A.2.2.3.1 Anforderungen an das PKV-Versicherungsunternehmen
Die Interpretation des Tatbestandsmerkmals "zuletzt privat krankenversichert" i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V orientiert sich an den im § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG formulierten Anforderungen an das PKV-Versicherungsunternehmen. Danach wird als Pendant zur gesetzlichen Auffang-Versicherungspflicht die Verpflichtung zum Abschluss eines bestimmten Vertrages bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen definiert. Daher kann die zukunftsorientierte Zuweisung einer Person zum PKV-System im Sinne der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG nur dann erfolgen, wenn diese bereits in der Vergangenheit (zuletzt) einem Unternehmen angehörte, das den vorgenannten Anforderungen entspricht. Für Unternehmen in EU-/EWR-Staaten, in der Schweiz oder im Vereinigten Königreich ist ohne weitere Prüfung anzunehmen, dass sie auch in Deutschland zugelassen sind. Der Grund hierfür liegt in der sich aus Artikel 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.6 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit ergebenden Tatbestandsgleichstellung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.5.2020, L 4 KR 1252/20 ER-B). Die Krankenversicherung bei einem nicht in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen privaten ausländischen Krankenversicherungsunternehmen erfüllt dagegen die Voraussetzung "zuletzt privat krankenversichert"“ i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht.
A.2.2.3.2 Art des Versicherungsvertrages
A.2.2.3.2.1 Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherung
[1] Die Zuordnung zum System der PKV setzt neben der institutionellen Abgrenzung (vgl. Abschnitt A.2.2.3.1) das Bestehen eines bestimmten Vertrages voraus, und zwar eines Vertrages über eine Krankheitskostenversicherung (vgl. § 192 Abs. 1 VVG). Der Krankheitskostenversicherung steht die ergänzende Krankheitskostenversicherung über den von der Beihilfe nicht übernommenen Kostenteil gleich. Die Versicherungszeiten in einem anderen EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder im Vereinigten Königreich erfüllen im Wege der Tatbestandsgleichstellung nach Artikel 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.6 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit das Merkmal "zuletzt privat versichert", wenn es sich um einen privaten Krankenversicherungsvertrag handelt, der mit einem Krankheitskostenversicherungsvertrag im Sinne des § 192 Abs. 1 VVG vergleichbar ist.
[2] Dagegen begründen die Krankentagegeldversicherung (vgl. § 192 Abs. 5 VVG) bzw. die Krankenhaustagegeldversicherung (vgl. § 192 Abs. 4 VVG) keine Zuordnung zum System der PKV, weil sie für einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne der Auffang-Versicherungspflicht nicht ausreichen (vgl. Abschnitt A.2.4.3.2).
A.2.2.3.2.2 Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Incoming-Krankenversicherung
[1] Für eine Ausbildungs-, Auslands- oder Reisekrankenversicherung gilt, dass im Falle ihrer Beendigung kein Tatbestandsmerkmal "zuletzt privat krankenversichert" i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorliegt. Dies ergibt sich aus dem befristeten Charakter dieser Versicherungsverträge (vgl. § 195 Abs. 2 VVG). Für eine Auslandskrankenversicherung ist darüber hinaus von Bedeutung, dass die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund des Ruhens von Leistungsansprüchen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, insbesondere bei Aufenthalt des Versicherten im sog. vertragslosen Ausland, keine Alternative zum Abschluss einer Auslandskrankenversicherung bietet. Auch vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, im Sinne einer Systemabgrenzung nach Beendigung einer Auslandskrankenversicherung keine Zuordnung zur PKV vorzunehmen. Dies gilt auch für Auslands-Gruppenversicherungen, welche deutsche Arbeitgeber für vorübergehende Auslandsaufenthalte ihrer Mitarbeiter abschließen.
[2] Eine "Incoming-Reisekrankenversicherung" ist für einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland konzipiert. Für Personen mit vorübergehendem Aufenthalt kommt eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht in Betracht, da diese weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Insoweit stellt sich die Frage, ob es sich bei einer Incoming-Reisekrankenversicherung um einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall handelt, regelmäßig nicht. Wird der Aufenthaltsstatus geändert und erstmals der Wohnsitz im Inland begründet, ist allein wegen der Incoming-Krankenversicherung eine Zuordnung zur PKV nicht zulässig. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V käme daher grundsätzlich in Betracht, wenn kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall (mehr) vorliegt. Allerdings dürfte die Auffang-Versicherungspflicht für Ausländer im Regelfall an den Vorgaben des § 5 Abs. 11 SGB V (vgl. Abschnitt A.2.5) scheitern.
A.2.2.3.2.3 Anwartschaftsversicherung in der PKV
[1] Im Recht der privaten Krankenversicherung ist ein besonderes Vertragsverhältnis mit der Bezeichnung "Anwartschaftsversicherung" möglich. Damit wird ein bestehendes, gekündigtes oder beantragtes privates Krankenversicherungsverhältnis unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte (und ggf. der Alterungsrückstellung) ruhend gestellt, um es zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen. Für die Dauer der Anwartschaftsversicherung besteht jedoch kein Anspruch...