Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Kosten für eine Kraftfahrzeugversicherung nach dem SGB I

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 11.02.2004)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Februar 2004 geändert, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die zum 1. April 2004 fällige Versicherungsrate für den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen HH-… in Höhe von 352,08 Euro vorläufig zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beteiligen je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat Erfolg. Die Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den zum 1. April dieses Jahres fälligen Vierteljahresbeitrag für die Kraftfahrtversicherung der Antragstellerin vorläufig zu übernehmen.

1. Die 33jährige Antragstellerin, die schwerbehindert (Merkzeichen G, aG und H) und auf den Rollstuhl angewiesen ist, arbeitet als Erzieherin. Den Weg zu ihrem Arbeitsplatz legt sie mit einem behindertengerecht ausgestatteten Kraftfahrzeug (Ford Transit) zurück. Für die Beschaffung des PKW und die Zusatzausstattung hat das Arbeitsamt Hamburg der Antragstellerin Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben nach § 97 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX in Höhe von insgesamt ca. 70.000,– Euro bewilligt. Den Beitrag für die Kraftfahrtversicherung für das Jahr 2003 (1.476 Euro) hat die Antragsgegnerin als Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG übernommen. Für das laufende Jahr hat die Antragsgegnerin die Übernahme der Kraftfahrzeugversicherung – und von Reparaturkosten (160 Euro) sowie Inspektionskosten (538 Euro) – mit Bescheid vom 16. Januar 2004 abgelehnt. Auch das Arbeitsamt hat einen inhaltsgleichen Antrag abschlägig beschieden (Bescheid vom 8.1.2004). Die Anträge der Antragstellerin sind bei diesen Stellen jeweils am 6. Januar 2004 eingegangen. Den mit dem Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid gestellten Antrag der Antragstellerin auf Vorausleistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat die Antragsgegnerin abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Inspektionskosten aus Sozialhilfemitteln verpflichtet. Diese Eingliederungsleistung sei nach Vorlage eines Kostenvoranschlags bereits dem Grunde nach bewilligt worden. Dagegen hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag betreffend die Übernahme der Reparaturkosten (Heizung) und des Kraftfahrtversicherungsbeitrags für 2004 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Einem Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz stehe der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 BSHG entgegen. Insoweit seien Leistungen der Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben vorrangig und gegenüber dem dafür zuständigen Arbeitsamt – ggf. durch Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht – zu verfolgen. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Hilfegewährung komme auch nicht nach § 44 Abs. 1 BSHG in Betracht. Danach müsse der Träger der Sozialhilfe bei einem Zuständigkeitsstreit (nur) dann Eingliederungshilfe vorläufig gewähren, wenn dem Hilfesuchenden ansonsten irreparable Schäden drohten. Davon könne angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin die Beitragsrechnung für die Krankenversicherung erst nach Fälligkeit (1.1.2004) eingereicht habe, keine Rede sein. Schließlich müsse die Antragsgegnerin die streitigen Betriebskosten nicht nach § 43 Abs. 1 SGB I vorläufig übernehmen. Es sei nicht völlig klar, ob die Antragsgegnerin oder das Arbeitsamt der insoweit zuerst angegangene Träger sei. Außerdem fehle es an einem Anspruch im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift. Für die begehrte Hilfe sähen sowohl die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung als auch die Eingliederungshilfe-Verordnung jeweils nur Ermessensleistungen vor.

2. Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerde, die sie – nach Änderung der Zahlungsweise des Kraftfahrtversicherungsbeitrags – auf die Übernahme der fälligen Vierteljahresprämie begrenzt hat, Gründe dargelegt, aus denen die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern und ihrem Antrag zu entsprechen ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO).

Die Antragstellerin hat zunächst einen Anordnungsgrund ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Sie hat durch entsprechende – zusammen mit der Rechtsmittelbegründung eingereichte – umfangreiche Unterlagen nachgewiesen, dass sie nach ihren derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die nunmehr jeweils vierteljährlich fällig werdenden Beiträge zur Kraftfahrtversicherung ohne Gefährdung ihres notwendigen Lebensunterhalts und ihrer Wohnunterkunft zu bezahlen.

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