Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Richtlinie 80/987/EWG in der durch die Richtlinie 2002/74/EG geänderten Fassung. Unmittelbare Wirkung. In einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindungszahlung wegen rechtswidriger Kündigung. Zahlung durch eine Garantieeinrichtung. Zahlung, die den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung voraussetzt

 

Beteiligte

Velasco Navarro

Josefa Velasco Navarro

Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)

 

Tenor

1. In dem Fall, dass die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht bis zum 8. Oktober 2005 in nationales Recht umgesetzt worden ist, kann eine etwaige unmittelbare Wirkung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der durch die Richtlinie 2002/74 geänderten Fassung auf jeden Fall nicht im Hinblick auf eine vor dem 8. Oktober 2005 eingetretene Insolvenz geltend gemacht werden.

2. Das nationale Gericht muss, wenn die fragliche nationale Regelung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 80/987 in der durch die Richtlinie 2002/74 geänderten Fassung fällt, in dem Fall, dass zwischen dem Inkrafttreten der letztgenannten Richtlinie und dem Ende der Frist für ihre Umsetzung eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, dafür sorgen, dass diese nationale Regelung im Einklang mit dem von der gemeinschaftlichen Rechtsordnung anerkannten Grundsatz der Nichtdiskriminierung angewandt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social Único de Algeciras (Spanien) mit Entscheidung vom 7. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2006, in dem Verfahren

Josefa Velasco Navarro

gegen

Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der slowenischen Regierung, vertreten durch M. Remic als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

 

Entscheidungsgründe

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in der durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270, S. 10) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 80/987).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Velasco Navarro und dem Fondo de Garantía Salarial (Fogasa) (Lohngarantiefonds, im Folgenden: Fogasa) wegen der Weigerung des Fogasa, der Betroffenen im Rahmen seiner subsidiären Haftung eine Abfindung wegen der ihr ausgesprochenen rechtswidrigen Kündigung zu zahlen, weil die Zahlung dieser Abfindung in einem gerichtlichen Vergleich zwischen Frau Velasco Navarro und ihrem Arbeitgeber vereinbart worden sei.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 80/987 bestimmt, dass „[d]iese Richtlinie … für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber [gilt], die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind”.

4 Die Richtlinie lässt gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte „Arbeitnehmer”, „Arbeitgeber”, „Arbeitsentgelt”, „erworbenes Recht” und „Anwartschaftsrecht” unberührt.

5 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 80/987 lautete in seiner ursprünglichen Fassung:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen.”

6 Die ursprüngliche Fassung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 80/987 wurde durch die Richtlinie 2002/74 geändert und bestimmt jetzt Folgendes:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbe...

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