Vorwort
Zum 1.1.2018 sind mit Artikel 1 SGB IX, Teil 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) die für die Krankenkassen bedeutsamen Änderungen des SGB IX, Teil 1 – Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung betroffenen Menschen – in Kraft getreten. Diese beinhalten eine umfangreiche Weiterentwicklung des 1. Teils des SGB IX mit dem Ziel einer Verbesserung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger. Darüber hinaus sehen die zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getretenden Artikel 6 und 23 Folgeänderungen des SGB V und der Frühförderungsverordnung [FrühV] vor.
Die zum 1.1.2020 in Kraft tretenden Änderungen durch Artikel 1 SGB IX, Teil 2 umfassen insbesondere die Überführung der Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe in den 2. Teil des SGB IX mit der Zielsetzung einer stärker personenzentrierten Ausrichtung.
Die Regelungen des SGB IX, Teil 1 sind nach ihrem Geltungszeitraum ab 1.1.2018 anzuwenden. Daher gelten sie für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen und somit für Anträge, die nach dem 31.12.2107 beantragt werden.
Für die gesetzliche Krankenversicherung sind insbesondere folgende Änderungen des SGB IX, Teil 1 relevant:
- Definition verbindlicher Anforderungen an das Verfahren zur Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs
- stärkere Normierung des Verfahrens zur Koordinierung der Leistungen, insbesondere mit Blick auf trägerübergreifende Fallgestaltungen mit komplexen Versorgungsbedarfen
- Neuordnung der Beratungsangebote im Zusammenhang mit Teilhabeleistungen
- gesetzliche Festschreibung zentraler Aufgaben der BAR
- Erstellung eines jährlichen Teilhabeverfahrensberichts durch die BAR
Der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene geben mit der Überarbeitung des Gemeinsamen Rundschreibens zum SGB IX vor dem Hintergrund des BTHG erste Umsetzungshinweise für eine einheitliche Rechtsanwendung in der Praxis der gesetzlichen Krankenversicherung. Weitere Hinweise insbesondere zu trägerübergreifenden Aspekten des SGB IX, Teil 1 sind der auf Ebene der BAR vereinbarten Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess" zu entnehmen. Diese ist zum 1.12.2018 in Kraft getreten. Darüber hinaus wird das Rundschreiben durch Ergebnisse der regelmäßigen Besprechungen der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene und des GKV-Spitzenverbands zum Bereich Rehabilitation sowie Vereinbarungen und Absprachen mit weiteren Rehabilitationsträgern zur Klärung in der Praxis auftretender Fragestellungen sowie noch offene Punkte zu den Neuregelungen ergänzt.
Das SGB IX beinhaltet auch Regelungen zum Verhältnis der Leistungen der Eingliederungshilfe zu denen der sozialen Pflegeversicherung. Nähere Ausführungen sind im GR v. 20.12.2022 (z. B. [zu] § 13 SGB XI – Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen) zu finden.
Artikel 1 SGB IX
Teil 1 Regelungen für Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen
Kapitel 1 – Allgemeine Vorschriften
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
Siehe § 1 SGB IX
1. Allgemeines
[1] Die Vorschrift formuliert die Ziele des SGB IX. Vorangestellt und hervorgehoben wird das Ziel, Selbstbestimmung sowie volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben durch besondere Sozialleistungen (Leistungen zur Teilhabe – vgl. § 4 SGB IX) zu fördern. Dabei sollen so weitgehend wie immer möglich die eigenen Fähigkeiten zur Selbstbestimmung – und damit auch zur Selbsthilfe – gestärkt, unterstützt und eine möglichst selbständige Lebensführung ermöglicht werden.
[2] Als Leistungen der Krankenversicherung kommen zur Erreichung dieser Zielsetzung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und unterhaltssichernde sowie ergänzende Leistungen in Betracht.
[3] Satz 2 stellt klar, dass den Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen, beispielsweise aufgrund von Erziehungsaufgaben und anderen Familienpflichten, in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist; Entsprechendes gilt auch für die besonderen Bedürfnisse von Kindern sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen.
§ 2 Begriffsbestimmungen
Siehe § 2 SGB IX
1. Allgemeines
Die Vorschrift begründet keine unmittelbaren Leistungsansprüche, sondern definiert die Begriffe Behinderung und Schwerbehinderung. Mit den Begriffsbestimmungen wird der Personenkreis festgelegt, für den die in § 1 [SGB IX] umschriebenen Ziele und damit die Regelungen des SGB IX insgesamt von Bedeutung sind.
2. Personenkreis des SGB IX
[1] Behinderte und von Behinderung Bedrohte zählen zu dem Personenkreis des SGB IX.
[2] [korr.] Darüber hinaus enthält das SGB IX Regelungen speziell für schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte Menschen.
3. Begriffsdefinitionen
[1] Bei der Begriffsbestimmung im Absatz 1 Satz 1 [des § 2 SGB IX] orientiert sich der Gesetzgeber an der Konzeption der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit", kurz ICF genannt, der das bio-psycho-soziale Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde liegt. Die WHO hat 2001 die Verwendung der ICF als Ergänzung zur "Internationalen Klassifikation der K...