8.1 Arten der Bindungsfristen

[1] Nach der Ausübung des Wahlrechts ist das Mitglied nach der Rechtslage ab dem 1.1.2021 an die gewählte Krankenkasse zunächst für 12 Monate gebunden (allgemeine Bindungsfrist). Darüber hinaus gilt die besondere Bindungsfrist von einem oder drei Jahren für Mitglieder, die von einem Wahltarif ihrer Krankenkasse nach § 53 SGB V Gebrauch machen. Beide Fristen müssen nicht zwingend parallel verlaufen.

[2] Davon zu unterscheiden ist die nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB V für bestimmte Personengruppen eingeräumte Option, eine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch zu wählen (sog. Optionskrankengeld). Die hierbei entstehende dreijährige Bindung an die Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 8 Satz 1 SGB V ist im Rahmen des Krankenkassenwahlrechts nicht zu berücksichtigen.

8.2 12-monatige Bindungsfrist (Allgemeine Bindungsfrist)

8.2.1 Ereignisse, die eine allgemeine Bindungsfrist auslösen

[1] Nach Maßgabe des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V in der ab dem 1.1.2021 geltenden Fassung sind Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte an die von Ihnen gewählte Krankenkasse mindestens 12 Monate gebunden. Das Ereignis, welches die allgemeine Bindungsfrist auslöst, ist somit nach dem neuen Recht die tatsächliche Wahl einer Krankenkasse durch das Mitglied, und nicht ein zwar grundsätzlich bestehendes, jedoch tatsächlich nicht ausgeübtes Wahlrecht. Die bis zum 31.12.2020 geltende, durch die BSG-Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 8.10.1998, B 12 KR 11/98 R, USK 9834) geprägte Regelung, wonach die Bindungsfrist an das grundsätzlich entstandene Krankenkassenwahlrecht geknüpft ist, ohne dass ein Wechsel der Krankenkasse damit zwingend einhergehen muss, ist mit der Gesetzesänderung entfallen.

[2] Ausschlaggebend für das Entstehen der Bindungsfrist ist demnach ein tatsächlicher Wechsel der zuständigen Krankenkasse durch eine gegenüber der gewählten Krankenkasse kommunizierte Wahlentscheidung des Mitglieds. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Krankenkassenwechsel bei unverändertem Versicherungsverhältnis oder bei sofortigem Wahlrecht handelt. Unter Berücksichtigung eines weiteren Grundsatzes des § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V, wonach jede Bindungsfrist bei Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes erlischt, ergeben sich im Einzelnen folgende Fallkonstellationen, die eine neue 12-monatige Bindungsfrist auslösen:

  • Das Mitglied wählt eine Krankenkasse im Kündigungsverfahren.
  • Eine Person, die zuvor überhaupt nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, wählt eine Krankenkasse bei einem erstmaligen Eintritt der Versicherungspflicht (einschließlich der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V) bzw. der Versicherungsberechtigung.
  • Eine Person wählt eine Krankenkasse bei Eintritt der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung nach einer Unterbrechung der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (z.B. durch einen Auslandsaufenthalt oder eine Versicherung in der privaten Krankenversicherung). Dies gilt nicht, wenn die betroffene Person das Mitglied der Krankenkasse wird, bei der zuletzt vor der Unterbrechung die Versicherung bestand.
  • Das Mitglied wählt eine neue Krankenkasse bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Pflichtmitgliedschaft.
  • Das Mitglied wählt eine neue Krankenkasse bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Anschluss an einen nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V.
  • Das Mitglied wählt eine Krankenkasse bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Anschluss an eine Familienversicherung. Dies gilt nicht, wenn die betroffene Person das Mitglied der Krankenkasse wird, bei der die Familienversicherung bestand.
  • Das Mitglied wählt eine neue Krankenkasse bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete freiwillige Mitgliedschaft.
  • Das Mitglied wählt eine neue Krankenkasse bei Begründung einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Pflichtmitgliedschaft.
  • Das Mitglied wählt eine neue Krankenkasse bei Begründung einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V im Anschluss an eine Familienversicherung.

8.2.2 Ereignisse, die keine allgemeine Bindungsfrist auslösen

[1] Die Bindungswirkung des Krankenkassenwahlrechts knüpft nach einer ausdrücklichen Formulierung in der Neufassung des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V an die eigenständige Wahl des Mitglieds an. Durch die Gesetzesänderung wird dem bisherigen, durch die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 8.10.1998, B 12 KR 11/98 R, USK 9834), geprägten Verfahren, wonach auch eine wahlersetzende Anmeldung der zur Meldung verpflichteten Stelle eine Bindungsfrist auslöst, die Grundlage entzogen. Eine Anmeldung durch die zur Meldung verpflichtete Stelle im Falle einer unterlassenen Ausübung des Wahlrechts durch das Mitglied löst für sich gesehen somit keine Bindung an die Krankenkasse aus. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Anmeldung bei der letzten Krankenkasse nach § 175 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz SGB V oder um eine Wahl des Arbeitgebers nach Maßgabe des § 175 Abs. 3 S...

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