Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsfeststellungsklage. Interesse, berechtigtes. Amtshaftungsprozeß. Entscheidungszeitpunkt, maßgeblicher. Bauvorbescheid. gemeindliches Einvernehmen, Versagung des –
Leitsatz (amtlich)
Hat sich bei einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, ist die in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage auch dann zulässig, wenn im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses keine Spruchreife bestand. In einem derartigen Falle hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich die Spruchreife herzustellen, um die begehrte Feststellung treffen zu können.
Normenkette
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4; BauGB § 34 Abs. 1, § 36; LBO BaWü § 54 Abs. 1 S. 1 a.F.; LBO 1995 § 57; BGB § 839 Abs. 3
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 17.10.1995; Aktenzeichen 3 S 1/93) |
VG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 07.10.1992; Aktenzeichen 2 K 765/91) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Oktober 1995 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrte im Mai 1990 bei dem Landratsamt O. die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung einer Tankstelle und eines dazugehörigen Gebäudes für ein Grundstück (Flurstück …) im seinerzeit nicht beplanten Innenbereich der beigeladenen Gemeinde. Diese versagte antragten Bauvorbescheids zu verpflichten. Auf den Hinweis des Beklagten, die Beigeladene habe eine dem Vorhaben entgegenstehende Veränderungssperre erlassen, hat die Klägerin hilfsweise die Feststellung beantragt, daß die Ablehnung der Bauvoranfrage rechtswidrig und das beklagte Land vor Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet gewesen sei, ihr den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. An dem Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage habe sie ein berechtigtes Interesse, weil sie gegen die Beigeladene Amtshaftungsansprüche geltend zu machen beabsichtige.
Nach Einnahme eines Augenscheins wies das Verwaltungsgericht die Klage durch Urteil vom 7. Oktober 1992 mit ihrem Hauptantrag ab, weil dem Bauvorhaben die Veränderungssperre entgegenstehe; dem Hilfsantrag gab es statt.
Mit Urteil vom 17. Oktober 1995 hat das Berufungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage auf die Berufung der beigeladenen Gemeinde in vollem Umfang abgewiesen (NVwZ 1997, 198 = BRS 57 Nr. 201). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung der Beigeladenen sei zulässig. Die Beigeladene werde als Beteiligte materiell beschwert, da sie gemäß § 121 VwGO an das auf einen Hilfsantrag ergangene stattgebende Feststellungsurteil gebunden sei. Nach den tragenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils stünde, wenn dieses rechtskräftig würde, zwischen der Klägerin und der Beigeladenen auch für ein Zivilgericht verbindlich fest, daß nicht nur die Ablehnung des Vorbescheids, sondern auch die Versagung des Einvernehmens rechtswidrig gewesen sei. Die Berufung der Beigeladenen sei auch begründet, da die Fortsetzungsfeststellungsklage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unzulässig sei. Zwar sei die ursprüngliche Verpflichtungsklage gemäß § 75 VwGO zulässig gewesen; denn das beklagte Landratsamt habe ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit keine sachliche Entscheidung über den Antrag getroffen. Durch das Inkrafttreten der Veränderungssperre sei die Erledigung des ursprünglichen Verpflichtungsbegehrens eingetreten oder doch eine Situation, die dieser gleichzustellen sei. Daß gegen die Gültigkeit der am 8. Juli 1991 beschlossenen Veränderungssperre keine Bedenken bestünden, habe das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.
Für die von der Klägerin beabsichtigte Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen bestehe aber kein schutzwürdiges Interesse an einem Übergang zu einem Feststellungsbegehren, da sich das auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids gerichtete Verfahren alsbald nach Klageerhebung zu einem Zeitpunkt erledigt habe, als dieses noch in keiner Weise gefördert gewesen sei. Ob ein berechtigtes Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage bestehe, lasse sich – wie die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses allgemein – nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls feststellen. Die Klägerin habe die Untätigkeitsklage am 17. Mai 1991 ohne Begründung erhoben und selbst darauf hingewiesen, daß die Gemeinde den Erlaß einer Veränderungssperre beabsichtige. Bis zum Wirksamwerden der Veränderungssperre am 6. August 1991 sei in dem Verfahren außer der Beiladung der Gemeinde jedoch nichts weiter geschehen. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei im Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung zweieinhalb Monate nach Klageerhebung noch gar nicht richtig „in Gang gekommen”. Auch habe kein Verfahrensbeteiligter bis zu diesem Zeitpunkt einen Aufwand gehabt, der durch die Erledigung nutzlos geworden wäre. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie Veranlassung gehabt, die Ersatzansprüche unmittelbar vor dem zuständigen Zivilgericht geltend zu machen. Maßgebend dafür, ob ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin nach Erledigung der Verpflichtungsklage an einem Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage bestehe, könnten zwangsläufig nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung sein, wenn dieses Interesse mit dem Gedanken der „Fruchterhaltung” begründet werde. Die Nachholung oder Heilung dieser Sachentscheidungsvoraussetzung im weiteren Verfahren sei ausgeschlossen.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe ihren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gerichteten Hilfsantrag verfahrensfehlerhaft als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, daß der Bescheid des Landratsamts … vom 9. Juli 1991 rechtswidrig war und das beklagte Land vor Inkrafttreten der Veränderungssperre für das Gebiet des Bebauungsplans „östlicher Ortseingang …” vom 6. August 1991 verpflichtet war, der Klägerin den beantragten Bauvorbescheid zum Neubau einer Tankstelle mit Waschanlage und Imbiß und zum Neubau von zwei Wohnungen im ersten Obergeschoß auf dem Grundstück Lgb. Nr. … der Gemarkung … zu erteilen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, ohne einen Antrag zu stellen.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin hat mit dem Ergebnis der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz Erfolg (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Eine abschließende Entscheidung über den auch im Revisionsverfahren allein streitigen Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist dem erkennenden Senat nicht möglich.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der frühere Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie die Feststellung begehrt, daß die Ablehnung ihrer Bauvoranfrage durch den Bescheid vom 9. Juli 1991 rechtswidrig und das beklagte Land bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre am 6. August 1991 verpflichtet gewesen sei, ihr den beantragten Bauvorbescheid … eine Tankstelle zu erteilen. Zu Recht geht das Berufungsgericht von der Statthaftigkeit eines derartigen Fortsetzungsfeststellungsantrags aus. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, daß sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Daß auch bei Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage grundsätzlich statthaft ist, entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 24. Januar 1992 – BVerwG 7 C 24.91 – BVerwGE 89, 354 ≪355≫; Urteil vom 29. April 1992 – BVerwG 4 C 29.90 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 = DVBl 1992, 1230, m.w.N.). Danach ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, wenn (erstens) die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig gewesen ist, (zweitens) ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, (drittens) ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und (viertens) ein Feststellungsinteresse vorliegt.
1. Das Berufungsgericht verneint hier die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, weil es an der letztgenannten Voraussetzung fehle. Ein berechtigtes Interesse könne nur im Hinblick auf die von der Klägerin beabsichtigte Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen bestehen; es fehle hier, weil sich das auf Erteilung eines Bauvorbescheids gerichtete Verfahren alsbald nach Klageerhebung zu einem Zeitpunkt erledigt habe, als dieses noch in keiner Weise gefördert gewesen sei. Diese Rechtsauffassung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
a) Zutreffend führt das Berufungsgericht zunächst aus, daß in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als für die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer Fortsetzungsfeststellungsklage kennzeichnend aufgeführt wird, daß eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden dürfe, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht habe und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stelle, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein solle und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen müsse (so z.B. BVerwG, Urteil vom 18. April 1986 – BVerwG 8 C 84.84 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 ≪S. 9, 13 f.≫, unter Bezugnahme auf das Urteil vom 28. April 1967 – BVerwG 4 C 163.65 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 ≪S. 64, 66≫). Das Berufungsgericht mißversteht diese Rechtsprechung aber, wenn es den Gedanken der „Fruchterhaltung” als eine normative Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ansieht. In dem genannten Urteil vom 28. April 1967 wird nämlich lediglich „die Lage, von der die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ausgeht”, also nur die regelmäßig bestehende Situation bei einer Erledigung der Hauptsache, beschrieben. Begründet wird dagegen, daß ein Fortsetzungsfeststellungsantrag, der einen Zivilprozeß vorbereiten soll, durch ein berechtigtes Interesse gedeckt ist, wenn nicht dieser Zivilprozeß offensichtlich aussichtslos ist oder aber die Feststellung jenen Prozeß nicht erleichtern oder zu irgendeiner Verbesserung der Rechtsstellung führen kann. An diese Entscheidung anknüpfend, wird in dem Urteil vom 14. Januar 1980 – BVerwG 7 C 92.79 – (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 ≪S. 23, 26≫ = NJW 1980, 2426) von einer Ausgangslage gesprochen, die „typischerweise” bestehe; daß es im Einzelfall auch anders liegen und sich der Verwaltungsakt alsbald nach Erhebung der Anfechtungsklage erledigen könne, ändere an dieser Typik nichts.
Maßgeblich für die Frage, ob im Hinblick auf einen beabsichtigten Zivilprozeß ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes besteht, ist vielmehr, ob der Kläger sofort und unmittelbar vor dem Zivilgericht Klage erheben konnte, oder ob er gezwungen war, zunächst eine verwaltungsgerichtliche Klage zu erheben. Hat sich der Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt, so bedarf es keines Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte; denn der Betroffene kann wegen eines von ihm erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht anrufen, das auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Vortragen zuständig ist. Deshalb fehlt es in einem solchen Fall an einem schutzwürdigen Interesse für eine verwaltungsgerichtliche Klage (BVerwG, Beschluß vom 27. Juni 1985 – BVerwG 2 B 81.84 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 150; Urteil vom 20. Januar 1989 – BVerwG 8 C 30.87 – BVerwGE 81, 226). Hatte sich der Verwaltungsakt dagegen noch nicht erledigt, so war der von ihm Betroffene – auch im Sinne des Primärrechtsschutzes (vgl. § 839 Abs. 3 BGB) – gezwungen, zunächst vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. In einem solchen Fall wäre es unangemessen, die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zuzulassen, wenn das bisherige Verfahren bereits Erkenntnisse erbracht hat, die für einen Amtshaftungsprozeß bedeutsam sind. Abgesehen davon, daß kaum bestimmt werden könnte, wie viele „Früchte” erforderlich sein müßten, um einen Anspruch auf Fortführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu begründen, besteht der Sinn der Fortsetzungsfeststellungsklage gerade darin, den Übergang zur Feststellungsklage zu erleichtern. Der bereits getätigte Aufwand – auch an Kosten und Zeit – soll dem Kläger erhalten bleiben, wenn und solange die begehrte Entscheidung für ihn einen Nutzen haben kann (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 90). Jedenfalls in Fällen der nicht vom Kläger herbeigeführten Erledigung kommt es bei der Prüfung des berechtigten Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht darauf an, ob die bisherige Prozeßführung schon „Früchte” erbracht hat. Soweit dem Beschluß des erkennenden Senats vom 22. Januar 1996 – BVerwG 4 B 212.95 – (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 282), dem allerdings ein besonderer Sachverhalt zugrunde lag, eine abweichende Auffassung entnommen werden kann, hält der Senat an ihr nicht fest.
Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies, daß das berechtigte Interesse für den Feststellungsantrag der Klägerin nicht verneint werden darf, weil das Verfahren „noch gar nicht richtig in Gang gekommen” war. Es genügt, daß die Klägerin ihre auf Erteilung eines Bauvorbescheids gerichtete Verpflichtungsklage vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre erhoben und damit das Verfahren gemäß § 75 VwGO in zulässiger Weise begonnen hatte.
b) Darüber hinaus verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht, indem es für die Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung abstellt.
Nach allgemeiner Auffassung müssen die Sachentscheidungsvoraussetzungen im Regelfall am Schluß der letzten mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, § 109 Rn. 3; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 40 Rn. 19; Hambitzer, DÖV 1985, 270; BGH, Beschluß vom 7. Dezember 1977 – V BLw 16/76 – MDR 1978, 566 f.). Das Berufungsgericht hat dies nicht verkannt. Es meint jedoch, für die Beurteilung des berechtigten Interesses könne es „notwendigerweise” nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung ankommen. Dem ist nicht zu folgen. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts spricht der von ihm selbst zu Recht hervorgehobene Gesichtspunkt der Prozeßökonomie: Wenn es darum geht, die Ergebnisse eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den Amtshaftungsprozeß nutzbar zu machen, also doppelte Arbeit durch das Zivilgericht zu vermeiden, so ist es gerade sinnvoll, auch „verspätet” gewonnene Erkenntnisse zu verwerten.
Erst recht gilt dies, wenn – wie auch im vorliegenden Fall – der Fortsetzungsfeststellungsantrag im Wege der Eventualklagehäufung neben den aufrechterhaltenden Hauptantrag tritt. Hier können bei der Vorbereitung der Entscheidung des Hauptantrages so viele auch für den Hilfsantrag verwertbare tatsächliche und rechtliche Erkenntnisse gewonnen werden, daß im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch er ohne weiteres entscheidungsreif sein kann. Daß der Kläger selbst in einem solchen Fall keine für den Zivilprozeß verwertbaren „Früchte” aus dem Verwaltungsprozeß soll ziehen dürfen, sondern seinen Rechtsstreit beim Zivilgericht erneut von Anfang an soll führen müssen, leuchtet weder aus dem Blickwinkel des privaten Interesses der Prozeßbeteiligten, noch aus dem des öffentlichen Interesses an einer ökonomischen Prozeßführung ein.
Das Argument des Berufungsgerichts, wenn es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankäme, hätte es der Kläger in der Hand, durch eine unzulässige Fortführung des Verfahrens das Verwaltungsgericht zu einer sachlichen Entscheidung zu zwingen und den Rechtsweg zu beeinflussen, überzeugt schon deshalb nicht, weil eine Terminierung mit dem Ziel eines klagabweisenden Prozeßurteils allein Sache des Gerichts ist. Vor allem aber beruht es auf der Rechtsauffassung, daß das Verwaltungsgericht nach der Erledigung des Verwaltungsakts seine Befugnis zu einer materiellen Entscheidung verliere, sofern das bisherige Klageverfahren nicht bereits konkrete Ergebnisse erbracht habe. Damit liegt auch ihm das zu enge Verständnis des „berechtigten Interesses” zugrunde. Wie bereits ausgeführt, kann das Feststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage – und damit die Befugnis des Verwaltungsgerichts zur sachlichen Entscheidung – auch dann bestehen, wenn sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt, ohne daß das Verfahren bis zum Zeitpunkt der Erledigung sonst weiter gefördert worden sein müßte.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
a) Hinsichtlich des berechtigten Interesses kann sich auf der Grundlage der Ausführungen des Berufungsgerichts insoweit allenfalls die Frage stellen, ob hier weitere schwierige zeit- und kostenintensive Aufklärungsmaßnahmen erforderlich sein können, die ausnahmsweise das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entfallen lassen könnten (vgl. dazu auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Juni 1993 – 10 S 110/92 – NVwZ 1994, 709; ferner BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 – BVerwG 3 C 49.87 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 = NVwZ 1991, 570). Das Berufungsgericht hält dies für möglich, weil in Betracht komme, zusätzlich ein Sachverständigengutachten über die von der geplanten Tankstelle ausgehenden Emissionen einzuholen.
Die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen geben aber weder eine tragfähige Grundlage noch auch nur Anlaß für die Annahme, daß über die Rechtmäßigkeit des ursprünglich angefochtenen Bescheides vom 9. Juli 1991 nur auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens hätte entschieden werden können. Die Klägerin hatte keinen Bauantrag gestellt, sondern mit einer Bauvoranfrage nur die planungsrechtliche Zulässigkeit der von ihr geplanten Tankstelle klären lassen wollen. Beurteilungsmaßstab war hier § 34 Abs. 1 BauGB. Ob sich ein Vorhaben entsprechend dieser Vorschrift in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kann in aller Regel durch eine Augenscheinseinnahme, wie sie hier das Verwaltungsgericht auch bereits durchgeführt hat, ermittelt werden. Die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zur Klärung der Frage, ob die Tankstelle grundsätzlich hätte zugelassen werden können oder nicht, ist nicht ersichtlich; insbesondere lassen die Ausführungen im Berufungsurteil nicht erkennen, worin die außergewöhnlichen Umstände liegen sollten, die einem fachkundigen Verwaltungsgericht eine selbständige Entscheidung unmöglich machen könnten.
Ob und gegebenenfalls wann das berechtigte Interesse für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen der Notwendigkeit einer besonders aufwendigen und teuren Beweisaufnahme zu verneinen sein kann, braucht hier nicht erörtert zu werden. Die fehlende Spruchreife allein genügt jedenfalls nicht. Daraus folgt jedoch, daß auch eventuell noch erforderliche Aufklärungsmaßnahmen gegenwärtig als nicht geeignet erscheinen, das Feststellungsinteresse entfallen zu lassen.
b) Das Berufungsurteil erwiese sich auch dann aus anderen Gründen als richtig, wenn der beabsichtigte Entschädigungsprozeß offensichtlich aussichtslos wäre. Dafür müßte ohne eine ins einzelne gehende Prüfung erkennbar sein, daß der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht; an die Qualifizierung der Aussichtslosigkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Das Berufungsgericht hat sich hierzu – von seinem Standpunkt aus konsequent – nicht geäußert. Dagegen hat das Verwaltungsgericht die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als nicht offensichtlich aussichtslos angesehen. Die Beigeladene hat zwar mit der Berufung vorgetragen, daß der Klägerin nach Veräußerung des Grundstücks zu einem „Spitzenerlös” kein Schaden entstanden sei. Die Klägerin hat jedoch als Schadenspositionen entgangenen Veräußerungsgewinn, Zinsbelastungen und Planungskosten geltend gemacht. Bei diesem Streitstand kann der Senat nicht feststellen, daß der angestrebte Zivilprozeß offensichtlich aussichtslos wäre.
3. Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Hierfür fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen im Berufungsurteil. Zwar hat das Berufungsgericht die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks übernommen, diese mangels Sachentscheidung aber – folgerichtig – nicht gewürdigt. Da die Beigeladene die tatrichterliche Würdigung des Verwaltungsgerichts in der Berufungsinstanz angegriffen hat, sind seine Feststellungen im Revisionsverfahren nicht verwertbar. Infolgedessen ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Unterschriften
Berkemann, Hien, Lemmel, Heeren, Rojahn
Fundstellen
NJW 1999, 305 |
BVerwGE |
BVerwGE, 295 |
BauR 1998, 999 |
NVwZ 1998, 1295 |
DÖV 1998, 1067 |
SGb 1999, 253 |
VBlBW 1998, 376 |
ZfBR 1998, 323 |
BRS 1999, 565 |
BayVBl. 1998, 666 |
DVBl. 1998, 896 |
UPR 1999, 158 |