Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO auf Verspätungszuschläge
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO findet auf Bescheide über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags keine Anwendung.
Normenkette
AO § 351 Abs. 1; FGO § 42
Tatbestand
Zwischen den Klägern, in den Streitjahren (2014 und 2015)zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten, und dem Beklagten steht die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Streit.
Die Klägerin, eine Sozialtherapeutin, nahm in den Streitjahren verschiedene Pflegekinder in ihren Haushalt auf und betreute diese dort. Vom 1. Januar 2014 bis zum 30. April 2014 betraf dies ein am 3. Dezember 1988 geborenes Kind. Ab dem 4. August 2014 nahm die Klägerin zwei am 3. August 2009 und am 2. März 2011 geborene Geschwister in ihren Haushalt auf.
Grundlage war jeweils ein zwischen der D gGmbH (GmbH), einer vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes mit Schreiben vom 3. Februar 2014 (Blatt 42 f. der Gerichtsakte)gemäß § 75 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) anerkannte Trägerin der freien Jugendhilfe, und der Klägerin am 2. April 2013 geschlossener Dienstleistungsvertrag, dessen Bestandteil auch das pädagogische Konzept der Klägerin sein sollte. Nach diesem Vertrag übernahm die Klägerin für die GmbH die Betreuung des "Kindes/Jugendlichen"in ihrem Haushalt, in einer anderen beziehungsorientierten Wohnform oder in einem anderen Projekt. Hierfür erhielt die Klägerin ein monatliches Honorar und einen Kostenersatz für die Unterbringung und Betreuung des "Kindes/Jugendlichen", welche sich nach einer Honorar- und Sachkostenvereinbarung richten sollten. Der Vertrag war jederzeit von beiden Seiten ohne Einhaltung einer Frist mit sofortiger Wirkung kündbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Dienstleistungsvertrag vom 2. April 2013 (Blatt 62 ff. der Gerichtsakte). Bereits mit Datum 17. November 2011 hatte die Klägerin der GmbH unter Bezugnahme auf einen früheren "Zusammenarbeitsvertrag"die Vollmacht erteilt, in ihrem Namen ihr zustehende Zahlungen und andere Leistungen entgegen zu nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Vollmacht vom 17. November 2011 (Blatt 136 der Rechtsbehelfsakte Bd. II).
Für das im Jahr 1988 geborene Kind stellte die Klägerin u.a. Tagessätze in Höhe von 61,01 € (Honorar für Tage mit Anwesenheit ohne Einschränkungen) und 27,07 € (Sachkosten) in Rechnung, für die beiden anderen Kinder Tagessätze in Höhe von 87,15 € (Honorar für Tage mit Anwesenheit ohne Einschränkungen) und 31,09 € (Sachkosten) bis zum 30. Juni 2015 und in Höhe von 90,43 € (Honorar für Tage mit Anwesenheit ohne Einschränkungen) und 31,09 € (Sachkosten) ab dem 1. Juli 2015. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben der GmbH vom 29. Juni 2016 (Blatt 87 der Rechtsbehelfsakte Bd. II), auf die gegenüber der GmbH gestellten Rechnungen der Klägerin (Blatt 88 ff. der Rechtsbehelfsakte Bd. II) sowie - beispielhaft- auf die von den Klägern vorgelegten und im Juni 2016 unterzeichneten Honorar- und Sachkostenvereinbarungen (Blatt 67 f. der Gerichtsakte).
In ihren für das Streitjahr 2014 - zuletzt - am 11. Januar 2016 und für das Streitjahr 2015 am 14. Februar 2017 übermittelten Einkommensteuererklärungen gaben die Kläger als "Betreuungsstelle für Kinder und Jugendliche" bezeichnete Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.785 € (2014) und 25.070 € (2015) an. In ihren Einnahmen-Überschussrechnungen für die Streitjahre gab die Klägerin Einnahmen von 49.700,63 € (2014) und 82.677,84 € (2015)an, wovon sie im Jahr 2014 einen durchlaufenden Posten in Höhe von 1.897,71 € in Abzug brachte. In den geltend gemachten Betriebsausgaben waren jeweils Aufwendungen für einen Pkw enthalten.
Mit Bescheiden vom 2. August 2016 (2014) und vom 4. Juli 2017 (2015) setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Streitjahre auf 8.271 € für 2014 und 16.274 € für 2015 fest, wobei er Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit in Höhe von 13.945 € für 2014 und 36.136 € für 2015 in Ansatz brachte. Zudem setzte der Beklagte in dem Bescheid vom 4. Juli 2017 für 2015 einen Verspätungszuschlag in Höhe von 730 € fest. In den Erläuterungen wurde u.a. ausgeführt, es sei ein Verspätungszuschlag festgesetzt worden, weil die Steuererklärung erst am 14. Februar 2017 eingegangen sei. Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 2. August 2016 wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 1. August 2017 legten die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 Einspruch ein und begehrten den Ansatz zusätzlicher Betriebsausgaben bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit sowie den Abzug eines Investitionsabzugsbetrags i.S. des § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb. Zur Begründung führten die Kläger u.a. aus, die Kinder seien keine der häufigen...