Leitsatz (amtlich)
Für den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 der Reichsversicherungsordnung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (abweichend von AP Nr. 1 zu § 405 RVO).
Normenkette
RVO § 405
Verfahrensgang
Tenor
Für den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 der Reichsversicherungsordnung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
Gründe
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Angestellter (wissenschaftlicher Assistent) einer Hochschule. Er ist in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der Höhe seines Gehalts nicht versicherungspflichtig, jedoch freiwillig bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse versichert. Die Hälfte seines Krankenkassenbeitrages verlangt er als Beitragszuschuß nach § 405 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom Arbeitgeber. Dieser bestreitet seine Zahlungspflicht, weil der Kläger nicht „nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze” (§ 405 RVO) versicherungsfrei sei, sondern als wissenschaftlicher Assistent auch nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO.
Das Bundessozialgericht (BSG) hält den vom Kläger beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig und will in diesem Sinne entscheiden, sieht sich daran aber durch zwei Urteile des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. März 1972 und 15. Februar 1973 (5 AZR 423/71 – AP Nr. 1 zu § 405 RVO und 5 AZR 403/72) gehindert; danach gehören Klagen aus § 405 RVO vor die Gerichte für Arbeitssachen. Der 3. Senat des BSG hat deshalb gemäß §§ 2, 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes dem Gemeinsamen Senat die Frage vorgelegt, ob für den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 RVO der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Der Gemeinsame Senat hat die Frage bejaht: Streitigkeiten aus § 405 RVO sind keine bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes –ArbGG–), sondern öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die Art einer Streitigkeit – öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich – bestimmt sich, wenn, wie hier, eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klaganspruch hergeleitet wird. Nach Ansicht des BAG hat der vom Kläger erhobene Anspruch seine Grundlage im Arbeitsverhältnis und damit im bürgerlichen Recht. Dem ist nicht zu folgen.
§ 405 RVO ist durch das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz (2. KVÄG) vom 21. Dezember 1970 (BGBl. I 1770) in die RVO eingefügt worden und am 1. Januar 1971 in Kraft getreten. Die Vorschrift bezweckt, diejenigen Angestellten, die wegen der Höhe ihres Verdienstes nicht krankenversicherungspflichtig sind, sich aber freiwillig versichert haben, den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, deren Krankenversicherungsbeiträge zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden, wirtschaftlich gleichzustellen (zu Bundestags-Drucks. VI/1297, S. 2). Anspruch auf einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag haben demgemäß „Angestellte (§§ 2 und 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes), die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 versicherungspflichtig oder die nach § 173 b oder nach Artikel 3 § 1 Abs. 4 des Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung vom 24. August 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 912) von der Versicherungspflicht befreit sind, … wenn sie in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, für die ihnen Familienhilfe zusteht, Vertragsleistungen erhalten, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen”. Zuschußpflichtig ist den genannten Angestellten ihr „Arbeitgeber”.
Beide Begriffe, der des Angestellten und der des Arbeitgebers, gehören sowohl dem Recht der Sozialversicherung wie dem Arbeitsrecht an. Daß § 405 RVO sie indessen nicht im arbeits-, sondern im versicherungsrechtlichen Sinne verwendet, liegt schon nach der Stellung des § 405 in einem Versicherungsgesetz nahe. Für den Begriff des Angestellten verweist § 405 RVO auf die §§ 2 und 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Danach ist Angestellter, wer als solcher, insbesondere mit den in § 3 AVG beispielhaft genannten Tätigkeitsmerkmalen, gegen Entgelt beschäftigt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG). Entsprechen Verweisungen finden sich auch in arbeitsrechtlichen Vorschriften (z.B. in § 616 Abs. 2 BGB, § 6 Abs. 2 BetrVG). Welche Bedeutung sie dort haben, ist hier nicht zu entscheiden. Der Begriff des Angestellten in § 405 RVO setzt jedenfalls nicht voraus, daß ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts besteht; vielmehr kommt es insoweit, wie in zahlreichen Vorschrif...