Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitglieder einer eheähnlichen Gemeinschaft sind keine „Mitglieder eines Haushaltes” im Rahmen der Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern
Leitsatz (amtlich)
§ 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist bei der Kostenerstattung auf die Mitglieder einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht anzuwenden.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Urteil vom 22.10.2002) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2002 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.782,65 Euro festgesetzt.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens ist der Beschluss vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen für einen Hilfeempfänger, der aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugezogen ist und mit einer weiteren Hilfeempfängerin in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob auf eine derartige Gemeinschaft § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG anzuwenden ist.
Am 28. Mai 1999 verzog zunächst Frau (im Folgenden Hilfeempfängerin) aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die ihr bis dahin Sozialhilfe gewährt hatte, in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Diese bewilligte der Hilfeempfängerin ab Juni desselben Jahres laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Aufenthaltswechsel beliefen sich die Aufwendungen der Klägerin für die Hilfeempfängerin auf insgesamt 21.159,– DM.
Am 19. Juli 1999 verzog sodann Herr … (im Folgenden Hilfeempfänger), der ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gewohnt und von dieser Sozialhilfe erhalten hatte, in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Das Sozialamt der Klägerin gewährte dem Hilfeempfänger, der über nicht bedarfsdeckende Einkünfte verfügte, ab August desselben Jahres bis zum 31. Dezember 2000 ergänzende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (insgesamt 3.486,57 DM). Nach Darstellung der Klägerin lebten beide Hilfeempfänger ab August 1999 bis Mai 2000 – und ab Mai 2001 erneut – in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 122 BSHG.
Nach Aufforderung durch die Klägerin lehnte es die Beklagte unter Hinweis auf die Bagatellgrenze nach § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG von seinerzeit 5.000,– DM (ab 1.1.2002 2.560,– Euro) ab, die Aufwendungen der Klägerin für den Hilfeempfänger zu erstatten. Die für die Hilfeempfängerin erbrachten Sozialhilfeleistungen von insgesamt 21.159,– DM hat die Beklagte zwischenzeitlich der Klägerin überwiesen.
Die Klägerin bestand auf Erstattung ihrer Aufwendungen für beide Hilfeempfänger und hat daraufhin Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die Bagatellgrenze sei im Fall der Gewährung von Sozialhilfe an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft auf die Gesamtaufwendungen für die Haushaltsgemeinschaft, die sich hier auf 24.645,57 DM beliefen, zu beziehen. Das ergebe sich aus § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG, dessen Anwendung nach Sinn und Zweck der Regelung nicht auf die Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG beschränkt sei. Denn nach § 122 BSHG dürften Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft lebten, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als nicht getrennt lebende Ehegatten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.782,65 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Im Fall einer eheähnlichen Gemeinschaft bestehe ein Erstattungsanspruch nur, wenn die den Hilfeempfängern gewährten Leistungen jeweils für sich die Bagatellgrenze nach § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG überschritten. Das treffe auf die dem Hilfeempfänger gewährten Leistungen nicht zu. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Satzes 2 dieser Vorschrift könne eine „gemeinsame” Bagatellgrenze nur bei Mitgliedern einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG – also nur bei nicht getrennt lebenden Ehegatten und bei Eltern und minderjährigen unverheirateten Kindern – gebildet werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 22. Oktober 2002 verurteilt, an die Klägerin 1.782,65 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Klagezustellung zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nach § 107 Abs. 1 BSHG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Sozialhilfeleistungen von insgesamt 1.782,55 Euro (entspricht 3.486,57 DM), die sie für den in ihren Zuständigkeitsbereich umgezogenen Hilfeempfänger erbracht habe. Die Beklagte könne diesem Anspr...