[1] Der zuerst angegangene Rehabilitationsträger hat kurzfristig (= innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm) festzustellen, ob er für die Leistung zuständig sein kann und unter Berücksichtigung vorrangiger Leistungszuständigkeiten anderer Rehabilitationsträger hierfür auch zuständig ist. Die Krankenkassen haben dabei auch ihre Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V zu prüfen.
[2] Ein die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auslösender Antrag auf Leistungen zur Teilhabe liegt vor, wenn Unterlagen vorliegen, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichen. Hierzu gehört insbesondere, dass die Identität sowie ein konkretisierbares Leistungsbegehren des Antragstellers erkennbar sind und sich dieses konkretisierbare Leistungsbegehren unabhängig von den verwendeten Begriffen auf Leistungen zur Teilhabe i.S.v. § 4 SGB IX bezieht (vgl. § 19 der Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess").
2.1.1 Weiterleitung des Antrages
[1] Ist der zuerst angegangene Rehabilitationsträger insgesamt nicht zuständig, also für keine der vom Antrag umfassten Leistungen, muss er den Antrag unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, dem Rehabilitationsträger zuleiten, den er nach dem Ergebnis seiner Prüfung für zuständig hält. Hierdurch wird eine vorläufige Zuständigkeit gesetzlich festgelegt. Dieser "zweite" Rehabilitationsträger ist zur Prüfung des Rehabilitationsbedarfs verpflichtet. Er darf den Antrag weder weiterleiten noch zurückgeben, außer es kommt in Fällen der Unzuständigkeit des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers zu einer schnellen Klärung der Leistungsverantwortung, der sog. "Turbo-Klärung" (vgl. Punkt 2.5). Gelingt diese nicht oder stellt sich erst nachträglich seine Unzuständigkeit heraus, besteht ein Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger.
[2] Sofern der zuerst angegangene Rehabilitationsträger nur teilweise nicht zuständig ist, darf er den Antrag nicht nach § 14 Abs. 1 SGB IX weiterleiten. Vielmehr kommt das Verfahren nach § 15 SGB IX zum Tragen. Gleiches gilt für den zweitangegangenen Rehabilitationsträger, der in diesen Fällen keine Turbo-Klärung einleiten darf.
2.1.2 Besonderheiten der Weiterleitung
[1] Werden Leistungen zur Teilhabe beim erstangegangenen Rehabilitationsträger beantragt, für die er insgesamt nicht zuständig ist und nach § 6 Abs. 1 SGB IX auch nicht Leistungsträger sein kann und wurde der Antrag nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet, besteht die Möglichkeit des Antragssplittings nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 29 Abs. 5, § 30 Abs. 3 Gemeinsame Empfehlung "Reha-Prozess" (erweitertes Antragssplitting). Diese Regelungen zum erweiterten Antragssplitting wurde in den Beratungen zur Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess" auf Vorschlag des BMAS aufgenommen und leitet sich zugleich aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23.9.2016 zum BTHG zu § 15 Abs. 1 SGB IV ab (vgl. Ziffer 10 BT-Drucks. 18/9954 vom 12.10.2016). Das erweiterte Antragssplitting greift auch im Interesse des Menschen mit (drohender) Behinderung die Zielsetzung auf, dass die Verantwortung für eine Feststellung und Erbringung der Leistung bei dem Rehabilitationsträger liegen soll, der für diese Leistung grundsätzlich zuständig ist. Die Regelung schließt insoweit auch an die Intention des § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX a.F. an, wonach bei einer im Außenverhältnis neuen Zuständigkeit, die interne Verpflichtung des zuständigen Rehabilitationsträgers zur Leistungsfeststellung weiterhin bestand, um zu einer sachgerechten Leistungsentscheidung zu kommen.
- Eingang eines Antrags auf Leistungen zur sozialen Teilhabe bei der Krankenkasse am 19.3.2019
- 2-Wochen-Frist nach Absatz 1 [des § 14 SGB IX] verläuft vom 20.3.2019 bis 2.4.2019
- Weiterleitung des Antrags an den Träger der Eingliederungshilfe am 3.4.2019
- der Träger Eingliederungshilfe beruft sich auf das Versäumen der Frist nach § 14 Abs. 1 SGB IX und lehnt die Weiterleitung ab
- Vornahme eines erweiterten Antragssplittings durch die Krankenkasse gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe am 3.4.2019
Der Krankenkasse obliegt als leistender Rehabilitationsträger weiterhin die Koordinierungsverantwortung insbesondere hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen, wohingegen. Die Verantwortung für die Entscheidung und Bewilligung der Leistung geht auf den Träger der Eingliederungshilfe über.
Achtung:
Die Träger der Eingliederungshilfe sind nicht Vereinbarungspartner der Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess", sondern orientieren sich lediglich an dieser. Insoweit können Widerstände auf Seiten der Träger der Eingliederungshilfe bei der Anwendung der Regelungen zum erweiterten Antragssplitting nicht ausgeschlossen werden. Um entsprechende Unstimmigkeiten zu vermeiden, sollte vorrangiges Ziel die Vornahme einer Weiterleitung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs. 1 SGB IX sein.