Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 2 AsylbLG. vollziehbare Ausreisepflicht. Ablauf einer Frist zur freiwilligen Ausreise
Orientierungssatz
Der Ablauf einer Frist zur freiwilligen Ausreise reicht für eine Leistungskürzung nach § 1a Abs 2 AsylbLG nicht aus.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2016 abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 18. Mai 2016 bis 27. Juni 2016 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt
Im Übrigen werden die Beschwerde zurückgewiesen und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/2 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser beantragt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2016 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG, hilfsweise unabweisbare Leistungen gem. § 1a AsylbLG, ab dem 18. Mai 2016 für einen angemessenen Zeitraum, mindestens jedoch bis zum 27. Juni 2016, zu gewähren und
ihm für das Verfahren 1. Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. zu gewähren,
ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. zu gewähren,
ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage dagegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927, und vom 15. Januar 2007, 1 BvR 2971/06, juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des HLSG, bspw. Beschluss vom 29. Januar 2008, L 9 AS 421/07 ER m.w.N., juris). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl. 20014, § 86b Rdnr. 29a).
Der Antragsteller hat für die Zeit ab 18. Mai 2016 bis zum Beginn der stationären Aufenthalts einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller gehört zunächst - wie auch schon das Sozialgericht im mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss ausgeführt hat - zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis. Danach sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller, der nach Ablauf der vorbestehenden Duldung am 26. November 2015 und der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. weiteren Duldung vollziehbar ausreisepflichtig nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist. Der seit Ablauf der Grenzüberschreitungsbescheinigung am 28. April 2016 bestehende illegale Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland steht der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG nicht...