Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. erhöhter Grundfreibetrag. Einnahmen aus selbständiger nebenberuflicher Tätigkeit als Übungsleiter. Ehrenamtlichkeit keine Voraussetzung
Leitsatz (amtlich)
Der erhöhte Freibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 Nr 1 SGB II iVm. § 3 Nr 26 EStG (sog Übungsleiterfreibetrag) kommt dem Leistungsberechtigten auch zugute, wenn er die Tätigkeit in selbständiger Form ausübt, soweit sie sich in den zeitlichen Grenzen einer nebenberuflichen Tätigkeit hält; auf ein spezifisch ehrenamtliches Gepräge bei der Ausgestaltung der Tätigkeit kommt es nicht an.
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 7. Februar 2018 wird, soweit es nicht durch den zwischen den Beteiligten durch die Erklärungen vom 10. beziehungsweise 17. Oktober 2019 geschlossenen Teilvergleich wirkungslos geworden ist, aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung seiner Bescheide vom 24. Mai 2016 und 30. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2016 verurteilt, dem Kläger für den Monat April 2016 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), namentlich unter Berücksichtigung eines monatlichen Freibetrages in Höhe von 200,- Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 SGB II, zu gewähren.
II. Der Beklagte trägt die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Klägers für beide Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für April 2016, konkret um die Berücksichtigung eines höheren Einkommensfreibetrages.
Der 1953 geborene Kläger bezieht seit Jahren Arbeitslosengeld II. Er ist deutscher Staatsbürger. Für seine Wohnung in A-Stadt fielen im streitigen Zeitraum eine Grundmiete in Höhe von monatlich 173,19 Euro, an den Vermieter zu erbringende Betriebskostenvorauszahlungen von monatlich 82,50 Euro, Heizkostenvorauszahlungen von monatlich 37,- Euro sowie Aufwendungen für Frischwasser von monatlich 3,- Euro sowie quartalsweise (jeweils im Februar, Mai, August und November) Aufwendungen für Abwasser von 6,06 Euro an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Betriebskostenabrechnung vom 28. September 2015 (Bl. 1280 ff. der zum Kläger geführten Leistungsakte des Beklagten [im Folgenden: LA]), die Verbrauchsabrechnung der Städtischen Werke A-Stadt vom 13. Mai 2015 (LA Bl. 1238 ff.) und die Grundstücksabgabenbescheide der Stadt A-Stadt vom 22. Mai 2015 (Frischwasser) beziehungsweise 27. Mai 2015 (Abwasser) (LA Bl. 1241 ff.) Bezug genommen.
Von Beruf ist der Kläger Sportlehrer, wobei er wechselnde Einkünfte aus Nebentätigkeiten als Übungsleiter und Trainer erzielte. Seine Einnahmen bewegten sich dabei seit circa 2013 im Bereich von etwa 300,- Euro bis 500,- Euro für rund 12 bis 20 Stunden pro Monat. Bereits im August 2011 hatte er einen Honorarvertrag auf selbständiger Basis über eine Tätigkeit als Übungsleiter mit der Firma C. GmbH (im Folgenden: C.) mit einem Stundensatz von 25,- Euro abgeschlossen; die Anzahl der zu leistenden Stunden war nicht festgelegt. Am 2. Januar 2013 schloss er zudem mit dem Verein Gesundheitssport D. e.V. (im Folgenden: D.) einen „Freier Mitarbeiter-Vertrag als Übungsleiter/Sport". Vertragsgegenstand war eine Tätigkeit des Klägers im Umfang von drei Übungseinheiten pro Woche zu einem Entgelt von 25,- Euro pro Übungseinheit. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf BI. 5 ff. der Gerichtsakte (im Folgenden: GA) Bezug genommen.
Der Kläger erzielte in dem für den hiesigen Rechtsstreit relevanten Zeitraum aus diesen Tätigkeiten im Dezember 2015 Einnahmen in Höhe von 300,- Euro (D.) und 56,- Euro (C.), im Januar 2016 von 300,- Euro (D.), im Februar 2016 von 400,- Euro (D.), im März 2016 von 375,- Euro (D.) und 56,- (C.), im April 2016 von 400,- Euro (D.) und im Mai 2016 von 350,- Euro (D.). Demgegenüber machte er Aufwendungen von 57,- Euro im Dezember 2015, 73,09 Euro im Januar 2016, 127,99 Euro im Februar 2016, 104,90 Euro im März 2016, 107,98 Euro im April 2016 und 147,- Euro im Mai 2016 geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl.1373 (Dezember 2015), LA Bl. 1379 (Januar 2016), LA Bl. 1387 (Februar 2016), LA Bl. 1393 (März 2016), LA Bl. 1406 (April 2016) und LA Bl. 1435 (Mai 2016) Bezug genommen.
Für den streitigen Zeitraum bewilligte der Beklagte auf Fortzahlungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 zunächst vorläufig Arbeitslosengeld II. Dabei berücksichtigte er den Regelbedarf von 399,- Euro monatlich, die Grundmiete von 173,19 Euro, „kalte“ Nebenkosten von 87,52 Euro monatlich sowie die Heizkosten von 37,- Euro. Bedarfsmindernd stellte er „vorsorglich“ ein Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von mo...