Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Unentgeltliche Wertabgabe, Betrieb eines Steinbruchs, Ausbau einer Gemeindestraße, Wirtschaftlicher Zusammenhang von Eingangumsatz zu Ausgangsumsatz, Überlassung einer Straße an eine Gemeinde
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 6, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Mitteldeutsche Hartstein-Industrie |
Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG |
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Abzug der Vorsteuer für die zugunsten einer Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße hat, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.
2. Die Sechste Richtlinie 77/388, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs, die einseitig von einer Verwaltung eines Mitgliedstaats erteilt wurde, nicht die von einem Steuerpflichtigen, der ohne Gegenleistung in Geld Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchgeführt hat, erhaltene Gegenleistung darstellt, so dass diese Arbeiten keinen „Umsatz gegen Entgelt” im Sinne dieser Richtlinie darstellen.
3. Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, die der Öffentlichkeit offensteht, aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der diese Arbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, von ihm sowie von der Öffentlichkeit genutzt wird, keinen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung gleichzustellen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2019, in dem Verfahren
Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG
gegen
Finanzamt Y
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie AG, vertreten durch Rechtsanwalt O.-G. Lippross,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und L. Mantl als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 6 und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie AG und dem Finanzamt Y (Deutschland) über die Ablehnung des Abzugs der Vorsteuer für die Durchführung von Arbeiten zum Ausbau einer Straße, die zu einer Gemeinde gehört.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt”.
Rz. 4
Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie bestimmt:
„Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter.”
Rz. 5
Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor:
„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
- die Verwendung eines dem Unternehmen zugeord...