Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Altersrentenbezug. Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. fehlende Ermessensausübung. Vertrauensschutzregelung. Zurücknahme des Rentenantrags
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufforderung an den Hilfeempfänger, eine Altersrente zu beantragen, stellt einen Verwaltungsakt dar, der eine Ermessensausübung des SGB 2-Leistungsträgers notwendig macht.
2. Für Hilfebedürftige, deren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 vor dem 1.1.2008 entstanden ist und die das 58. Lebensjahr vor diesem Tag vollendet haben, hat der Gesetzgeber in § 65 Abs 4 SGB 2 eine Vertrauensschutzregelung geschaffen. Sie dürfen nicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme ihrer Altersrente aufgefordert werden.
3. Es ist unerheblich, ob der Hilfebedürftige tatsächlich die erleichterten Voraussetzungen nach § 65 Abs 4 SGB 2 iVm § 428 SGB 3 in Anspruch genommen hat, oder ob er dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2011 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 31. Juli 2011, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 800,53 Euro mtl. ohne Berücksichtigung der dem Antragsteller bewilligten Altersrente gewährt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Antragstellers für beide Instanzen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob der Antragsteller über den 28. Februar 2011 hinaus leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch -SGB II- ist, oder ob er als Altersrentner von dem Bezug von SGB II-Leistungen ausgeschlossen ist.
Der 1947 geborene Antragsteller bezieht seit Anfang 2005 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bewilligungsbescheid vom 5. August 2010 und Änderungsbescheid vom 26. Oktober 2010 bewilligte der Antragsgegner ihm für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 800,53 Euro. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er begehre Leistungen in Höhe von 843,00 Euro monatlich, da die Regelsätze zu niedrig berechnet worden seien. Zudem seien ihm Leistungen über den 28. Februar 2011 hinaus zu gewähren, weil er erst am 8. Dezember 2012 das 65. Lebensjahr vollende. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 zurück. Die vom Antragsteller am 5. Januar 2011 beim Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage wird unter dem Aktenzeichen S 26 AS 22/11 geführt.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Gewährung der Altersrente für die Zeit ab 9. Dezember 2010 zu stellen. Der Antragsteller wandte hiergegen ein, er sei weiterhin arbeitsfähig und suche nach Arbeit. Eine vorzeitige, gekürzte Altersrente wolle er nicht in Anspruch nehmen. Auf Drängen des Antragsgegners stellte der Antragsteller gegen seinen Willen einen Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 wurde ihm eine -gegenüber der regulären Altersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres- gekürzte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Januar 2011 gewährt im Umfang von 279,27 Euro mtl. abzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Am 21. Januar 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Leistungsgewährung nach dem SGB II ab dem 1. März 2011 beantragt. Er trägt vor, der Antragsgegner habe ihn in eine existenzbedrohliche Lage gebracht, da er aufgrund der geringen Rente nun dem Sozialamt zur Last fallen müsse. Er bemühe sich um die Anstellung bei einem gemeinnützigen, im Aufbau befindlichen Verein, wo er monatlich circa 2.500 Euro brutto erhalten könne. Bei ihm liege zudem ein Härtefall vor, so dass er nicht auf die vorzeitige Altersrente verwiesen werden dürfe. Hinzu komme, dass er ab dem 9. Dezember 2012 die volle Altersrente in Anspruch nehmen könnte, wenn der Antragsgegner ihn nicht jetzt zu einem Rentenantrag gezwungen hätte.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den Antrag mit Beschluss vom 21. Februar 2011 abgelehnt. Es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Altersrente des Antragstellers sich auch durch einen weiteren Bezug nach dem SGB II nicht weiter erhöhen lasse. Zudem sei der Antragsteller nach § 12 a Satz 1 SGB II verpflichtet, die Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch zu nehmen. Die Unbilligkeitsverordnung greife nicht. Im Übrigen könne er ab 1. März 2011 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII stellen, wodurch sein Bedarf gesichert werden könne. Krankenversicherungsschutz könne er durch einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung b...