Leitsatz (amtlich)

Auch die ablehnende Entscheidung nach § 191 2. Halbsatz SGG stellt eine im Sinne des § 172 Abs. 2 SGG mit der Beschwerde nicht anfechtbare prozessleitende Verfügung bzw. Aufklärungsordnung dar.

 

Normenkette

SGG §§ 172, 103, 106

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Entscheidung vom 10.09.1968)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Verfügung des Sozialgerichts Giessen vom 10. September 1968 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Am 10. September 1968 waren vor dem Sozialgericht Giessen zwischen dem Kläger und Beschwerdeführer und dem Beklagten und Beschwerdegegner folgende gerichtliche Verfahren anhängig:

1.) ein Streitverfahren mit dem Aktenzeichen: S-8/V-12/68, mit dem sich der Kläger gegen einen am 14. Juni 1966 abgeschlossenen „Prozessvergleich” in der früher beim Sozialgericht Giessen anhängig gewesenen Sache S-7/V-631/64 wendete.

2.) Die den Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 1967 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1967 betreffende Klage unter dem Aktenzeichen: S-8/V-634/67, die mit Beschluss des genannten Gerichts damals auf Antrag des Klägers vertagt wurde und in der später am 11. November 1969 festgestellt wurde, dass der Rechtsstreit durch Urteil erledigt sei.

3.) Die Klage gegen den einen Berufsschadensausgleich ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 1967 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1967 Az.: S-8/V-635/67, die ebenfalls auf Antrag des Klägers vertagt wurde.

In dieser Sache erging am 10. September 1968 nach mündlicher Verhandlung unter Teilnahme der Sozialrichter, nachdem der Kläger beantragt hatte, „in den heute verhandelten drei Streitfällen seine persönliche Anwesenheit nachträglich für geboten zu erachten”, folgender Beschluss: „Das persönliche Erscheinen des Klägers zur heutigen mündlichen Verhandlung in den Streitfällen S-8/V 12/68 = S-8(7)/V-631/64, S-8/V-634/67 und S-8/V-635/67 wird nicht für geboten erachtet”.

Diesen Beschluss begründete der Vorsitzende des Sozialgerichts unter dem 10. September 1968 schriftlich zu den Akten und liess ihn den Beteiligten am 12. November 1968 (Kläger) und 15. November 1968 (Beklagten) zustellen. Am 27. November 1968 ging beim Sozialgericht gegen diesen Beschluss eine Beschwerde des Klägers ein, der der Vorsitzende des Sozialgerichts durch Beschluss vom 14. März 1969 nicht abhalf, vielmehr ihn dem Landessozialgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorlegte. Der Kläger hatte ausgeführt, dass er im vorausgegangenen Verfahren nicht persönlich geladen worden sei und sein Vertrauen zur hessischen Sozialgerichtsbarkeit gestört sei. Er hätte den Termin in Giessen wahrnehmen müssen, da sein Bevollmächtigter K. u. U. als Zeuge hätte gehört werden müssen.

Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sozialgerichts vom 10. September 1968 ist – gleichgültig ob es als Beschwerde oder anderweit bezeichnet wurde – unzulässig; an dieser Rechtslage ändert die entgegenstehende Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts nichts, da die Rechtsmittelbelehrung nicht das Gesetz ändern kann, eine inhaltlich unzutreffende Rechtsmittelbelehrung also wirkungslos ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die angefochtene Entscheidung zu Recht begründet und nach Verkündung im Termin nochmals zugestellt worden ist. Sie stellt auf jeden Fall eine prozessleitende Verfügung” im Sinne der Ablehnung einer Aufklärungsanordnung dar. Solche Verfügungen und Anordnungen aber sind gemäss § 172 Abs. 2 SGG vom gesonderten Angriff durch ein Rechtsmittel ausgeschlossen und allenfalls nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar.

Wenn der Ausschluss des Rechtsmittels sogar gegen eine einen Beteiligten belastende Aufklärungsanordnung ausgeschlossen ist (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit Anm. 4 b zu § 172 SGG), dann gilt dies erst recht für eine Ablehnung dieser Aufklärungsanordnung, sei sie vor oder nach dem Erscheinen eines Beteiligten im Termin ausgesprochen.

Nach § 191 SGG 2. Halbsatz entscheidet das Gericht über die Notwendigkeit eines ohne Anordnung erfolgten Erscheinens im Termin nach seinem Ermessen („kann”). Das Ermessen aber ist, da es sich um einen Akt der Prozeßstoffsammlung handelt, im Rahmen des § 103 SGG nur im allgemeinen Rechtsmittelwege gegen das Urteil zu untersuchen.

Ist aber schon das Rechtsmittel unzulässig, so war der Senat nicht in der Lage, die Rechtsgrundlagen der angefochtenen Entscheidung näher zu prüfen und musste insbesondere dahingestellt sein lassen, ob in der Sache S-8/V-635/67 überhaupt vom Kläger auch Anträge in den anderen am 10. September 1968 beim Sozialgericht Giessen anhängigen Sachen gestellt werden und über sie entscheiden werden konnte. Insbesondere war dem Senat wegen Unzulässigkeit der Beschwerde verwehrt, nachzuprüfen, ob der vom Kläger angefochtene Beschluss eine Verbindung zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung im Sinne des § 113 SGG enthalten konnte und enthielt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar gem. § 177 SGG, d.h. er kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden.

 

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