Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. Genehmigung einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragszahnarztsitzes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befugnis zum Führen eines Tätigkeitsschwerpunktes nach § 4 der Ordnung zur Anerkennung besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten in der Zahn- , Mund- und Kieferheilkunde der zuständigen Landeszahnärztekammer Hessen ist grundsätzlich geeignet, die Versorgung der Versicherten zu verbessern und damit die Genehmigung einer Zweigpraxis nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zahnärzte-ZV zu rechtfertigen.

 

Orientierungssatz

1. Ein Vertragszahnarzt kann seine Tätigkeit an einem weiteren Ort außerhalb des Vertragszahnarztsitzes ausüben, wenn die Versorgung der Versicherten dort verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird.

2. Eine Beeinträchtigung der Versorgung am Ort des Vertragszahnarztsitzes liegt dann nicht vor, wenn die Dauer der Tätigkeit in der Zweitpraxis ein Drittel der Tätigkeit am Vertragszahnarztsitz nicht übersteigt. Die Drittelregelung knüpft nicht an einer 40-Stunden-Woche an.

3. Die Residenzpflicht steht einer Genehmigung der Zweitpraxis nicht entgegen. Der Vertragszahnarzt hat während der angekündigten Behandlungszeiten am jeweiligen Tätigkeitsort den Patienten zur Verfügung zu stehen und eine entsprechende Vertretung bzw eine Notfallversorgung im Abwesenheitsfall zu organisieren.

4. Durch eine Eilentscheidung wird die Hauptsache nicht vorweggenommen, wenn die einstweilige Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens befristet ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2007 aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig die Tätigkeit als Vertragszahnarzt an einem weiteren Ort in der C-Straße in C-Stadt bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu gestatten.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Genehmigung einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragszahnarztsitzes an einem weiteren Ort (Zweigpraxis).

Der Antragsteller ist zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugelassen und betreibt mit seinem Praxispartner Dr. Dr. S., der zugleich als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurgie) zur vertragsärztlichen Versorgung wie auch als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist, eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Der Praxispartner besitzt außerdem die bis 31. März 2009 befristete Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg in einer Zweigpraxis in C-Stadt. Im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ist dem Praxispartner durch inzwischen rechtskräftig gewordenen Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2007 vorläufig auch die Ausübung einer Tätigkeit als Vertragszahnarzt in der Zweigpraxis in C-Stadt genehmigt worden. Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. November 2007 zurückgewiesen (Az.: L 4 KA 57/07 ER).

Den gemeinsam mit seinem Praxispartner gestellten Antrag vom 11. Dezember 2006 auf Genehmigung einer zahnärztlichen Zweigpraxis in C-Stadt lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. April 2007 ab, weil die allgemeinzahnärztliche Versorgung in C-Stadt bei neun zugelassenen Vertragszahnärzten gewährleistet sei. Eine Verbesserung der Versorgung durch den Antragsteller sei nicht möglich, wobei die Verbesserung der vertragszahnärztlichen Versorgung durch den Praxispartner auf dem Gebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie unstreitig sei. Den hiergegen unter Hinweis auf den Schwerpunkt "Kinderzahnheilkunde", der in C-Stadt und Umgebung sonst nicht angeboten werde, eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2007 zurück. Die Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes beinhalte lediglich den Hinweis auf eine besonders nachhaltige Ausübung der Zahnheilkunde in einem Teilbereich und führe nicht zu einer Verbesserung der gesamten allgemeinzahnärztlichen Versorgung. Aus der fehlenden Angabe eines Schwerpunktes bei den übrigen Vertragszahnärzten könne nicht geschlossen werden, dass diese nicht dennoch einen entsprechenden Schwerpunkt hätten. Außerdem sei die ordnungsgemäße Versorgung am Sitz in A-Stadt nicht gewährleistet. Die angegebenen Sprechzeiten (Montag bis Mittwoch von 12:00 bis 14:00 Uhr, Donnerstag 12:00 bis 17:00 Uhr und Freitag 9:00 bis 11:00 Uhr) in Verbindung mit der Entfernung zwischen den Praxissitzen von 59,8 km und den damit verbundenen reinen Fahrzeiten (bei günstigsten Verhältnissen 45 Minuten je e...

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