Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. einheitlicher Vertragsarztsitz auch nach Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes. Begriff des Vertragsarztsitzes. kein Verstoß gegen Berufsausübungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Sowohl das SGB 5 als auch die Ärzte-ZV gehen auch nach dem Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes - VÄndG - vom 22.12.2006 = BGBl I 2006, 3439 am 1.1.2007 von einem (einheitlichen) Vertragsarztsitz aus.
2. Vertragsarztsitz ist der durch die Praxisanschrift gekennzeichnete konkrete Ort der Praxis (vgl ua BSG vom 10.5.2000 - B 6 KA 67/98 R = SozR 3-5520 § 24 Nr 4).
3. Aus der durch Art 12 Abs 1 S 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit folgt nicht die Berechtigung der Ausübung ärztlicher Tätigkeit auf zwei Fachgebieten an zwei Vertragsarztsitzen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. September 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu tragen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die sowohl als Augenärztin als auch als Neurologin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Klägerin begehrt die Genehmigung der Verlegung ihres Vertragsarztsitzes nur für die Ausübung ihrer Tätigkeit auf neurologischem Fachgebiet von A-Stadt nach C-Stadt.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 25. Mai 1993 war die Klägerin als Augenärztin für den Vertragsarztsitz A-Stadt - D-Stadt -, E-Kreis, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen worden. Mit weiterem Beschluss vom 14. September 1993 hatte der Zulassungsausschuss festgestellt, dass die zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Augenärztin zugelassene Klägerin nunmehr auch die Gebietsbezeichnung Neurologie führe.
Mit bei der Beigeladenen zu 1) am 13. Juni 2007 eingegangenem Antrag begehrte die Klägerin die Verlegung ihres Vertragsarztsitzes nur zur Ausübung ihrer Tätigkeit auf neurologischem Fachgebiet an das MVZ C-Stadt GmbH, F-Straße, C-Stadt. Sie beabsichtige, eine Einzelpraxis in Räumlichkeiten am MVZ C-Stadt GmbH einzurichten, vorerst aber nicht als Mitglied der Trägergesellschaft in das MVZ einzutreten. Ihre Tätigkeit als Augenärztin werde sie weiterhin am Vertragsarztsitz in A-Stadt, A-Straße ausüben. Die Klägerin führte gegenüber dem Zulassungsausschuss aus, der EBM 2005 führe zu einer massiven Umsatzeinbuße in ihrer Praxis. Vor der Einführung des EBM 2005 habe sie sich mit der Beigeladenen zu 1) auf eine Mischkalkulation bezüglich der Abrechnung geeinigt und im Quartal 39.000,- € an Honorar erzielt. Hiermit habe sie den vermehrten Geräteaufwand sowie den erhöhten Personalaufwand zum Betreiben beider Fachrichtungen finanzieren können. Nach Einführung des EBM 2005 seien ihr die ehemaligen neurologischen Ziffern, die die Basisdiagnostik sowie die Beratung beinhalteten (Ordinationskomplex Nrn. 16210-16212 EBM 2005), gestrichen worden. Da sie durch die zuerst erteilte Zulassung als Augenärztin eine augenärztliche Abrechnungsnummer bekommen habe, werde sie als Augenärztin budgetiert. Ihr Umsatz sei auf nunmehr 20.400,- € im Quartal ohne Restzahlung geschrumpft. Da die Weiterführung der Facharztpraxis betriebswirtschaftlich so nicht möglich sei, plane sie, die Praxen räumlich und zeitlich zu trennen. Sie beabsichtige abwechselnd vormittags und nachmittags in beiden Praxen jeweils 20 Stunden Sprechzeiten je Woche anzubieten und könne beide Praxen vollumfänglich betreuen. Eine wie von der Beigeladenen zu 1) vorgeschlagene Halbierung des Versorgungsauftrages für beide Fachrichtungen würde das Problem nicht lösen, da sie zwei unabhängig voneinander arbeitende Praxen und zwei unabhängig voneinander erstellte Abrechnungen anstrebe.
Mit Beschluss vom 25. September 2007, ausgefertigt am 21. Dezember 2007, lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Klägerin auf Verlegung des Vertragsarztsitzes ausschließlich für die neurologische Tätigkeit von A-Stadt nach C-Stadt ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin könne zwar grundsätzlich den Vertragsarztsitz verlegen, auch eine Tätigkeit an einem weiteren Ort wäre unter Beachtung der Bestimmungen des § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gegebenenfalls möglich. Für eine Splittung der Zulassung in der beantragten Form mit einem “vollen„ Vertragsarztsitz Augenheilkunde in A-Stadt und einem weiteren “vollen„ Vertragsarztsitz Neurologie in C-Stadt werde jedoch keine Rechtsgrundlage gesehen.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. Januar 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die Entscheidung des Zulassungsausschusses, eine in zwei Fachgebieten zugelassene Vertragsärztin in ihrer Tätigkeit auf einen Vertragsarztsitz zu beschränken, verstoße gegen die Berufsausübungsfreiheit, die durch Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 Grund...