Gründe

Die statthafte (§ 172 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde, der seitens des Sozialgerichts nicht abgeholfen wurde, hat Erfolg.

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Unrecht verpflichtet, an den Antragsteller ab Antragseingang am 18. November 2005 bis zunächst zum 11. Februar 2006 (Ablauf von 6 Monaten) vorläufig monatlich 30,00 Euro Taschengeld während der Untersuchungshaft zu gewähren.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann nur dann Erfolg haben, wenn sowohl ein Anordnungsgrund (in der Regel Eilbedürftigkeit) als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen und dem Antragsteller ohne den Erlass einer solchen Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vergl. z. B. BVerfGE 79, 69 <74>). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Vorliegend bestehen bereits erhebliche Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes, denn der Antragsteller hat in seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hierzu keinerlei Angaben gemacht, erst recht sind diesbezüglich keine Tatsachen glaubhaft gemacht worden.

Aber selbst wenn man - wie es das Sozialgericht allerdings ohne Angabe von Gründen getan hat - von einer besonderen Eilbedürftigkeit ausgeht, so ist jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich.

Grundsätzlich stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein Taschengeld nach den Vorschriften des SGB II gewährt werden kann. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, denn zu Recht hat die Antragsgegnerin insoweit die Frage aufgeworfen, ob Untersuchungsgefangene in Leistungen aus einem System einbezogen werden können, das der Grundsicherung für Arbeitssuchende dient und in dem der Grundsatz des “Förderns und Forderns„ verankert ist. Geht man davon aus, dass die vorrangige Aufgabe des SGB II darin besteht, die Betroffenen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, so stellt sich bereits die - hier allerdings nicht grundsätzlich zu beantwortende - Frage, ob nicht die fehlende Möglichkeit, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, Leistungen nach dem SGB II ausschließt. Diesen Erwägungen kann auch nicht mit dem Hinweis entgegengetreten werden, bisher sei nach allgemeiner Meinung davon ausgegangen worden, dass Untersuchungshäftlinge bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Zahlung von Taschengeld gegenüber dem zuständigen Sozialhilfeträger haben (vgl. so z. B. OLG Celle, Beschluss vom 18.3.1997 - 1 VAs 18/96 - m. w. N.). Dazu ist zu bemerken, dass der bisherige Lösungsansatz deshalb möglich war, weil nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG von den Regelsätzen abgewichen werden konnte, soweit dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten war. Dieser Weg ist - worauf die Antragsgegnerin ebenfalls zutreffend hinweist - nach dem SGB II nicht gangbar, weil sich dort eine vergleichbare Regelung nicht befindet, sondern lediglich im SGB XII, das aber wiederum nicht auf Personen wie den Antragsteller Anwendung findet, die grundsätzlich arbeitsfähig wären und ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müssten.

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII grundsätzlich sinngemäß anwendbar wäre, so müsste aber ein entsprechender Bedarf zumindest dargelegt werden.

Hier fehlt es bereits an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines möglichen konkreten Anspruchs des Antragstellers. Es hätte der nachvollziehbaren Darlegung bedurft, dass es für den Antragsteller eines über die vom Träger der Vollzugsanstalt gewährten Leistungen für den Lebensunterhalt hinausgehenden Taschengeldes überhaupt Bedarf gab. Der Antragsteller hätte zumindest in Ansätzen aufschlüsseln müssen, welche lebensnotwendigen Bedarfsgegenstände er in der JVA A., wo er sich seit dem 11. August 2005 bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung am 16. Februar 2006 zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe als Untersuchungsgefangener aufgehalten hat, nicht erhalten konnte.

Ein zusätzlicher Bedarf wäre jedenfalls zweifelhaft, wenn man davon ausgeht, dass eine Untersuchungshaftanstalt eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II ist.

Der Senat neigt bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung dazu anzunehmen, dass auch die Unterbringung eines Untersuchungsgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt eine stationäre Unterbringung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II ist, bei der der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung übernimmt.

Zwar ist die Frage, ob es sich bei einer Untersuchungshaftanstalt um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II handelt, streitig und wird von den einzelnen Landessozialgerichten unterschiedlich beantwortet. So hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in einem Besc...

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