[1] Nach § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V hat die Krankenkasse spätestens einen Monat vor Ablauf des Monats, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird, ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben auf das Sonderkündigungsrecht, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V sowie auf die Übersicht des GKV-Spitzenverbandes zu den Zusatzbeitragssätzen nach § 242 Abs. 5 SGB V hinzuweisen. Der Zeitverzug bei Veränderungen des Zusatzbeitrages für bestimmte Renten- und Versorgungsbezieher wirkt sich in diesem Zusammenhang nicht aus.
Beispiel 1:
Erhöhung eines Zusatzbeitragssatzes ab |
1.9.2023 |
Hinweispflicht der Krankenkasse spätestens am |
31.8.2023 |
Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts bis |
2.10.2023 (30.9.2023 = Samstag) |
Kündigung am |
7.9.2023 |
Beurteilung: |
Die Mitgliedschaft endet am |
30.11.2023 |
[2] Die Verpflichtung der Krankenkasse, ihre Mitglieder auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen, umfasst u.a. auch eine verpflichtende Information darüber, wie das Kündigungsrecht zu realisieren ist. Die Mitglieder sind hierbei darüber aufzuklären, dass für einen Wechsel in eine andere Krankenkasse keine Kündigungserklärung mehr vom Mitglied ausgesprochen werden kann, sondern nur eine Wahlerklärung gegenüber der neuen Krankenkasse abzugeben ist.
[3] Ferner sieht die Regelung eine darüber hinausgehende Informationspflicht der Krankenkasse vor, soweit der erstmalig erhobene Zusatzbeitrag oder der erhöhte Zusatzbeitragssatz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz überschreitet. In diesem Fall sind die Mitglieder (zusätzlich) auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln.
[4] Kommt eine Krankenkasse ihrer Hinweispflicht gegenüber einem Mitglied nicht fristgerecht nach, gilt nach § 175 Abs. 4 Satz 8 1. Halbsatz SGB V eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Die Rechtzeitigkeit der Kündigung innerhalb der in Satz 6 der Vorschrift genannten Frist wird damit fingiert. Mit der Fiktion wird die Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts hinausgeschoben, nicht aber der Zeitpunkt des Krankenkassenwechsels. Die Regelung verfolgt die Zielsetzung, auch in diesen Fällen die mit der Erhebung von Zusatzbeiträgen einhergehende Belastung der Mitglieder zeitlich zu begrenzen.
[5] Im Übrigen sehen die gesetzlichen Regelungen in den Fällen des verspäteten Hinweises durch die Krankenkasse keine explizite Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts vor. Nach dem Sinn und Zweck des § 175 Abs. 4 Satz 8 SGB V ist das Mitglied so zu stellen, als ob die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. Daher wird die in § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V vorgesehene Frist von einem Monat zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts auch auf die angesprochene Sachverhaltskonstellation übertragen. Die Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts endet also in diesen Fällen einen Monat nach dem verspäteten Hinweis der Krankenkasse.
Beispiel 2:
Erhöhung eines Zusatzbeitragssatzes ab |
1.1.2023 |
Hinweispflicht der Krankenkasse spätestens am |
31.12.2022 |
Verspäteter Hinweis der Krankenkasse am |
16.1.2023 |
Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts bis |
16.2.2023 |
Kündigung am |
6.2.2023 |
Beurteilung: |
Die Mitgliedschaft endet am |
31.3.2023 |
Die Fiktionsregelung nach § 175 Abs. 4 Satz 8 1. Halbsatz SGB V, die für alle im Zeitraum vom 2.2. bis zum 16.2.2023 eingegangenen Kündigungserklärungen maßgeblich ist, erklärt die Kündigung als im Monat Januar 2023 ausgeübt. |
[6] Mit der Regelung des § 175 Abs. 4 Satz 8 2. Halbsatz SGB V wird verhindert, dass eine schon frühzeitig, d.h. vor Ablauf des Monats, für den erstmalig ein Zusatzbeitrag oder der erhöhte Zusatzbeitragssatz erhoben wird, erklärte Kündigung von der vorgenannten Fiktionsregelung erfasst wird. Ausgehend von dem vorgenannten Beispiel, sind von der Regelung wörtlich sowohl die im Monat Januar 2023 als auch bereits bis zum 31.12.2022 ausgesprochenen Kündigungen betroffen. Für die im Januar erfolgten Kündigungen läuft die Regelung allerdings ins Leere, da diese ohnehin zum 31.3.2023 wirksam werden. Für die bis zum 31.12.2022 rechtswirksam ausgesprochenen Kündigungen bewirkt § 175 Abs. 4 Satz 8 2. Halbsatz SGB V, dass sie bereits zum 28.2.2023 wirksam werden. Unter welchen Bedingungen die vor Inkrafttreten der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages beziehungsweise der Erhöhung eines Zusatzbeitragssatzes ausgesprochenen Kündigungen ihre Wirksamkeit entfalten, wird unter Abschnitt 9.1.4 erläutert.
[7] Die Ausgestaltung der Hinweispflicht der Krankenkassen im Zusammenhang mit dem Sonderkündigungsrecht wird temporär für die Fälle der Anhebung des Zusatzbeitragssatzes im Zeitraum vom 1.1. bis zum 30.6.2023 verändert. Dies ergibt sich aus dem mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten § 175 Abs. 4a SGB V. Danach entfällt die Pflicht der Krankenkassen, ihre Mitglieder zwingend durch ein gesondertes Schr...