Prof. Dr. jur. Tobias Huep
2.1 Vertragsgestaltung
Bei der Vertragsgestaltung ist zunächst zu prüfen, ob die Entsendung mit oder ohne Änderungen des bestehenden Arbeitsvertrags durchgeführt werden kann. Keiner Änderung bedarf es, wenn die Entsendung allein aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers möglich ist. Sollte dies nicht der Fall sein, ist eine (einvernehmliche) Vertragsänderung oder -ergänzung nötig.
Bei jeder Entsendung sind die Dokumentationspflichten nach dem Nachweisgesetz (NachwG) zu beachten: Bei kürzeren Auslandsaufenthalten sind die diesbezüglichen Regelungen des Arbeitsvertrags gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG schriftlich zu dokumentieren. Seit dem 1.1.2025 kann die Niederschrift nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Sätze 2–7 NachwG auch in Textform erstellt und elektronisch übermittelt werden. Das Dokument muss dem Arbeitnehmer zugänglich gemacht werden, gespeichert und ausgedruckt werden können. Zudem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordern, ihm einen Empfangsnachweis zu erteilen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist die Niederschrift gleichwohl schriftlich zu erteilen.
Dauert die Entsendung ins Ausland länger als 4 Wochen, sind die zusätzlichen Dokumentationspflichten nach § 2 Abs. 2 NachwG zu beachten.
§ 2 Abs. 2 NachwG verlangt vom Arbeitgeber in diesem Fall
- die Dokumentation der allgemeinen Inhalte und
- die zusätzliche Dokumentation der besonderen, auslandsbezogenen Änderungen.
Formalien
Die vom entsendenden Unternehmen zu beachtenden Formalien des anderen Mitgliedstaats sollten vorab geklärt werden. Erforderlich ist die Anmeldung des Arbeitnehmers für eine A1-Bescheinigung beim zuständigen Träger im entsendenden Mitgliedstaat.
Darüber hinaus können weitere administrative Voraussetzungen im jeweiligen Mitgliedstaat zu beachten sein. Dazu gehört insbesondere eine Mitteilung an die zuständige Behörde im ausländischen Mitgliedstaat. Folgende Angaben sind dabei in der Regel zu melden:
- Identität des Dienstleistungserbringers
- Voraussichtliche Zahl der entsandten Arbeitnehmer
- Benennung eines Ansprechpartners bzw. einer Kontaktperson
- Beginn und Ende sowie die voraussichtliche Dauer der Entsendung
- Anschrift des Arbeitsplatzes
- Art der zu erbringenden Dienstleistungen
In den meisten Mitgliedstaaten ist diese Voraberklärung digital möglich.
2.2 Anwendbares Recht
Für die Bestimmung des für die Entsendung anwendbaren Rechts gilt zunächst die "Rom I-VO". Danach können Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Vertrag festlegen, ob während der Entsendung deutsches oder ausländisches Arbeitsrecht gelten soll (Rechtswahlfreiheit). Ohne eine Festlegung ist das Recht des gewöhnlichen Arbeitsorts des Arbeitnehmers maßgeblich.
Diese Rechtswahlfreiheit findet ihre Grenzen an den jeweils zwingenden Vorschriften der Umsetzungsgesetze der Arbeitnehmerentsende-Richtlinie. Im Ergebnis verdrängt in diesem Fall das mitgliedstaatliche Entsendegesetz entgegenstehende vertragliche Regelungen. Eine Abwahl der über die Entsendegesetze zwingend anwendbaren arbeitsrechtlichen Normen ist nicht möglich. Entscheidend dafür sind wiederum die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen: in der Bundesrepublik sind das die zwingenden Arbeitsschutzgesetze bzw. die erforderliche Tarifbindung.
Sofern das mitgliedstaatliche Entsendegesetz gilt, gelten mindestens die für die einheimischen Arbeitnehmer anwendbaren Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für
- die Entlohnung einschließlich der Überstundensätze,
- die zulässigen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten,
- den bezahlten Mindestjahresurlaub,
- die Bedingungen für die Arbeitnehmerüberlassung,
- die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz,
- die Mutterschutzvorschriften bzgl. des Gesundheits- und Arbeitsschutzes,
- der Jugendarbeitsschutz,
- die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere sonstige Nichtdiskriminierungsbestimmungen,
- die Bedingungen für vom Arbeitgeber gestellte Unterkünfte von Arbeitnehmern,
- die Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen.
Bei einer tatsächlichen Entsendungsdauer von mehr als 12 Monaten (bzw. in begründeten Ausnahmefällen erst nach 18 Monaten) gelten darüber hinaus sämtliche gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Arbeits- und Bes...