Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer. Verfassungswidrigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. notwendige Beiladung des Sozialhilfeträgers. Überbrückungsleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II bestehen trotz der entsprechenden Vorlage des Sozialgerichts Mainz (Beschluss vom 18.4.2016 - S 3 AS 149/16) zum Bundesverfassungsgericht (dortiges Aktenzeichen 1 BvL 4/16) nicht.

2. Eine Beiladung und eine Verurteilung nach § 75 Abs 2 Alt 2, Abs 5 SGG setzt nicht voraus, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch und der Anspruch gegen den anderen Träger inhaltlich derselbe Anspruch ist oder sich diese Ansprüche inhaltlich vollständig decken, sie dürfen sich aber nach Rechtsgrund und Rechtsfolge nicht wesentlich unterscheiden.

3. Die Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs 3 Sätze 3, 5 und 6 SGB XII stellen gegenüber den Leistungen nach dem SGB II ein aliud dar, so dass eine Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht erfolgen muss.

 

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Antragsteller nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, das Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2018 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Das Sozialgericht geht zutreffend davon aus, dass die Kläger nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von den geltend gemachten Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Gerichtsbescheid vom 30. November 2018 verwiesen.

Der Anwendbarkeit der Vorschriften über den Leistungsausschluss stehen auch keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen (siehe dazu den Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2014, L 7 AS 528/14 B ER, Juris, Rdnrn. 40 ff.; siehe auch Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, Juris, Rdnr. 35).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat der Senat trotz der entsprechenden Vorlage des Sozialgerichts Mainz (Beschluss vom 18. April 2016, S 3 AS 149/16) zum Bundesverfassungsgericht (dortiges Aktenzeichen 1 BvL 4/16) in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung der Landessozialgerichte nicht (ebenso Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Oktober 2018, L 6 AS 500/18 B ER, L 6 AS 501/18 B ER, Juris, Rdnrn. 45, 55 m.w.N.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2018, L 19 AS 249/18 B ER, Juris, Rdnr. 35 m.w.N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. Mai 2017, L 11 AS 247/17 B ER, Juris, Rdnr. 26 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Februar 2017, L 23 SO 30/17 B ER, Juris, Rdnrn. 40 ff.; a.A. lediglich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Januar 2018, L 7 AS 2299//17 B, Juris, Rdnr. 15 m.w.N.).

Das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134). Bei der Bestimmung der Höhe der derart gebotenen Leistungen verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum; er hat die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Leistungsbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134). Er kann bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134).

Der Gesetzgeber hat mit dem Ausschluss von laufenden Leistungen für Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, die Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Leistungsansprüche sind für diese Personengruppe nach der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Hilfen beschränkt, die erforderlich sind, um die Betroffenen in die Lage zu versetzen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen. So räumt § 23 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) nunmehr einen Anspruch auf e...

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