[1] § 35 SGB I kodifiziert und konkretisiert das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Zusammenhang mit seinen Sozialdaten. Regelungsobjekt des § 35 Abs. 1 SGB I ist das Sozialgeheimnis, das in Abs. 1 Satz 1 definiert wird als Anspruch eines jeden darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Der Begriff "Sozialdaten" wiederum ist definiert durch den Hinweis auf § 67 Abs. 1 SGB X.
[2] Während früher als Sozialgeheimnis nur der Anspruch definiert war, die personenbezogenen Daten wahren zu müssen und nicht unbefugt offenbaren zu dürfen, sind seit 1994 vom Sozialgeheimnis alle Phasen des Umgangs mit den Daten betroffen: Der Anspruch bezieht sich auf die Erhebung, die Verarbeitung, die selbst fünf Untergruppen beinhaltet (speichern, verändern, übermitteln, sperren und löschen, vgl. § 67 SGB X) und die Nutzung von Daten.
[3] Unerheblich ist, in welcher Form die Daten vorhanden sind, z. B. auch in einer Akte (zum Begriff der Akte siehe § 67 Rdnr. 5). Von § 35 SGB I sind sämtliche Sozialdaten betroffen, wobei es auf einen Geheimnischarakter der Daten nicht ankommt.
[4] Die Verwendung des Wortes "Anspruch" in Absatz 1 Satz 1 begründet beim Betroffenen ein einklagbares Forderungsrecht auf Wahrung des Sozialgeheimnisses. Ein Verstoß hiergegen kann Schadensersatzansprüche (§ 82 SGB X, § 7 BDSG) und Strafverfolgungsmaßnahmen (§§ 85, 85a SGB X) nach sich ziehen.
[5] Die in Abs. 1 Satz 2 enthaltene Verpflichtung, zur Wahrung des Sozialgeheimnisses auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden dürfen, wird durch § 78a SGB X ergänzt und zugleich konkretisiert. Danach soll die Verpflichtung durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen einschließlich des Erlasses von Dienstanweisungen erfüllt werden (vgl. auch § 286 Abs. 3 SGB V). Im Gesetz selbst ist nicht definiert, was unter dem Begriff "weitergegeben" zu verstehen ist. Die Weitergabe innerhalb der verantwortlichen Stelle bedeutet "Nutzen" im Sinne des. § 67 Abs. 7 SGB X; die Weitergabe an Dritte (außerhalb der verantwortlichen Stelle) dagegen eine "Übermittlung im Sinne von § 67 Abs. 6 Nr. 3 lit. a) SGB X".
[6] Abs. 1 Satz 3 enthält das Verbot, Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen solchen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, zugänglich zu machen oder von Zugriffsberechtigten an diese weiterzugeben.
[7] Regelungsobjekt des § 35 SGB I sind ferner auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie die Daten Verstorbener. Die persönliche Verpflichtung der Mitarbeiter eines Leistungsträgers zur Wahrung des Sozialgeheimnisses dauert über das Ende ihrer Tätigkeit hinaus an.