bei der Bemessung der Eigenleistung des Trägers der freiwilligen Jugendhilfe die unterschiedliche Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen (§ 74 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen sind aber unter Berücksichtigung ihrer (angemessenen ≪§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII≫) Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Vor einer Entscheidung über die Förderungshöhe müsste also erst geklärt werden, in welcher Höhe andere Träger der freiwilligen oder der öffentlichen Jugendhilfe für ihre Kindergärten bzw. Kindergartenplätze im Kindergartenjahr 1996/97 gefördert wurden.
Unterschriften
Dr. Säcker, Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen