Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung. Dauer. zwei zeitgleich erfolgte Arbeitsablehnungen. eine Sperrzeit. wiederholte Pflichtverletzung. keine vorherige Mitteilung über erste Sperrzeit erforderlich. Zumutbares Arbeitsangebot. gleichzeitiges Unterbreiten mehrerer Vermittlungsvorschläge
Leitsatz (amtlich)
Bei zwei zeitgleich erfolgten Arbeitsablehnungen auf zwei zeitgleich ausgehändigte Vermittlungsangebote treten zwei "erste" Sperrzeittatbestände iS des § 144 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3 in der im Jahr 2010 geltenden Fassung (§ 159 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3) und nicht eine erste und eine zweite Sperrzeit iS des § 144 Abs 4 S 1 Nr 1 und 2 SGB 3 in der im Jahr 2010 geltenden Fassung (§ 159 Abs 4 S 1 Nr 1 und 2 SGB 3) ein.
Orientierungssatz
1. Der Eintritt einer zweiten Sperrzeit für eine wiederholte Pflichtverletzung gem § 144 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 setzt nicht voraus, dass eine schriftliche Mitteilung über den Eintritt der vorausgegangenen ersten Sperrzeit nach § 144 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3 erfolgt ist.
2. Eine Übertragung der in die Neufassung des § 31a Abs 1 S 4 SGB 2 eingeflossenen Rechtsprechung zu den Sanktionsbestimmungen des SGB 2 auf die Arbeitslosenversicherung scheidet aus.
Normenkette
SGB III a.F. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2, 4 Nr. 2 c), § 128 Abs. 1 Nr. 3, § 330 Abs. 3 S. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 7. November 2012 geändert.
Der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2010 (Vermittlungsvorschlag C. GmbH vom 5. August 2010) sowie der Änderungs-/Aufhebungsbescheid vom 4. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2010 werden aufgehoben, insoweit dort eine über den 27. August 2010 hinausgehende Sperrzeit und ein Minderungszeitraum von über 21 Tagen festgestellt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach Eintritt einer Sperrzeit vom 7. August bis 27. August 2010 (drei Wochen) noch über den Eintritt einer weiteren Sperrzeit vom 7. August bis 17. September 2010 (sechs Wochen) und über die Erstattung des Arbeitslosengeldes sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 649,23 € für den Zeitraum vom 7. August bis 31. August 2010 nach Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung durch die Beklagte für den Zeitraum 7. August bis 17. September 2010.
Der 1985 geborene Kläger meldete sich nach einer zuletzt ausgeübten Tätigkeit von 20 Stunden wöchentlich Ende April 2010 zum 1. Mai 2010 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 25. Mai 2010 Arbeitslosengeld ab dem 8. Mai 2010 nach Ablauf einer einwöchigen Sperrzeit (1. Mai bis 7. Mai 2010) wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung für eine Anspruchsdauer von 300 Tagen auf der Grundlage eines täglichen Arbeitsentgelts von 47,34 € in der Lohnsteuerklasse I zum allgemeinen Leistungssatz. Zugrunde lag das zuletzt erzielte monatliche Arbeitsentgelt im Abrechnungszeitraum vom Mai 2009 bis April 2010 in Höhe von insgesamt 17.278,85 € (durchschnittlich 1.439,90 € brutto).
Die Beklagte unterbreitete dem Kläger am 5. August 2010 bei einer persönlichen Vorsprache insgesamt neun vor Ort ausgedruckte Vermittlungsvorschläge, davon acht für Stellen bei Zeitarbeitsfirmen. Darunter waren ein Stellenausschreibung der D. GmbH (im Folgenden: D. GmbH) in Vollzeit zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.700,00 €, Gegenstand des Arbeitsvertrages sollte eine Tätigkeit als Kommissionierer sein. Zum anderen unterbreitete die Beklagte dem Kläger eine Vermittlungsangebot für eine Stelle bei der C. GmbH & Co. KG als Gabelstaplerfahrer in einer Vollzeitbeschäftigung zum “BZA-Tarif", also dem Tarifvertrag Zeitarbeit. Dieser sah im Jahr 2010 in der Entgeltgruppe 2 (mehr als kurze Anlernzeit) in Westdeutschland einen Stundensatz von mindestens 8,42 € vor. In beiden Fällen wurde nach dem Hinweis in den Vermittlungsvorschlägen vom Kläger eine umgehende schriftliche Bewerbung und von der Arbeitgeberin eine Rückantwort bis zum 2. September 2010 erwartet. Nach den Mitteilungen beider Arbeitgeber jeweils vom 6. September 2010 hatte sich der Kläger bei dem jeweiligen Unternehmen (bis zu diesem Zeitpunkt) nicht beworben.
Mit zwei Schreiben vom 10. September 2010 hörte die Beklagte den Kläger jeweils wegen des Eintritts einer Sperrzeit an. Der Kläger erklärte mit zwei Schreiben vom 23. September 2010, er habe sich am 21. September 2010 telefonisch sowohl mit dem Arbeitgeber D. GmbH als auch mit dem Arbeitgeber C. GmbH in Verbindung gesetzt und schriftlich beworben. Er warte noch auf Antwort.
Sodann stellte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 7. August bis 27....