Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtschutz im Wahlverfahren zur Sozialwahl
Orientierungssatz
Weil bei Erlass einer einstweiligen Anordnung während des Wahlverfahrens zur Sozialwahl nach § 47 SGB 4 endgültige Verhältnisse geschaffen werden können, sind zu deren Erlass besonders strenge Bedingungen zu erfüllen. Danach muss unzweifelhaft und offensichtlich ein Wahlverstoß vorliegen, der aufgrund seiner Schwere zur Ungültigkeit der Wahl führen würde. Bestehen zwei unterschiedliche Auffassungen zum aktiven bzw. passiven Wahlrecht und gestaltet der Träger die Wahl auf der Grundlage einer der beiden Rechtsauffassungen, so ist kein offensichtlicher Wahlverstoß gegeben, der ein Eingreifen in eine laufende Wahl rechtfertigt.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 13. April 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz aus Anlass der im Mai 2017 stattfindenden Sozialwahl mit dem Ziel der Erweiterung der wahlberechtigten Gruppe. Wegen des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (vgl. § 136 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ebenso wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akten der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Die am 20. April 2017 eingegangene Beschwerde der Antragsteller mit dem Antrag
- festzustellen, dass sämtliche Rentenbezieher in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ohne Beschränkung auf die Rentenbezieher in der Unfallversicherung in der Gruppe der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte (§ 47 Abs. 3 SGB IV) gemäß § 47 Abs. 3 Nr. 2 SGB IV für die kommende Sozialwahl 2017 wahlberechtigt sind, sofern sie dieser Gruppe unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der versicherten Tätigkeit angehört haben,
hilfsweise,
die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den Wahlverstoß zu beheben und zu verpflichten, alle Rentenbezieher in der Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ohne Beschränkung auf die Rentenbezieher in der Unfallversicherung in der Gruppe der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte (§ 47 Abs. 3 SGB IV) gemäß § 47 Abs. 3 Nr. 2 SGB IV für die kommende Sozialwahl 2017 als wahlberechtigt nach § 50 SGB IV anzuerkennen, sofern sie dieser Gruppe unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der versicherten Tätigkeit angehört haben,
- die Beschwerdegegnerin anzuweisen, den Fragebogen und den Antrag auf Ausstellung eines Wahlausweises (Wahlunterlagen) in der Gruppe der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte an sämtliche Rentenbezieher ohne Beschränkung auf die Rentenbezieher in der Unfallversicherung zu versenden,
- falls erforderlich die Fristen zur Durchführung der Sozialwahl 2017 in der SVLFG zu verschieben ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Eilantrag zu Recht abgelehnt, wobei sich die Zuständigkeit des Sozialgerichts aus § 57b SGG ergibt.Die Zulässigkeit des Eilantrages der Antragsteller, insbesondere zum Feststellungsantrag zu 1., kann dahingestellt bleiben. Zwar setzt eine Begründetheitsprüfung grundsätzlich eine vorherige Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus. Ausnahmsweise darf das Gericht die Zulässigkeit jedoch offen lassen, wenn den Verfahrensbeteiligten hierdurch keine Nachteile entstehen können (BSG, Urteil vom 29. Januar 2008, B 7/7a AL 6/06 R; vgl. hierzu auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl., vor § 143 Rn. 2a). So liegt der Fall hier.Der Eilantrag ist in allen Punkten jedenfalls unbegründet.Nach § 57 Abs. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) kann das Gericht während des Wahlverfahrens auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn ein Wahlverstoß vorliegt, der dazu führen würde, dass im Wahlanfechtungsverfahren die Wahl für ungültig erklärt wird. Da bei Erlass einer einstweiligen Anordnung während des Wahlverfahrens endgültige Verhältnisse geschaffen werden können, weil die Wahl nicht mehr aufgrund einer Entscheidung durch den Wahlausschuss durchgeführt wird, sondern aufgrund einer einstweiligen Anordnung, sind besonders strenge Voraussetzungen zu erfüllen, die an die Stelle der sonst für die einstweilige Anordnung geltenden Voraussetzungen treten. Danach muss unzweifelhaft und offensichtlich ein Wahlverstoß vorliegen. Notwendig ist ferner, dass der Wahlverstoß aufgrund seiner Schwere zur Ungültigkeit der Wahl führen würde und die Wahl unzweifelhaft rechtswidrig wäre (vgl. zu allem: Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 10/1162 Seite 7; Hauck/Noftz, SGB IV Kommentar, § 57 Rn. 12; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 87b Rn. 51).Es mangelt bereits an dem Vorliegen eines offensichtlichen Wahlverstoßes, denn nach der summarischen Prüfung des Senats steht das von dem Antragsteller beanstande...