[1] Die Vorschrift des § 33a Abs. 4 SGB V hat klarstellenden Charakter. So bleiben gemäß § 33a Abs. 4 Satz 1 SGB V die Leistungsansprüche der Versicherten, die sich aus anderen Vorschriften des SGB V ergeben, durch § 33a SGB V unberührt und werden folglich nicht ausgeschlossen. Demnach sind Medizinprodukte, die unter die Legaldefinition für digitale Gesundheitsanwendungen fallen und zugleich auch als Hilfsmittel einzuordnen oder Bestandteil neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind, nach den für diese Leistungen geltenden Vorschriften vom Leistungsumfang erfasst. Insoweit können bei solchen Medizinprodukten voneinander unabhängige, alternative Leistungsansprüche der Versicherten bestehen sowie voneinander unabhängige Verfahren zur Aufnahme in den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung existieren, die sich nicht gegenseitig ausschließen.
[2] Dementsprechend kann, auch wenn nicht vom Leistungsumfang nach § 33a Abs. 1 SGB V umfasst, der Anspruch auf digitale Medizinprodukte zur Verhütung von Krankheiten im Sinne von Prävention auf der Basis anderer im SGB V vorgesehener Rechtsgrundlagen bestehen. Dies, da nach § 33a Abs. 4 Satz 1 SGB V Leistungsansprüche nach anderen Vorschriften von § 33a SGB V unberührt bleiben. Vor diesem Hintergrund bleiben auch Leistungsansprüche auf digitale Gesundheitsanwendungen die von Krankenkassen im Rahmen von Satzungsleistungen, Modellvorhaben oder Selektivverträgen zur Verfügung gestellt werden, unberührt.
[3] Gemäß § 33a Abs. 4 Satz 2 SGB V besteht der Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen unabhängig davon, ob es sich bei einer solchen Anwendung im Einzelfall um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode handelt, über die der G-BA noch nicht entschieden hat. Es bedarf keiner vorherigen Anerkennungsentscheidung des G-BA in einer "Richtlinie nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V [MVV-RL]". Mit dem Anerkennungsverfahren digitaler Gesundheitsanwendungen nach § 139e SGB V durch das BfArM hat der Gesetzgeber für diese ein neues Verfahren für die Aufnahme von Leistungen in die Regelversorgung etabliert (vgl. Abschnitt 5.1). Im Rahmen dieses Verfahrens findet eine Prüfung, ob es sich bei der digitalen Gesundheitsanwendung im konkreten Fall um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode handelt, nicht statt.
[4] Allerdings regelt die Vorschrift auch die Vermeidung einer Umgehung von
- gesetzlichen Leistungsausschlüssen (z.B. Altersgrenzen bei Vorsorgeuntersuchungen),
- ablehnenden Entscheidungen des BfArM über die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis nach § 139e SGB V aufgrund fehlender Nachweise über positive Versorgungseffekte oder
- einschränkenden bzw. ablehnenden Entscheidungen des G-BA nach den §§ 92, 135, 137c oder § 137h Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 SGB V (z.B. in Bezug auf den Ausschluss bestimmter Patientengruppen).
[5] D.h. Leistungen bzw. Methoden unter Anwendung eines Medizinprodukts, die aus den beispielhaft genannten Gründen vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, können nicht durch digitale Zusatzfunktionen oder dadurch erstattungsfähig werden, dass sie in Form oder als Teil anderer digitaler Gesundheitsanwendungen angeboten werden (vgl. § 33a Abs. 4 Satz 3 SGB V).
[6] Sofern digitale Gesundheitsanwendungen versicherungsfremde oder ausgeschlossene Leistungen umfassen, ist die Kostenübernahme der Krankenkassen dementsprechend auf den Teil, der vom Leistungsumfang erfasst ist, oder den anspruchsberechtigten Personenkreis zu beschränken. Ob eine digitale Gesundheitsanwendung versicherungsfremde oder ausgeschlossene Leistungen umfasst, ist durch das BfArM zu prüfen.