Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenversorgung. Witwe. Berechnung des Schadensausgleichs. Netto-Prinzip. Anwendung der Stichtagsregelung des § 40a Abs 5 BVG. Zeitpunkt der Antragstellung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Wortlaut und Gesetzessystematik ist für die Anwendung der Stichtagsregelung des § 40a Abs 5 S 1 BVG auf den Antrag auf Hinterbliebenenversorgung abzustellen.
2. Es sich bei der § 40a Abs 5 S 1 BVG (in der Fassung des BVGÄndG 2007, BGBl I 2007, 2904) angeordneten Berechnung des Schadensausgleichs ausschließlich nach dem Netto-Prinzip um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die den Kerngehalt des Ausgleichsanspruchs nicht berührt.
3. Die Stichtagsregelung in § 40a Abs 5 S 1 BVG verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechnung des Schadensausgleichs nach § 40a Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist die Witwe des 1920 geborenen und 2009 verstorbenen B. A.. Bei diesem waren als Schädigungsfolgen mit Bescheid vom 10. März 1969 anerkannt:
“Knochendefekt im linken Stirnbein mit Hirnverletzung, Wesensveränderungen mit Anfällen von Bewusstlosigkeit."
Der Grad der MdE (später GdS) gemäß § 30 Abs. 1 BVG war auf 100 v. H., nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG ebenfalls auf 100 v. H. festgesetzt; zudem erhielt der Beschädigte die Schwerstbeschädigtenzulage Stufe 1, Pflegezulage nach § 35 BVG, den Pauschbetrag für Kleiderverschleiß, die Ausgleichsrente, den Ehegattenzuschlag und den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 ff..
Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Klägerin unter dem Datum vom 15. September 2009 die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG. Mit Bescheid vom 16. November 2009 lehnte der Beklagte den Anspruch auf Witwenrente nach § 38 BVG ab, weil das zum Tode führende Leiden (Prostatakarzinom) mit den anerkannt gewesenen Schädigungsfolgen in keinem ursächlichen Zusammenhang gestanden habe und somit nicht die Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gewesen sei.
Mit Bescheid vom 25. November 2009 erkannte der Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Witwenbeihilfe nach § 48 BVG in voller Höhe der entsprechenden Witwenrente an. Ausweislich der dem Bescheid beigefügten Anlage ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 387,00 € ab Oktober 2009 bzw. ab Januar 2010 in Höhe von 558,00 €.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, da ihr Mann die Ausübung seines Berufes aufgrund seiner Kriegsverletzung vorzeitig habe beenden müssen, sei ihm ein Berufsschadensausgleich zugesprochen worden. Dieser habe sich laut dem letzten Rentenbescheid vom 17. Juni 2009 auf 811,00 € belaufen, ermittelt nach der Brutto-Berechnung des § 30 Abs. 3 BVG. Gemäß § 30 Abs. 10 BVG habe die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag 21. Dezember 2007 die Günstigkeitsfeststellung nach Abs. 3 zu treffen gehabt und damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart festgelegt. Im Falle ihres Mannes habe der Berufsschadensausgleich zuletzt 811,00 € betragen. Folglich hätte ihr Mann eine um diesem Betrag höhere Rente von insgesamt 2.434,00 € erreichen können, wenn er nicht aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen durch die Kriegsverletzung vorzeitig seine Berufstätigkeit hätte einstellen müsse. Dadurch bedingt sei ihre gesetzlicher Witwenrentenanspruch ebenfalls um 486,00 € (60 % von 811,00 €) höher. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung nach dem Netto-Prinzip bedeute für sie als Witwe des kriegsbeschädigten Ehemannes eine Schlechterstellung und eine unangemessene Härte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, nach § 40a BVG erhielten Witwen, deren Einkommen geringer sei als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, einen Schadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H des festgestellten, auf volle Euro aufgerundeten Unterschiedbetrages, oder falls dies günstiger sei, einen Schadensausgleich nach Abs. 4. Der Abs. 4 von § 40 a BVG besage, dass der nach Abs. 1 Satz 1 letzter Satzteil zu zahlender Schadensausgleich 30 v. H. des Vergleichseinkommens abzüglich des Nettoeinkommens der Witwe sowie der Grundrente, des Pflegeausgleiches und der Ausgleichsrente betrage. In Abs. 5 sei geregelt, dass der Schadensausgleich ausschließlich nach Abs. 4 berechnet wird, wenn der Antrag erstmalig nach dem 31. Dezember 2007 gestellt werde. Hieraus sei zu entnehmen, dass aufgrund des Antrages der Klägerin vom 15. September 2009 grundsätzlich die Berechnung des Schadensausgleichs nach dem Netto-Prinzip vorzunehmen gewesen sei. Eine Übernahme der bei dem verstorbenen Ehemann vorgenommenen Berechnung des Berufsschadensausgleichs nach ...