Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 S. 1
Tenor
Die Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder einer Behörde entspricht auch dann der gesetzlichen Schriftform, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist.
Tatbestand
I.
1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte mit seiner gegen die Beklagte und Revisionsklägerin, eine Landesversicherungsanstalt (LVA), erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Erfolg. Das Landessozialgericht wies die Berufung der LVA zurück. Hiergegen legte diese Revision zum Bundessozialgericht (BSG) ein, die sie mit einem weiteren Schriftsatz begründete. Die Revisionsbegründungsschrift ist wie folgt unterzeichnet:
gez. S. (maschinenschriftlich) Ltd. Verwaltungsdirektor
beglaubigt:
handschriftliche Unterschrift
(K.)
Verwaltungsoberamtmann.
Ein Stempel oder Siegel ist nicht beigefügt.
2. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hält die Revision der LVA für unzulässig n weil die Revisionsbegründung nicht die eigenhändige Unterschrift des für den Inhalt Verantwortlichen trägt. Die lediglich mit einem Beglaubigungsvermerk – mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels – versehene maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers genüge nicht dem Formerfordernis der Schriftlichkeit, dem auch die Revisionsbegründung (§ 164 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) unterliege.
Der 4. Senat des BSG sieht sich an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch abweichende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) gehindert Beide Gerichtshöfe seien der Rechtsansicht, daß eine eigenhändige Unterzeichnung durch den für den Inhalt Verantwortlichen nicht erforderlich sei. Zwischen ihnen bestehe allerdings insofern auch eine Divergenz, als der Große Senat des BVerwG in den Gründen des Beschlusses vom 15. Juni 1959 Gr.Sen. 1.58 (BVerwGE 10, 1 [3]) ausgeführt habe, es genüge ein handschriftlich unterzeichneter Beglaubigungsvermerk, gleichviel, ob mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels, während der BFH im Urteil vom 23. Mai 1975 VI R 54/73 (BFHE 116, 142 [145], BStBl II 1975, 715) entschieden habe, eine Klage, die von der zur Erhebung befugten Person als Vertreter einer Behörde nicht eigenhändig unterschrieben worden sei, erfülle die Voraussetzungen der Schriftlichkeit nur, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem amtlich gesiegelten Beglaubigungsvermerk versehen sei, der von einem siegelführenden Beamten unterschrieben worden sei.
3. Der 4. Senat des BSG setzte das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus und legte dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor:
Entspricht die Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt öffentlichen Rechts nur mit der eigenhändigen Unterschrift des für ihren Inhalt Verantwortlichen der gesetzlichen Form oder genügt es, wenn der in Maschinenschrift wiedergegegeben Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk – mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels – versehen ist?
Entscheidungsgründe
II.
Über die Vorlagefrage hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in der durch § 3 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (RsprEinhG) festgelegten Besetzung zu entscheiden. Er sieht neben dem vorlegenden 4. Senat des BSG den VI. Senat des BFH als beteiligten Senat im Sinne dieser Vorschrift an (vgl. § 4 RsprEinhG). Denn die vom 4. Senat des BSG beabsichtigte Entscheidung würde, wie noch darzulegen ist (vgl. unten III. 2. und 3.), eine Abweichung vom Urteil des BFH VI R 54/73 bedeuten. Ob die beabsichtigte Entscheidung auch von dem Beschluß des BVerwG Gr.Sen. 1.58 und weiteren, diesem Beschluß folgenden Entscheidungen des BVerwG abweichen würde, kann dahingestellt bleiben, da die in Frage kommenden Entscheidungen vor dem Urteil des BFH VI R 54/73 ergangen sind, beteiligt im Sinne von § 4 RsprEinhG aber nur der Senat ist, der als letzter entschieden hat (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, NJW 1973, 1273; BFHE 109, 206).
III.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Die vorgelegten Rechtsfragen sind entscheidungserheblich. Wird eine eigenhändige Unterschrift für erforderlich angesehen, so ist die Revision unzulässig. Wird die eigenhändige Unterschrift dagegen als verzichtbar beurteilt, so ist die Frage, ob dem Beglaubigungsvermerk ein Dienstsiegel beigefügt sein muß, ebenfalls entscheidungserheblich; denn im Streitfall war dem Beglaubigungsvermerk unter der Revisionsbegründungsschrift ein Stempel oder Siegel nicht beigefügt.
2. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist nach § 2 RsprEinhG zur Entscheidung berufen, weil das BSG von einer Entscheidung des BFH abweichen will.
a) Der Sachverhalt, den der vorlegende 4. Senat des BSG zu beurteilen hat, und der Sachverhalt, über den der BFH im Urteil...