Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. keine Vermögensinhaberschaft des Nacherben am Nachlass bei zur Darlehenssicherung abgetretenem Nacherbenanwartschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Erwerber eines zwischen dem Erbfall und dem Eintritt des Nacherbfalls übertragenen Nacherbenanwartschaftsrechts tritt im Moment des Nacherbfalls unmittelbar - also ohne Durchgangserwerb des vom Erblasser ursprünglich eingesetzten Nacherben - in die Rechtsstellung des Nacherben ein. Der Nacherbe wird damit zu keinem Zeitpunkt Vermögensinhaber am Nachlass.
2. Ist ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich, ist er auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht auf das ihm zur Verfügung stehende, aber gesetzlich geschützte Schonvermögen zu verweisen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2010 abgeändert und der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig - längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - ab 1.Oktober 2010 bis 30. April 2011 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Die 1947 geborene Antragstellerin zu 1) und der 1948 geborene Antragsteller zu 2) sind Eigentümer einer selbst bewohnten Doppelhaushälfte in A-Stadt mit einer Grundstücksfläche von 278 qm und einer Wohnfläche von 107 qm. Aus der Vermietung einer Einliegerwohnung erhalten sie laut Mietvertrag vom 31.03.2005 Mieteinnahmen in Höhe von monatlich 153,00 Euro. Ende Juli 2010 besaßen die Antragsteller zudem Vermögen in Form eines Depots und Girokontoguthabens in Höhe von ca. 11.500,00 Euro.
Der Antragsteller zu 2) war zusammen mit seiner Schwester C. nach der als Vorerbin bestimmten Mutter Nacherbe am Nachlass seines Vaters. Mit notariell beglaubigtem Darlehensvertrag vom 16.05.1989 gewährte die Schwester des Antragstellers zu 2) den Antragstellern ein Darlehen in Höhe von 70.000,00 DM, verzinslich mit 2 % p.a. über dem Diskontsatz der X-bank. Die Rückzahlung war ab dem 15.01.1993 in monatlichen Raten a‚ 500,00 DM vereinbart. Zur Sicherung des Darlehens übertrug der Antragsteller zu 2) sein sich aus seiner Nacherbenstellung ergebendes Anwartschaftsrecht am Erbe des Vaters auf die Darlehensgeberin. Die zunächst in das Grundbuch eingetragene Abtretung wurde am 22.07.2009 gelöscht. Die Mutter des Antragstellers zu 2) verstarb 2009, worauf der Antragsteller zu 2) und seine Schwester laut Erbschein vom 2009 Erben zu jeweils ½ wurden. Sie verkauften das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 01.07.2010 zu einem Preis von 207.000,00 Euro.
Der Antragsteller zu 2) bezog bis zum 09.10.2009 Arbeitslosengeld. Am 29.09.2009 beantragte er zusammen mit der Antragstellerin zu 1) bei dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit Bescheiden vom 12.03.2010 gewährte der Antragsgegner ab dem 29.09.2009 bis 30.09.2010 darlehensweise Leistungen; für den Zeitraum vom 1.4.2010 bis zum 30.9.2010 unter der Auflage der Eintragung einer brieflosen Grundschuld als Sicherungsleistung im Grundbuch. Am 24.07.2010 beantragten die Antragsteller die Weitergewährung von SGB II-Leistungen über den 30.09.2010 hinaus.
Mit Bescheid vom 10.8.2010 hob der Antragsgegner die bisher erfolgte Hilfegewährung für beide Antragsteller nach § 48 SGB X auf und stellte die Leistung ab dem 1.9.2010 ein. Durch den Verkauf des geerbten Grundeigentums sei ein Erlös von 207.000,00 € erzielt worden, wovon die Hälfte auf die Antragsteller entfalle. Außerdem bestehe weiteres Vermögen in Höhe von 20.549,66 €. Insgesamt verfügten die Antragsteller damit über ein Vermögen in Höhe von 124.049,66 €. Die Vermögensfreigrenze liege bei 42.890,00 €, so dass 81.159,66 € ungeschütztes Vermögen vorhanden seien.
Die Antragsteller legten hiergegen Widerspruch ein, da hinsichtlich des geerbten Hausgrundstücks kein verwertbares Vermögen vorliege. Der Antragsteller zu 2) habe sich gemäß notariellem Vertrag verpflichtet, das Erbe nach dem Tod der Eltern auf seine Schwester zum Ausgleich für das gewährte Darlehen zu übertragen.
Am 20.09.2010 haben die Antragsteller einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Frankfurt am Main gestellt. Der Kaufpreis aus dem Verkauf des Grundstückes aus dem Nachlass der Eltern werde direkt an seine Schwester gezahlt, da er selbst im Hinblick auf den notariellen Darlehensvertrag aus dem Jahr 1989 hierauf keine Ansprüche mehr geltend machen ...