Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Elterngeld. Rechtsänderung zum 1.1.2011. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Rechtsfrage, ob die Anrechnung von zugeflossenem Elterngeld auf die Leistungen nach dem SGB 2 gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 in der hier ab 1.1.2011 maßgeblichen Fassung verfassungsgemäß ist, erscheint im Sinne einer Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung geklärt (Vergleiche ua BVerfG vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 = SGb 2011, 702 und vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 = NJW 2012, 214 ).
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. April 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Anrechnung von Elterngeld für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 300,00 Euro monatlich.
Die seit Längerem im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Kläger erhielten auf ihren Antrag mit Bescheid des Beklagten vom 13. Dezember 2011 im streitgegenständlichen Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 11. Januar 2012 änderte der Beklagte seine Leistungsbewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum ab und rechnete erhaltenes Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich als Einkommen der Klägerin zu 1) an. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro wurde von der Beklagten einkommensmindernd berücksichtigt. Mit ihrem Widerspruch vom 13. Februar 2012 machten die Kläger geltend, eine Anrechnung von Elterngeld komme aus verfassungsrechtlichen Bedenken nicht in Betracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 27. März 2012 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und vorgetragen, ihre Klage richte sich ausschließlich gegen die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen im Sinne des SGB II. Hiergegen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Das Elterngeld sei keine Entgeltersatzleistung und keine Leistung zum Lebensunterhalt. Es solle nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen, die auch der Gemeinschaft zu Gute komme. Seit dem 1. Januar 2011 enthalte § 10 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) eine Sonderregelung für die Leistungen u. a. nach dem SGB II. Die Bezieher dieser Leistungen erhielten zwar Elterngeld. Da das Elterngeld aber auf die SGB II-Leistungen angerechnet werde, seien sie gezwungen, das Elterngeld für ihren Lebensunterhalt zu verwenden. Die Bezieher von SGB II-Leistungen seien demnach schlechter gestellt als andere Eltern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu anderen anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Dies sei jedoch hier der Fall. Die Neuregelung des § 10 Abs. 5 BEEG verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Eltern, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stünden, werde derjenige Schonraum, der anderen Eltern für die anfängliche Erziehungszeit eröffnet werde, ohne rechtfertigenden Grund genommen. Zwischen den Erziehungspersonen ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II und den Eltern mit den genannten Ansprüchen bestünden jedoch keine schwerwiegenden Unterschiede, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Das Elterngeld sei auch nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt, so dass eine Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II ausscheide.
Der Beklagte hat sich an die gesetzliche Vorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG gebunden gesehen. Er teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger hinsichtlich der Anrechnung des Elterngeldes nicht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. April 2013 abgewiesen. Der Beklagte habe in den angegriffenen Bescheiden zutreffend das der Klägerin zu 1. bewilligte Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich (unter Abzug von 30,00 Euro Versicherungspauschale) als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. Die Änderungsbefugnis zu der vorangegangenen Leistungsbewilligung ergebe sich aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III.
Unstreitig habe die Klägerin zu 1. im Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 (streitgegenständlicher Zeitraum) Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich erhalten. Ge...