[1] Teilweise sind die in § 45 geregelten Fallgestaltungen in § 1744 RVO geregelt gewesen. Entsprechungen zu § 45 finden sich in § 48 VwVfG.
Allgemeines:
[2] § 45 betrifft nur den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Absatz 1 der Vorschrift enthält eine Legaldefinition des Begriffs "begünstigender Verwaltungsakt" und den allgemeinen Grundsatz, dass diese Verwaltungsakte nur unter den Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden können. Absatz 2 verweist auf die bei Rücknahme eines Verwaltungsaktes vorzunehmende Interessenabwägung. Bis zu welchem Zeitpunkt rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte zurückgenommen werden dürfen, ist in Absatz 3 geregelt. Die Frage, ob der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft zurückgenommen werden darf, beantwortet Absatz 4. Welche Behörde über die Rücknahme zu entscheiden hat, bestimmt sich entsprechend § 44 Abs. 3.
Zu Absatz 1:
[3] Absatz 1 entspricht inhaltlich dem § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG.
[4] Nach der Legaldefinition des Absatzes 1 ist jeder Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt, als begünstigender Verwaltungsakt anzusehen. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass auch feststellende Verwaltungsakte, z.B. Feststellung der Versicherungsfreiheit, von der Legaldefinition erfaßt werden können. Im Sozialleistungsrecht sind rechtsbegründende begünstigende Verwaltungsakte in der Regel solche, die Leistungen gewähren.
[5] Die Formulierung "rechtlich" erheblicher Vorteil hat die Funktion, lediglich individuelle Einschätzungen auszuschließen. Es kommt darauf an, ob ein Verwaltungsakt dem Bürger schutzwürdige subjektive öffentliche materielle oder formelle Rechte - einschließlich der rechtlich geschützten Interessen - zubilligt.
[6] Zu beachten ist auch, dass ein Verwaltungsakt sowohl begünstigende als auch belastende Teile enthalten kann. Soweit die beiden Teile des Verwaltungsaktes getrennt geregelt werden können, kann eine teilweise Aufhebung nach den entsprechenden Vorschriften in Betracht kommen. Wenn Belastung und Begünstigung untrennbar verbunden sind, so ist hinsichtlich der Rücknahme der gesamte Verwaltungsakt als begünstigend zu behandeln. Eine Abwägung der Vor- und Nachteile ist nicht möglich, da ansonsten die in § 45 für den Betroffenen vorteilhaftere Regelung durch die Regelung des § 44 unterlaufen werden könnte.
[7] Rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, der zum Zeitpunkt seiner Wirksamkeit (§ 39) gegen formelles oder materielles Recht verstieß. Diese Rechtswidrigkeit kann sich auch aus einer rückwirkenden Rechtsänderung ergeben. Bei Ermessensentscheidungen kann die Rechtswidrigkeit auch auf Ermessensüberschreitung oder Ermessensmißbrauch beruhen.
[8] § 45 Abs. 1 legt fest, dass der Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden darf.
Zu Absatz 2:
[9] § 45 Abs. 2 Satz 1 bestimmt grundsätzlich, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt n i c h t zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ist § 45 Abs. 3 zu beachten.
[10] Rechtswidrige Verwaltungsakte mit dem Vorbehalt des Widerrufs schließen von vornherein ein Vertrauen auf den Fortbestand des Verwaltungsaktes aus. Der Betroffene darf in diesem Falle beim rechtswidrigen Verwaltungsakt nicht besser stehen als bei einem rechtmäßigen. Welches Vertrauen schutzwürdig bzw. nicht schutzwürdig ist, wird in § 45 Abs. 2 Sätze 2 und 3 näher konkretisiert. Schützwürdig ist das Vertrauen in der Regel, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
[11] Bei Verbrauch der Leistungen ist nicht mehr nach eventuellen Nachteilen zu fragen, sondern die Rücknahme ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. jedoch § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in solchen Fällen die Rücknahme in der Regel zu unzumutbaren Nachteilen führen würde.
[12] Als Vermögensdisposition im Sinne der Regelung ist jedes Verhalten des Begünstigten zu verstehen, das in ursächlichem Zusammenhang mit dem begünstigenden Verwaltungsakt steht und Rückwirkungen auf seine Vermögenssituation hat, wie z.B. das Ausrichten der Lebensführung auf die gewährten Leistungen oder das Unterlassen einer nun nicht mehr als notwendig angesehenen Erwerbstätigkeit. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob der Begünstigte die Vermögensdisposition rückgängig machen kann; wenn nein, so ist sein Vertrauen in der Regel schutzwürdig. Das gleiche gilt, wenn der Betroffene die Vermögensdisposition nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dies ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen.
[13] § 45 Abs. 2 Satz 3 enthält mehrere Fallgestaltungen, in denen sich der Begünstigte nicht auf das Vertrau...