Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einer Straftat. Verkehrsunfall. Fahren ohne Fahrerlaubnis
Orientierungssatz
Beruht die Erwerbsminderung auf einem Verkehrsunfall, der ua darauf zurückzuführen ist, dass der Versicherte vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, kann die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit versagt werden.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Umstritten ist dabei insbesondere, ob die Beklagte berechtigt war, die Rentengewährung unter Hinweis auf § 104 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu versagen, weil die Erwerbsminderung des Klägers auf einer von ihm begangenen Straftat beruht.
Der 1985 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Koch. Er arbeitete seit 2006 im erlernten Beruf. Vom 27. Mai 2010 an war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe. Für Ende 2011 hatte er eine neue Arbeitsstelle in Aussicht.
Am 11. März 2011 erlitt der Kläger gegen 22:30 Uhr ohne Fremdbeteiligung bei Regen einen Autounfall, bei welchem er sich eine dreifache Fraktur des rechten Oberschenkels, eine Fraktur des linken Ellenbogens sowie eine Fraktur des linken Oberarms mit dauerhafter Schädigung der Armnerven (Armplexus- und Nervus radialis) zuzog. Im Anschluss an den Autounfall war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte gewährte dem Kläger in der Zeit vom 14. April 2011 bis zum 12. Mai 2011 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Wirbelsäulenklinik Bad Homburg. Im Entlassungsbericht vom 16. Juni 2011 diagnostizierte der Arzt für Innere Medizin - Rheumatologie - Dr. med. C. bei dem Kläger eine traumatische hochgradige obere und mittlere Armplexus- und Nervus-radialis-Läsion links bei erhaltener Kontinuität, einen Zustand nach multisegmentaler Femurfraktur rechts (12. März 2011) mit Versorgung durch einen Expert-Nagel des rechten Femurs, einen Zustand nach Implantation eines Humerusnagels links (12. März 2011) wegen Humerusfraktur links und Zuggurtung des Olecranons (12. März 2011) wegen Olecranonfraktur links sowie eine gemischte Hyperlipidämie. Zum Leistungsvermögen führte er aus, dass der Kläger unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen derzeit weder im bisherigen Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Es sei zu empfehlen, nach vollständig abgeschlossener Rekonvaleszenz eine erneute Einschätzung der Leistungsfähigkeit vorzunehmen.
Am 12. September 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin X. vom 22. September 2011 nebst weiteren, insbesondere auch den Autounfall vom 11. März 2011 betreffenden Krankenunterlagen vor. Nach Auswertung dieser Unterlagen vertrat der Arzt - Sozialmedizin - Dr. med. D. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. September 2011 die Auffassung, dass bei dem Kläger bis auf weiteres von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei. Eine Besserung sei in der Zeit bis April 2012 wahrscheinlich.
Nach Abschluss der medizinischen Ermittlungen gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, dass von einem Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 11. März 2011 auszugehen sei (Aktenvermerk vom 15. Oktober 2011). Ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalls am 11. März 2011 seien an Pflichtbeiträgen 74 Monate auf die Wartezeit und 51 Monate auf die sog. Vorversicherungszeit anrechenbar (Aktenvermerk vom 23. Dezember 2011).
Aufgrund weiterer Ermittlungen zum Unfallhergang brachte die Beklagte sodann in Erfahrung, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Autounfalls vom 11. März 2011 eine Blutalkoholkonzentration von 1,39 Promille vorlag. Aus den daraufhin beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Darmstadt ergibt sich, dass der Kläger von der Autobahn A5 kommend versucht hatte, auf einen Autobahnparkplatz zu fahren. Dabei hatte er infolge überhöhter Geschwindigkeit (ca. 120 bis 160 km/h) die Ausfahrt verfehlt und war ungebremst frontal in einen dort wegen Bauarbeiten aufgeschütteten, durch eine Baustellenabsperrung ordnungsgemäß gesicherten Sandhügel gefahren.
In den Akten der Staatsanwaltschaft findet sich außerdem eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister, welche die folgenden Vorstrafen des Klägers ausweist:
1. Urteil Amtsgericht Gießen vom 9. Januar 2009
Trunkenheit im Verkehr
Tatzeit 30. November 2008
§§ 316 Abs. 1, Abs. 2, § 69, § 69 a Strafgesetzbuch (StGB)
35 Tagessatze zu je 10,00 € Geldstrafe
Sperre für die Fahrerlaubnis zum 8. November 2009
2. Strafbefehl Amtsgericht Darmstadt vom 30. Dezember 2010
Trunkenheit im Straßenverkehr
Tatzeit 24. Oktober 2010
§ 316 Abs. 1 StGB, § 69a, § 69 StGB
70 Tagessätze zu je 2...