Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Ausbildungsförderung. Wegfall der abstrakten Förderungsfähigkeit nach BAföG während der Semester im Teilzeitstudium
Leitsatz (amtlich)
Für jedes Semester eines Teilzeitstudiums entfällt die Förderungsfähigkeit nach § 2 Abs 5 S 1 BAföG mit der Folge, dass insoweit auch jeweils der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 S 1 SGB II keine Anwendung findet.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. November 2020 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II vom 2. Oktober 2020 bis zum 31. Januar 2021 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1978 geborene Antragsteller leidet unter einer epileptischen Erkrankung. Bei ihm sind seit 1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, H und RF anerkannt. Vom Wintersemester 2012/13 bis zum Wintersemester 2017/18 war er an der C-Universität in C-Stadt im Studienfach Magister Theologiae eingeschrieben. Das Studium brach er ab. Zum Wintersemester 2018/2019 immatrikulierte er sich an der D-Universität A-Stadt im Bachelorstudiengang Geschichts- und Kulturwissenschaften. Das Studentenwerk A-Stadt lehnte seinen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) mit Bescheid vom 11. Februar 2020 wegen des Fachrichtungswechsels nach § 7 Abs. 3 BAföG ab. Mit Bescheid vom 15. März 2020 genehmigte die D-Universität A-Stadt den Antrag des Antragstellers auf Gewährung eines Teilzeitstudiums für das Wintersemester 2019/2020 und das Sommersemester 2020 im Bachelorstudiengang Geschichts- und Kulturwissenschaften, weil er nachgewiesen habe, dass aufgrund seiner chronischen Erkrankung ein ordnungsgemäßes Vollzeitstudium ausgeschlossen sei.
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Januar bis September 2020. Mit Bescheid vom 28. Juli 2020 lehnte er den Fortzahlungsantrag auf weitere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller betreibe zwar sein Studium in Teilzeit, welches nicht nach dem BAföG förderfähig sei. Jedoch liege keine Ablehnung von Leistungen nach dem BAföG wegen des Teilzeitstudiums, sondern nur wegen des Studienfachwechsels vor; ließe man Studierenden nach, das Studium durch Reduzierung auf Teilzeit abstrakt der Förderfähigkeit nach dem BAföG zu entziehen und so in den Genuss von SGB II - Leistungen zu kommen, würden die Fördergrenzen des BAföG praktisch wirkungslos. Dagegen legte der Antragsteller am 2. September 2020 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass ein Teilzeitstudium gemäß § 2 Abs. 5 BAföG bereits dem Grunde nach nicht nach dem BAföG förderungsfähig sei, sodass er nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II falle, was sich auch aus den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ergebe.
Mit Bescheid vom 22. September 2020 genehmigte die D-Universität A-Stadt den Antrag des Antragstellers auf Gewährung eines Teilzeitstudiums auch für das Wintersemester 2020/2021 und das Sommersemester 2021.
Am 2. Oktober 2020 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Gießen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er seine Ausführungen aus dem Vorverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, § 2 Abs. 5 BAföG kenne die vom Antragsgegner herangezogene Differenzierung nicht, wonach eine Ablehnung gerade wegen des Teilzeitstudiums vorliegen müsse. Er leide an einer epileptischen Erkrankung. Aus diesem Grund seien zwar körperlich schwere Arbeiten ausgeschlossen. Er könne aber mindestens drei Stunden am Tag arbeiten. Für die Frage, ob die Ausbildung in Voll- oder Teilzeit ausgeführt werde, sei allein auf den jeweiligen Ausbildungsabschnitt bzw. Zeitraum abzustellen. Er hat Bescheinigungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin E. vom 7. Januar 2020 und 16. September 2020 vorgelegt, wonach es ihm aufgrund seiner chronischen und nicht heilbaren Erkrankung nicht möglich sei, ein Vollzeitstudium durchzuführen, sodass ein Teilzeitstudium empfohlen werde.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 4. November 2020 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine nicht förderungsfähige Ausbildung i. S. d. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II liege nur in den Fällen vor, in denen der Studiengang von Beginn an und ausschließlich in Teilzeit absolviert werden könne, ohne dass der Studierende während des Studiums selbst Einfluss darauf habe, ob er sein Studium in Vollzeit oder Teilzeit durchführe. Allein dieses Verständnis schaffe eine klare und praktikable Abgrenzung zwischen dem Grunde nach förderungsfähigen und nicht förderungsfähigen Ausbildungen. Die Wahl, ein Studium...