Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Abgrenzung: Arbeitsunfall von Wegeunfall. innerer Zusammenhang. auswärtige Tätigkeit. Dienstreise. Unterkunft iSd § 550 Abs 3 RVO. zeitliches Element. nur vorübergehender Aufenthalt. kein häuslicher und privater Wirkungskreis. Außentür. Sturz auf Hoteltreppe. Bauingenieur. auswärtiger Baustelleneinsatz

 

Orientierungssatz

Ein Baustellenleiter, der während eines auswärtigen Baustelleneinsatzes für mehrere Monate von Montags bis Freitags in einer Hotelpension in keinem "festen" Zimmer wohnt, steht auf dem Rückweg vom Abendessen zu seinem Zimmer innerhalb der Hotelpension als auf einem im Rahmen einer Dienstreise versicherten Weg gem § 548 Abs 1 S 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2007; Aktenzeichen B 2 U 39/06 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. März 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte einen Unfall des Klägers vom 10. Januar 1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen hat.

Der 1953 geborene Kläger war zurzeit des Unfalls in K bei M wohnhaft und bei der Firma W und F AG, Tiefbauabteilung, F, als Bauingenieur/Bauleiter beschäftigt. Im August 1995 erfolgte sein Einsatz als Bauleiter auf einer Baustelle in H, der bis April 1996 geplant war. Ab 28. August 1995 bis Mitte Dezember und ab Januar 1996 wohnte der Kläger deshalb in der Woche jeweils von Montag bis Freitag in der Hotelpension "H" in H. Dort stürzte er am 10. Januar 1996 zwischen 21.00 Uhr und 21.20 Uhr beim Begehen der Treppe zu seinem im zweiten Stock gelegenen Zimmer und fiel die Treppe herunter. Hierbei zog er sich eine schwere Kopfverletzung zu. Von den Ärzten wurde am Unfalltag ein Foetor bemerkt. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen.

Am Unfalltag hatte der Kläger zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr seine Arbeit beendet und im Baubüro mit einem Kollegen noch zwei bis drei Cognac getrunken. Anschließend fuhr er mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Richtung seines Hotels (Fahrtzeit ca. 30 bis 45 Minuten). Zur Einnahme des Abendessens suchte er jedoch zunächst ein in der Nähe der "M" gelegenes italienisches Restaurant auf, wo er gegen 19.30 Uhr eintraf. Nach dem Abendessen, bei dem er auch drei Glas Wein trank, begab er sich zur Hotelpension "H", in der er dann auf dem direkten Weg zu seinem Zimmer auf der Treppe stürzte und herunterfiel. Die Inhaberin der Hotelpension konnte sich laut Mitteilung an die Beklagte vom 25. April 1996 den Unfall nicht erklären. Die Treppe sei gut zu begehen, sehr gut beleuchtet und dem Kläger genau bekannt gewesen. Seit Aufnahme des Betriebes 1967 sei es noch zu keinem weiteren Sturz gekommen.

Durch Bescheid vom 21. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil es sich bei dem Unfall vom 10. Januar 1996 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Für die Beurteilung des Versicherungsschutzes sei die Vorschrift des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgebend mit der Folge, dass der unter Versicherungsschutz stehende Weg an der Außentür der Unterkunft beginne und ende.

Auf die am 25. März 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg (SG) durch Urteil vom 30. März 1999 die Beklagte verurteilt, das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen. Auch bei einem längeren auswärtigen Aufenthalt seien die Grundsätze der Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf Wegen von und zur Nahrungsaufnahme während einer Dienst- oder Geschäftsreise anzuwenden, da eine zuverlässige Abgrenzung des sog. häuslichen Wirkungskreises nicht möglich sei.

Gegen das ihr am 29. April 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Mai 1999 beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) Berufung eingelegt.

In einer vom Senat eingeholten Auskunft vom 1. November 2001 hat die Firma W und F Ingenieurbau AG u. a. mitgeteilt, dass der Kläger seit seinem Wiedereintritt in den Betrieb im April 1987 immer nur auf Baustellen außerhalb von F eingesetzt gewesen sei und dies auch für die Zukunft geplant gewesen sei. Auch bei dem Einsatz in H habe es sich nicht um eine Dienstreise, sondern um einen Baustelleneinsatz gehandelt. Dem Kläger seien Unterkunft, tarifvertragliche Auslösung und Familienheimfahrten gezahlt worden.

Durch Urteil vom 24. Juli 2002 hat der Senat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger sich zurzeit seines Unfalls in der Hotelpension "H" nicht auf einer vom Versicherungsschutz gemäß § 548 Abs. 1 RVO umfassten Dienst-/Geschäftsreise befunden habe. Sein Versicherungsschutz beurteile sich vielmehr nach § 550 Abs. 1 RVO mit der Folge, dass er mit dem Durchschreiten der Außentür der Hotelpension geendet habe, in der der Kläger seine Unterkunft im Sinne vo...

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