Entscheidungsstichwort (Thema)

Kompetenz der Bundesagentur für Arbeit zu Fragen des Arbeitsmarktes bei der Bewilligung von Erwerbsminderungsrente

 

Orientierungssatz

1. Ist das Leistungsvermögen des Versicherten lediglich in qualitativer, nicht dagegen in quantitativer Hinsicht herabgemindert, so kann er noch regelmäßig als Warenaufmacher, Versandfertigmacher oder Warensortierer tätig sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Solche Arbeitsstellen stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

2. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Aussagen der Bundesagentur für Arbeit und ihrer Behörden zu Fragen des Arbeitsmarktes von besonderer Fachkunde gestützt werden.

3. Einem Arzt für Arbeitsmedizin fehlt die erforderliche besondere Fachkunde, um Aussagen darüber machen zu können, die über die Beurteilung eines einzelnen konkreten Arbeitsplatzes hinausgehen. Fragen des Arbeitsmarktes sind nicht Gegenstand der Arbeitsmedizin.

4. Ob die für den Versicherten in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei oder besetzt sind, ist unbeachtlich. Eine Ausnahme hiervon kommt nur in den sog. Katalogfällen in Betracht.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1962 in der Türkei geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er kam 1980 nach Deutschland und arbeitete hier von 1981 bis 1982 als Maschinenarbeiter, von 1983 bis 1985 als Betonarbeiter und von 1985 bis 1991 als Hilfsarbeiter. Zuletzt war der Kläger vom 1. Oktober 1990 bis zum 28. Februar 1991 als Müllwerker bei der Stadt A-Stadt beschäftigt. Laut Arbeitgeberauskunft vom 15. September 1995 wurde er für diese Tätigkeit für die Dauer von einem Tag hinsichtlich der Funktionsleisten am Müllfahrzeug eingearbeitet.

Am 7. Oktober 1994 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte Befundberichte des Arztes für Urologie und Chirurgie Dr. med. BQ. vom 6. Februar 1995 und vom 7. April 1995 vor. Auf Veranlassung der Beklagten wurde er daraufhin am 2. Juni 1995 durch den Arzt für Orthopädie - Sportmedizin, Chirotherapie - Dr. med. FA. untersucht.

Im fachorthopädischen Rentengutachten vom 12. Juni 1995 diagnostizierte Dr. med. FA. bei dem Kläger ein Halswirbelsäulensyndrom mit deutlicher Bewegungseinschränkung und Fehlstatik bei flachem Bandscheibenvorfall C4/C5, C5/C6 sowie C6/C7 ohne Rückenmarkskompression und ohne neurologische Ausfälle, ein entzündlich bedingtes Schulter-Arm-Syndrom ohne Bewegungseinschränkung, ein geringes verschleißbedingtes Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle mit geringer Bewegungseinschränkung, eine Hypästhesie des rechten Beines ohne begleitende motorische Ausfälle, eine Fußfehlstatik sowie einen Zustand nach Sprunggelenksbänderruptur mit stabiler Ausheilung. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen mutete er dem Kläger noch leichte, gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (in wechselnder Körperhaltung, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Über-Kopf-Arbeiten, nur ebenerdig sowie ohne Einwirkung von Kälte, Zugluft oder Nässe) vollschichtig zu.

Nach Auswertung dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 13. Juli 1995 und Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1996 mit der Begründung ab, dass keine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß vorliege. Die nachfolgend vom Kläger erhobene Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts Darmstadt (Az. S 2 J 294/96) vom 27. Juni 1996 als unbegründet abgewiesen.

Am 9. Oktober 1996 stellte der Kläger zum zweiten Mal einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie - Sportmedizin - Dr. med. JZ. vom 2. Oktober 1996 nebst weiteren Krankenunterlagen vor. Auf Veranlassung der Beklagten wurde er daraufhin am 20. November 1996 in der ärztlichen Untersuchungsstelle D. untersucht.

Im sozialärztlichen Rentengutachten vom 20. Januar 1997 diagnostizierte die Medizinaldirektorin - Sozialmedizin - Dr. med. OA. von N. bei dem Kläger Bandscheibenvorfälle in Höhe C4/C5, C5/C6 und C6/C7 ohne neurologische Ausfälle mit leichter Funktionseinschränkung im Halswirbelsäulen-Bereich sowie Verschleißerscheinungen im Lendenwirbelsäulen-Bereich mit leichter Bewegungseinschränkung und diskreter Wurzelirritation rechts. Sie mutete dem Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 8 kg Gewicht, nicht überwiegend im Freien sowie ohne Einwirkung durch Kälte, Zugluft oder Nässe) vollschichtig zu.

Auch der zweite Rentenantrag des Klägers wurde daraufhin seitens der Beklagten durch Bescheid vom 28. Januar 1997 und Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1997 mit der Begründung abgelehnt, dass keine Erwerbsminderung in ren...

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