Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des ‚Arbeitnehmers’. Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Erziehungsgeld – Begriff der ‚Familienleistung’. Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 – Begriff der ‚sozialen Vergünstigung’. Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung
Normenkette
EGV Art. 8a, 48, 51
Beteiligte
Tenor
1. Eine Leistung wie das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz, die bei Erfüllung bestimmter objektiver Voraussetzungen ohne weiteres unter Ausschluß jedes Ermessens gewährt wird, ohne daß im Einzelfall die persönliche Bedürftigkeit des Empfängers festgestellt werden müßte, und die dem Ausgleich von Familienlasten dient, fällt als Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 geänderten Fassung sowie als soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in den sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts.
2. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob eine Person wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens in den persönlichen Anwendungsbereich des Artikels 48 EG-Vertrag und der Verordnung Nr. 1612/68 oder der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.
3. Das Gemeinschaftsrecht verbietet einem Mitgliedstaat, die Gewährung von Erziehungsgeld an Angehörige anderer Mitgliedstaaten, denen der Aufenthalt in seinem Gebiet erlaubt ist, von der Vorlage einer von der inländischen Verwaltung ausgestellten förmlichen Aufenthaltserlaubnis abhängig zu machen, während Inländer lediglich einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat haben müssen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-85/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Bayerischen Landessozialgericht (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
María Martínez Sala
gegen
Freistaat Bayern
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 1, 2, 3 Absatz 1 und 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 (ABl. L 331, S. 1) geänderten Fassung sowie über die Auslegung von
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, H. Ragnemalm und M. Wathelet sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Martínez Sala, vertreten durch Antonio Pérez Garrido, Leiter der Rechtsstelle der spanischen Botschaft in Bonn,
- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Oberregierungsrat Bernd Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado D. Luis Pérez de Ayala Becerril, Juristischer Dienst des Staates, als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Peter Hillenkamp und Klaus-Dieter Borchardt, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Martínez Sala, vertreten durch Antonio Pérez Garrido, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder, der spanischen Regierung, vertreten durch D. Luis Pérez de Ayala Becerril, der französischen Regierung, vertreten durch Claude Chavance, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Barrister Stephen Richards, und der Kommission, vertreten durch Klaus-Dieter Borchardt, in der Sitzung vom 15. April 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Juli 1997,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Beschluß vom 2. Februar 1996...