Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung an § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Zusammenveranlagung eines Stpfl. mit seinem Ehegatten setzt - neben der ggf. nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG fingierten unbeschränkten Steuerpflicht des Ehegatten - voraus, dass der Stpfl. selbst unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
2) Hat ein Stpfl. weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und liegt auch kein Fall des § 1 Abs. 2 EStG vor, kommt eine unbeschränkte Steuerpflicht allenfalls nach § 1 Abs. 3 EStG in Betracht.
3) Kapitalerträge, für die nach Art. 10 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 DBA Belgien der Wohnsitzstaat Belgien das Besteuerungsrecht hat und Deutschland lediglich ein beschränktes (Quellen)Besteuerungsrecht zusteht, gelten nach § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.
4) Die Nichteinbeziehung von Kapitalerträgen i.S. des § 2b Abs. 5 EStG ist dahingehend zu verstehen, dass Kapitalerträge i.S. des § 32d Abs. 1 EStG oder § 43 Abs. 5 EStG vorliegen.
5) Kapitalerträge nach § 43 Abs. 5 EStG sind solche i.S. des § 20 EStG, die dem Kapitalertragsteuereinbehalt unterliegen und für die dieser Einbehalt abgeltende Wirkung hat.
6) Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG sind solche, die dem dort genannten Besteuerungsregime in Höhe von grds. 25% unterliegen.
7) Gegen dieses Verständnis des § 2 Abs. 5b EStG bestehen keine europarechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 5b, §§ 20, 26, 32d, 43 Abs. 5; DBA Belgien Art. 10-11; EStG § 1 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen der Regelungen zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – sowie zum Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG.
Der Kläger hatte seinen Wohnsitz im Streitjahr 2009 in Belgien. Auf Antrag vom 3.12.2008 wurde dem Kläger eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2009 nach § 1 Abs. 3 EStG i.V.m. § 39c Abs. 4 EStG a.F. ausgestellt. Die Lohnsteuerabzugsbeträge wurden unter Berücksichtigung dieser Bescheinigung nach Steuerklasse III einbehalten.
Am 30.12.2010 ging bei dem Beklagten die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Streitjahr ein. Unter dem 22.8.2011 erließ der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009. Er ging dabei von der beschränkten Steuerpflicht des Klägers aus. Danach erzielte der Kläger Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 140.604 EUR sowie aus der Vermietung eines im Inland belegenen Hauses negative Einkünfte i.H.v. -7.294 EUR. Eine Jubiläumsgratifikation i.H.v. 10.000 EUR besteuerte er nach § 34 Abs. 1 EStG. Unter dem 28.2.2011 wurden beschränkt steuerpflichtige Einkünfte der Ehefrau des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 15.472 EUR festgestellt. Sie gab außerdem inländische Zinseinnahmen in Höhe von 388 EUR an.
Mit fristgerecht erhobenem Einspruch wandte sich der Kläger gegen den Bescheid vom 22.8.2011, und zwar zunächst wegen von der Erklärung abweichenden Ansatzes der Vorsorgepauschale. Im Laufe der Erörterung erklärte der Kläger zusätzlich im Inland erzielte Kapitalerträge i.H.v. 143.087 EUR. Im Einzelnen handelte es sich dabei um Gewinnausschüttungen i.H.v. 142.000 EUR sowie Zinsen i.H.v. 1.087,97 EUR. In einem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 19.10.2011 berücksichtigte der Beklagte diese Erträge nach Kürzung um den Sparerpauschbetrag von 801 EUR i.H.v. 142.286 EUR bei der Berechnung des Progressionsvorbehalt. Im Rahmen des sich fortsetzenden Einspruchsverfahrens beantragte der Kläger eine Veranlagung nach den Grundsätzen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht und eine Zusammenveranlagung mit der Ehefrau. Die Voraussetzungen dafür lägen vor, da die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 2 Abs. 5b EStG nicht bei der Ermittlung der nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG) einzubeziehen seien. Die Kapitalerträge hätten der Abgeltungssteuer unterlegen. Daher seien die Voraussetzung für eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG i.V.m. § 1a EStG erfüllt. Zum anderen seien die der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG nicht zu berücksichtigen. Hilfsweise beantragte der Kläger, die Einkünfte aus der Gewinnausschüttung nach § 3 Nr. 40 EStG nur mit 60 % einzubeziehen (Teileinkünfteverfahren). Unter dem 22.10.2009 erließ das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf den Antrag des Klägers vom 10.8.2009 einen Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugssteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG und erstattete dem Kläger wegen Kapitalerträgen i.H.v. 142.000 EUR Kapitalertragsteuer i.H.v. 14.200 EUR sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. 1.952,50 EUR. Für die Zinserträge des Klägers ist ein entsprechender Bescheid nicht vorhanden. Weder Kläger noch Beklagter konnten Angaben dazu machen, ob die Zinsen d...