Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs des Grundsicherungsberechtigten auf Mehrbedarf zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. wegen kostenaufwändiger Ernährung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Grundsicherungsberechtigten auf Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB 2 setzt voraus, dass dieser zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist. Hierzu zählt nicht eine ambulante Psychotherapie. Diese dient als medizinische Maßnahme der Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit. Somit handelt es sich nicht um eine Maßnahme zur Teilhabe am Erwerbsleben.
2. Kann der Grundsicherungsberechtigte keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Erkrankung vortragen, die eine kostenaufwändigere Ernährung als eine vom Regelbedarf bereits umfasste Vollkost erforderlich macht, so ist ein Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB 2 ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers und entsprechend des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 6. April 2023 werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 7. Dezember 2018 sowie der Bescheid vom 22. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheides vom 4. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2014 (S 8 AS 263/14) und der Bescheid vom 1. November 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 6. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 (S 8 AS 257/14) abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Juni 2013 bis einschließlich Mai 2014 weitere Leistungen in Höhe von 106,48 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Juni 2013 bis Mai 2016 unter anderem für Mehrbedarfen wegen kostenaufwändiger Ernährung, der Durchführung einer ambulanten Psychotherapie zur Aufrechterhaltung seiner Erwerbsfähigkeit und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren sind.
Der 1970 geborene Kläger hatte während seiner Schulzeit 1991 einen Sportunfall mit Kniegelenksverletzung erlitten. Darüber hinaus leidet er unter weiteren Behinderungen, u. a. fehlendem räumlichen Sehvermögen, Tinnitus und Wirbelsäulenbeschwerden. Nach Absolvierung des Abiturs hatte der Kläger zunächst ein Lehramtsstudium begonnen, währenddessen die Fachkombination gewechselt und es letztlich ohne Abschluss abgebrochen. Auch ein sodann begonnenes Studium der Rechtswissenschaften brach er ohne Abschluss ab. Eine anderweitige Ausbildung oder eine Erwerbstätigkeit hat er seitdem nicht aufgenommen. Er hat im Laufe der Jahre gegenüber verschiedenen Sozialleistungsträgern erfolglos einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ausschließlich gerichtet auf Förderung eines weiteren Studiums geltend gemacht.
Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Auch diesem gegenüber hat er in einer Mehrzahl von Verfahren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - ausschließlich - in Form eines Studiums geltend gemacht. Mit Teilanerkenntnis vom 13. Juli 2011 in dem Berufungsverfahren L 6 AS 8/08 vor dem Hessischen Landessozialgericht (LSG) hat der Beklagte seine Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach anerkannt. Ansprüche auf Finanzierung diverser Studiengänge wurden jedoch abgelehnt, weil grundsätzlich die Förderung einer Ausbildung ausreichend zur Eingliederung des Klägers in das Erwerbsleben sei und die besonderen Voraussetzungen für die Förderung eines Studiums nicht vorlägen.
Jedenfalls sei das dem Leistungsträger eröffnete Ermessen nicht auf null reduziert. Diese Verwaltungsentscheidungen wurden mehrfach erstinstanzlich und obergerichtlich bestätigt (vgl. Sozialgericht ≪SG≫ Marburg, Urteil vom 29. Oktober 2007, Az. S 5 AS 82/05; Gerichtsbescheide vom 5. August 2014, Az. S 8 AS 112/11; und vom 23. März 2016, Az. S 8 AS 212/12; Hessisches LSG, Urteile vom 13. Juli 2011, Az. L 6 AS 8/08; vom 18. Dezember 2015, Az. L 7 AS 648/14; und vom 17. Februar 2017, Az. L 7 AS 391/16; zuletzt SG Marburg mit Beschlüssen vom 26. November 2018, Az. S 8 AS 214/18 ER und S 8 AS 215/18 ER).
Der Beklagte hatte dem Kläger nach Einschaltung eines Rehabilitationsberaters Eignungstests und Eingliederungsmaßnahmen sowie Umschulungen zum Fachinformatiker oder zum Personaldienstleistungskaufmann und zuletzt die Förderung einer betrieblichen Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten, alternativ zum Rechtsanwaltsfachangestellten bewilligt. Der Kläger hat diese Angebote (mit Ausnahme eines Eignungstests 2015) nicht wahrgenommen.
Weiterhin waren auch höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung e...