Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. vergangener Zeitraum. Arbeitslosengeld II. Übernahme von Energiekosten- und Mietrückständen. Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen. Vermeidung von Wohnungslosigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Erlass einer einstweiligen Anordnung stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in einer Wechselbeziehung derart zueinander, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund.

2. Bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt bestehen dann berechtigte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, wenn dem Antragsteller konkret bisher verschwiegenes Einkommen vorgehalten werden kann. Der Vorhalt, dass bereits das bisherige Überleben ohne die verweigerte Hilfe Zweifel an der Hilfebedürftigkeit begründen würde, ist nicht zulässig.

3. Bereits aufgelaufene Mietrückstände sind durch einstweiligen Rechtsschutz nur dann zu übernehmen, wenn hierdurch eine drohende Wohnungslosigkeit des Hilfebedürftigen vermieden werden kann.

 

Orientierungssatz

1. Einstweilige Anordnungen, die sich auf vergangene Zeiträume beziehen, scheiden grundsätzlich aus (vgl LSG Hamburg vom 4.3.2005 - L 3 B 43/05 ER SO = SAR 2005, 62). Daher kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Übernahme von in der Vergangenheit aufgelaufenen Energiekostenrückständen nicht erreicht werden.

2. Aufgelaufene Mietrückstände können nach § 34 Abs 1 SGB 12 nicht übernommen werden, wenn die Arbeitsuchende zwar von Wohnungslosigkeit bedroht ist, aber der Vermieter auch aus anderen Gründen beabsichtigt das Mietverhältnis zu beenden und die Übernahme der Mietschulden daher nicht geeignet ist, die drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden.

 

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2005 verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit ab dem 12. August 2005 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bezahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) sowie die Übernahme von Mietrückständen und rückständiger Energiekosten nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII).

Die 1981 geborene Antragstellerin zu 1. und ihr 1999 geborener Sohn (Antragsteller zu 2.) beantragten am 21. März 2005 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Zuvor stand die Antragstellerin zu 1. im Bezug von Sozialhilfe bis zum September 2004 und der Antragsteller zu 2. erhielt Leistungen nach dem SGB XII bis Februar 2005.

Mit Schreiben vom 21. März 2005 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. auf, durchgängige Kontoauszüge seit dem 1. September 2004, eine Bescheinigung der R. über ihr zugeflossene Gelder während des Zeitraumes ab dem 1. September 2004 bis heute, eine Wahlrechtserklärung der Krankenkasse und ein Nachweis über die Vorsprache bei ihrer persönlichen Ansprechpartnerin der X-Arbeit, Frau S. vorzulegen.

Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin zu 1. nach. Aus der Bescheinigung der R. vom 21. Mai 2005 ergab sich, dass sie am 4. Februar 2005 eine Beihilfe in Höhe von 50,00 Euro und am 10. März 2005 eine Beihilfe in Höhe von 20,00 Euro erhalten hatte.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte die Antragsgegnerin die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Antragsteller ab. Sie stützte sich darauf, dass laut Vorlage der Bescheinigungen durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. sich für den Monat Januar 2005 ein monatliches Einkommen in Höhe von 636,50 Euro und für den Monat Februar 2005 ein Einkommen in Höhe von 656,50 Euro ergeben habe. Laut der schriftlichen Bestätigung des Vermieters und der vorgelegten Kontoauszüge für den Monat Februar 2005 habe sie für die Monate Januar 2005 bis Februar 2005 einen monatlichen Mietbetrag in Höhe von 470,00 Euro an ihren Vermieter bezahlt. Bei der Gegenüberstellung des monatlichen Einkommens in Höhe von 636,50 Euro bzw. 656,50 Euro und der monatlichen Mietkosten in Höhe von 470,00 Euro verbliebe für die Antragstellerin zu 1. ein monatliches Resteinkommen in Höhe von 166,50 Euro bzw. 186,50 Euro. Damit habe den Antragstellern für die Monate Januar und Februar 2005 lediglich ein Betrag in Höhe von 166,50 Euro bzw. 186,50 Euro zur Sicherstellung der Lebensbedürfnisse zur Verfügung gestanden. Für den März 2005 hätten die Antragsteller über ein Einkommen in Höhe von 314,00 Euro bzw. 264,00 Euro - laut Darlegung des Bevollmächtigten - verfügt. Die von den Eltern der Antragstellerin zu 1. gemachten Zuwendungen blieben un...

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