Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM NIEDERLAENDISCHEN RAAD VAN STATE. AUFENTHALTSRECHT. 1. FREIZUEGIGKEIT – ARBEITNEHMER – TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS – BEGRIFFE – EINSCHRÄNKENDE AUSLEGUNG – UNZULÄSSIGKEIT (EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48). 2. FREIZUEGIGKEIT – ARBEITNEHMER – BEGRIFF – AUSÜBUNG EINER TATSÄCHLICHEN UND ECHTEN TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS – UNTER DEM GESETZLICHEN MINDESTLOHN LIEGENDE EINKÜNFTE – KEIN EINFLUSS (EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48). 3. FREIZUEGIGKEIT – ARBEITNEHMER – MIT DER ARBEITSSUCHE IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT VERFOLGTE ZIELE – KEIN EINFLUSS AUF DAS EINREISE- UND AUFENTHALTSRECHT (EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48)
Leitsatz (amtlich)
1. DIE BEGRIFFE „ARBEITNEHMER” UND „TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS” LEGEN DEN ANWENDUNGSBEREICH EINER DER VOM VERTRAG GARANTIERTEN GRUNDFREIHEITEN FEST UND DÜRFEN DESHALB NICHT EINSCHRÄNKEND AUSGELEGT WERDEN.
2. UNTER DIE GEMEINSCHAFTSRECHTLICHEN VORSCHRIFTEN ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FÄLLT AUCH EIN AN GEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS, DER IM HOHEITSGEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS EINE TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS AUSÜBT, MIT DER ER WENIGER VERDIENT, ALS IM LETZTGENANNTEN STAAT ALS EXISTENZMINIMUM ANGESEHEN WIRD. DABEI KOMMT ES NICHT DARAUF AN, OB ER DIE EINKÜNFTE AUS SEINER TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS DURCH ANDERE EINKÜNFTE BIS ZU DIESEM MINIMUM ER GÄNZT ODER SICH MIT EXISTENZGRUNDLAGEN BEGNÜGT, DIE DARUNTER LIEGEN. VORAUSSETZUNG IST JEDOCH, DASS ER TATSÄCHLICH EINE ECHTE TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS AUSÜBT.
3. DIE ABSICHTEN, DIE EINEN ARBEITNEHMER AUS EINEM MITGLIEDSTAAT MÖG LICHERWEISE DAZU VERANLASST HABEN, IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT ARBEIT ZU SUCHEN, SIND HINSICHTLICH SEINES RECHTS AUF EINREISE IN DAS HOHEITSGEBIET DES LETZTGENANNTEN STAATES UND AUF AUFENTHALT IN DIESEM GEBIET BELANGLOS, WENN ER DORT TATSÄCHLICH EINE ECHTE TÄTIGKEIT AUSÜBT ODER AUSÜBEN WILL.
Normenkette
EWGVtr Art. 48
Beteiligte
Staatssecretaris van Justitie |
Tenor
1. UNTER DIE GEMEINSCHAFTSRECHTLICHEN VORSCHRIFTEN ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FÄLLT AUCH EIN ANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS, DER IM HOHEITSGEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS EINE TÄTIGKEIT IM LOHN- UND GEHALTSVERHÄLTNIS AUSÜBT, MIT DER ER WENIGER VERDIENT, ALS IM LETZTGENANNTEN STAAT ALS EXISTENZMINIMUM ANGESEHEN WIRD. DABEI KOMMT ES NICHT DARAUF AN, OB ER DIE EINKÜNFTE AUS SEINER TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS DURCH ANDERE EINKÜNFTE BIS ZU DIESEM MINIMUM ERGÄNZT ODER SICH MIT EXISTENZGRUNDLAGEN BEGNÜGT, DIE DARUNTER LIEGEN. VORAUSSETZUNG IST JEDOCH, DASS ER TATSÄCHLICH EINE ECHTE TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS AUSÜBT.
2. DIE ABSICHTEN, DIE EINEN ARBEITNEHMER AUS EINEM MITGLIEDSTAAT MÖGLICHERWEISE DAZU VERANLASST HABEN, IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT ARBEIT ZU SUCHEN, SIND HINSICHTLICH SEINES RECHTS AUF EINREISE IN DAS HOHEITSGEBIET DES LETZTGENANNTEN STAATES UND AUF AUFENTHALT IN DIESEM GEBIET BELANGLOS, WENN ER DORT TATSÄCHLICH EINE ECHTE TÄTIGKEIT AUSÜBT ODER AUSÜBEN WILL.
Gründe
1 DER NIEDERLÄNDISCHE RAAD VAN STATE HAT MIT ZWISCHENURTEIL VOM 28. NOVEMBER 1980, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 11. MÄRZ 1981, GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG DREI FRAGEN NACH DER AUSLEGUNG VON ARTIKEL 48 DES VERTRAGES SOWIE EINIGER BESTIMMUNGEN VON VERORDNUNGEN UND RICHTLINIEN DER GEMEINSCHAFT AUF DEM GEBIET DER FREIZUEGIGKEIT INNERHALB DER GEMEINSCHAFT ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT.
2 DIE KLÄGERIN DES AUSGANGSVERFAHRENS, FRAU LEVIN, BRITISCHE STAATSBÜRGERIN UND EHEFRAU EINES ANGEHÖRIGEN EINES DRITTLANDES, BEANTRAGTE EINE AUFENTHALTSERLAUBNIS IN DEN NIEDERLANDEN. DIESE ERLAUBNIS WURDE IHR NACH DEN NIEDERLÄNDISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN UNTER ANDEREM MIT DER BEGRÜNDUNG VERWEIGERT, DASS FRAU LEVIN IN DEN NIEDERLANDEN KEINE ERWERBSTÄTIGKEIT AUSÜBE UND DESHALB NICHT ALS „BEGÜNSTIGTER EWG-BÜRGER” IM SINNE DIESER RECHTSVORSCHRIFTEN ANGESEHEN WERDEN KÖNNE.
3 GEGEN DIESE VERFÜGUNG LEGTE FRAU LEVIN BEIM STAATSSECRETARIS VAN JUSTITIE WIDERSPRUCH EIN. NACH ZURÜCKWEISUNG DIESES WIDERSPRUCHS ERHOB SIE VOR DEM RAAD VAN STATE KLAGE. SIE MACHTE GELTEND, INZWISCHEN HABE SIE IN DEN NIEDERLANDEN EINE UNSELBSTÄNDIGE ERWERBSTÄTIGKEIT AUFGENOMMEN; JEDENFALLS VERFÜGTEN SIE UND IHR EHEMANN ÜBER MEHR ALS AUSREICHENDES VERMÖGEN UND EINKOMMEN, UM IHREN LEBENSUNTERHALT AUCH OHNE AUSÜBUNG EINER ERWERBSTÄTIGKEIT ZU BESTREITEN.
4 DER RAAD VAN STATE HAT, DA DER ERLASS EINES URTEILS NACH SEINER ANSICHT VON DER AUSLEGUNG DES GEMEISCHAFTSRECHTS ABHÄNGT, FOLGENDE FRAGEN ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT:
„1. FÄLLT UNTER DEN BEGRIFF ‚BEGÜNSTIGTER EWG-BÜRGER’, UNTER DEM NACH DEN NIEDERLÄNDISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN EIN ANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS IM SINNE DES ARTIKELS 1 DER RICHTLINIE 64/221 DES RATES DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN VOM 25. FEBRUAR 1964 VERSTANDEN WIRD UND DER IN DIESEN RECHTSVORSCHRIFTEN ZUR BESTIMMUNG DES PERSONENKREISES DIENT, AUF DEN ARTIKEL 48 DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSG...