Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für Klassenfahrt. Pauschale Klassenfahrtkosten. Bedürftigkeit eines Kindes. Bedarfsgemeinschaft aus Elternteil, Kind und Lebensgefährten des Elternteils
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kann nur dem Hilfebedürftigen selbst zustehen.
2. Die in Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater eines Kindes, das Antrag auf die Übernahme von Klassenfahrtkosten gestellt hat, lebende Partnerin ist durch die Anrechnung ihres Einkommens auf den Bedarf des Kindes nicht unmittelbar beschwert.
3. § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II ermöglicht bei minderjährigen unverheirateten Kindern nur die Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Eltern oder des Elternteils, nicht dagegen des Partners, der mit dem Elternteil in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.
4. Die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II erstreckt sich nur auf Verwandte und Verschwägerte, nicht auf andere Personen.
5. Eine Pauschale ist bei Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen des SGB II nicht zulässig.
Normenkette
SGB II § 9 Abs. 2 S. 2, Abs. 5, § 23 Abs. 3 Nrn. 3, 5; BSHG §§ 16, 122 S. 2; SGB XII § 31 Abs. 1 Nr. 3, § 36
Verfahrensgang
SG Kassel (Beschluss vom 21.06.2005; Aktenzeichen S 21 AS 153/05 ER) |
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin zu 2) und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2005 werden zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt des Antragstellers zu 1).
Der Antragsteller zu 1) ist 1989 geboren und lebt zusammen mit seinem Vater, A… St…, und der Antragstellerin zu 2) in einer Wohnung.
Unter dem 8. Oktober 2004 beantragte der Vater des Antragstellers zu 1) für sich und die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin. Diese lehnte mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. Dezember 2004 Leistungen ab, da das Einkommen den Bedarf überschreite.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2005 beantragte der Vater des Antragstellers zu 1) für diesen die Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt nach Sylt in Höhe von 250 EUR. Ausweislich der beigefügten Teilnahmeerklärung unternähmen sämtliche 8. Klassen der Gesamtschule F-Stadt in der Zeit vom 4. bis zum 12. Juli 2005 eine Klassenfahrt nach Sylt, deren Kosten sich nach einer vorläufigen Abrechnung auf 250 EUR belaufen würden. Mit Schreiben vom 14. Februar 2005 bescheinigte die Gesamtschule F-Stadt, dass die Teilnahme an der Klassenfahrt für die Integration in die Klassengemeinschaft wünschenswert sei.
Mit Bescheid vom 31. März 2005 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für die Klassenfahrt mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse könnten die Kosten aus dem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft in vollem Umfang gedeckt werden.
Mit Schreiben vom 11. April 2005 legte der Antragsteller zu 1) durch seinen Vater Widerspruch gegen den Bescheid ein. Das Gesamteinkommen des Drei-Personen-Haushalts erreiche gerade das Existenzminimum, zusätzliche Beträge z.B. für eine Klassenfahrt könnten nicht angespart werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch unter Bezugnahme auf das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft als unbegründet zurück.
Am 3. Juni 2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Über die Klage (S 21 AS 154/05) wurde bisher nicht entschieden. Zur Begründung des Eilantrages haben die Antragsteller ausgeführt, die Anrechnung des Einkommens der Antragstellerin zu 2) auf den Bedarf des Antragstellers zu 1) und auf den seines Vaters sei unzulässig. Zum einen sei das Einkommen der eheähnlichen Lebensgefährtin bereits deshalb nicht zu berücksichtigen, weil insoweit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vorliege. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Einkommensanrechnung der Leistungen nach dem BAföG verfassungskonform sei, dürfe das Einkommen der Antragstellerin zu 2) deshalb nicht herangezogen werden, da es eine zweckgebundene Leistung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sei. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, bei der Entscheidung über die Gewährung einer einmaligen Beihilfe für eine mehrtägige Klassenfahrt sei das überschießende Einkommen für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats zu berücksichtigen, in dem über die Leistung entschieden worden sei. Zwar sei eine Pauschalierung nicht zulässig, jedoch seien grundsätzlich für den vorliegenden Fall nicht mehr als 150 EUR zu zahlen, da von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K… die Obergrenze für eine mehrtägige Klassenfahrt der 8. Klasse mit 150 EUR festgelegt sei. Im Übrigen ergebe sich aus der Bedarfsberechnung, dass das Einkommen den Bedarf übersteige. Außerdem habe der Antragsteller zu 1) seit Januar 2005 Zeit gehabt...